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Mythen Wie viel Routine braucht ein Kind wirklich?

Glauben Sie nicht alles, was Sie über Rhythmen, Zyklen und Rituale hören. Um sich an Tag und Nacht zu gewöhnen, brauchen Babys viel weniger, als man denkt. Wir räumen mit drei gängigen Mythen auf!

Mythos Nummer 1:

Mythen: Wie viel Routine braucht ein Kind wirklich?
© mauritius images/ Stockbyte

Ein klarer Rhythmus lässt Kinder früh durchschlafen
Man hört sie immer wieder - die Geschichten von den pflegeleichten Superbabys, die mit drei Monaten durchschlafen. Und fragt sich bewundernd und neidisch, warum das eigene Kind mit einem Jahr immer noch zweimal in der Nacht aufwacht. Was haben wir falsch gemacht? Die entlastende Nachricht: gar nichts. Zwar gibt es einige wenige Ausnahmebabys, die sich sehr früh dem elterlichen Rhythmus anpassen - aber das ist wohl eher Zufall. Ähnlich wie das Krabbeln-, Laufen- und Sprechenlernen unterliegt auch das Schlafen Reifungsprozessen, die vor allem im Gehirn ablaufen.

Deshalb: Finger weg von Trainingsprogrammen, mit denen Kinder durch Schreienlassen nach Zeitplan zum Durchschlafen gebracht werden sollen, bevor sie dafür reif sind. Viele Babys schaffen das ganz von selbst mit etwa einem halben Jahr - aber bis zum zweiten Geburtstag sind auch mehrere nächtliche Unterbrechungen noch völlig im Rahmen. Das verwundert nicht, wenn man bedenkt, dass sich bis zum Durchschlafen sämtliche Körperfunktionen erst auf Tag- und Nachtmodus einpendeln müssen: Das Herz schlägt in der Nacht langsamer als am Tag, morgens anders als abends. Die Nieren scheiden tagsüber mehr Urin aus als nachts. Fingernägel und Haare wachsen nachts schneller, weil dann mehr Wachstumshormone ausgeschüttet werden.

Erst mit etwa sechs Wochen beginnt der Babykörper, diese Information zu speichern, das können Wissenschaftler sogar nachmessen: Haben Babys anfangs eine immer gleiche Körpertemperatur, steigt sie schon bei sechs Wochen alten Kindern - wie bei uns Erwachsenen - tagsüber leicht an, erreicht abends ihren Höhepunkt und sinkt über Nacht wieder ab. Hat der Körper diesen Rhythmus erst mal intus, ist zumindest der Grundstein für aktive Tage und durchgeschlafene Nächte gelegt. Ansonsten helfen die anderen Reize als natürliche Zeitgeber: Tageslicht und Dunkelheit, Alltagsgeräusche und nächtliche Stille, Temperaturwechsel, unterschiedliche Kleidung und Windelwechseln.

Mythos Nummer 2:

Der ganze Alltag steckt voller Rituale!

Kinder brauchen feste Rituale
Gerade Mütter mit dem ersten Kind, die von Tag zu Tag spontan entscheiden, was wann passiert, quält oft ein schlechtes Gewissen: Braucht mein Kind keine Rituale? Die Antwort: Ja, Babys brauchen Rituale. Aber sie müssen trotzdem nichts an ihrem Leben ändern. Klingt unlogisch? Hier die Erklärung: Ab dem sechsten Lebensmonat suchen Kinder mit Begeisterung nach Dingen in ihrem Alltag, die immer gleich sind. Zum Beispiel: Bevor wir rausgehen, zieht Mama mir den Anorak an. Oder: Bevor ich an der Brust trinken darf, holt Mama sich ein Glas zu trinken und ein Buch und ruckelt sich das Kissen zurecht. Oder selbst: Wenn Mama auf dem Klo war, zieht sie danach die Spülung und wäscht sich die Hände. Merken Sie was? Genau.

Der Alltag Ihres Babys ist ganz automatisch voller Rituale - ob Sie wollen oder nicht. Denn kein Mensch kann jeden Tag das Rad neu erfinden - bei Ihnen daheim wimmelt es nur so vor Ritualen. Alltägliche kleine Abläufe, die einem selbst gar nicht mehr auffallen, dem Baby aber Geborgenheit und Sicherheit geben. Alles, was darüber hinausgeht - feste Mahlzeiten, die immer gleiche Bettgehzeit - ist die Kür. Will sagen: findet ein Baby toll - braucht es aber nicht. Und kommt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit irgendwann von allein, spätestens wenn Ihr Kind in den Kindergarten geht. Bis dahin ein Rat: Die Spontaneität der Babyzeit beim ersten Kind auskosten, solange es geht. Bei allen weiteren gibt’s schon durch das große Geschwister so viele mit Vehemenz eingeforderte Rituale vom morgendlichen Zähneputzen bis zum Gutenachtkuss, dass man sich fragt: Wie konnte ich je Angst haben, zu wenig Rituale zu haben?

Mythos Nummer 3:

Einmal Rhythmus - immer Rhythmus
"Und, habt ihr schon einen Rhythmus?" Eine der häufigsten Fragen im ersten Jahr. Und eigentlich eine der blödesten. Denn sie suggeriert: Haben die Kleinen erst mal eine Struktur drin, bleibt das auch so. Was natürlich Quatsch ist. Denn genauso wenig wie Babys im ersten Jahr gleich groß oder gleich schwer bleiben, bleibt auch ihr Rhythmus nicht konstant. Im Gegenteil: Er verändert sich ständig. Der Schlafbedarf sinkt, und so müssen Eltern immer wieder neu jonglieren: Vormittags- und Nachmittagsschlaf noch beibehalten oder zusammenlegen? Oder lieber abends später ins Bett bringen?

Der eingependelte Stillrhythmus wird durch den Beikoststart durcheinandergebracht, die festen Ruhe- und Spielzeiten spätestens durch den ersten gemeinsamen Urlaub, und auch das irgendwann erreichte Durchschlafen bleibt meist kein Dauerzustand: Es reicht ein Zahn, eine Erkältung oder ein Wachstumsschub - und schon ist der Rhythmus erst mal wieder perdu. Sind Eltern davon genervt, hilft oft ein anderer Blickwinkel: Sonst freuen wir uns doch auch über Entwicklungsschritte! Nur noch ein Nickerchen am Tag zu brauchen oder nicht mehr drei Stunden wach, aber ruhig im Kinderwagen liegen zu wollen, ist im Grunde nichts anderes als - ein enormer Fortschritt. Und wenn wir krank sind oder Schmerzen haben, ist auch bei uns Erwachsenen die Tagesform dahin. Deshalb gilt ganz pragmatisch: Ein Rhythmus, der sich über Wochen oder gar Monate hält, ist Grund zur Freude. Aber nichts für die Ewigkeit. Und wenn er sich wieder ändert, ist das normal und gesund.

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