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Teil 14 Adieu, Körbchengröße C

Unsere Autorin hat ziemlich schlechte Laune. Erstens stillt sie nicht mehr. Und zweitens leidet ihr Sohn unter einem ärgerlichen Konstruktionsfehler. Lage bericht aus dem achten Monat mit Kind.

Zurzeit, ich muss das so offen sagen, gehen mir sehr viele Leute auf den Wecker. Im Grunde genommen eigentlich alle. Kinderlose Menschen nerven mich ungeheuerlich mit der regelmäßig wiederkehrenden, beknacktesten Frage von allen: "Und? Wie ist das jetzt so mit Kind?"

Was soll ich denn dazu sagen? Es gibt darauf doch überhaupt keine Antwort, die weniger als 48 Stunden Zeit beanspruchen würde. Meist schweige ich dann also in stiller Verachtung und zucke viel- beziehungsweise nichtssagend mit den Schultern. Was allerdings etliche Fragesteller dazu ermuntert, sich die ihrer Meinung nach passende Antwort gleich selbst zu geben. Und die lautet: "Ist schon alles ganz anders irgendwie, was!?"

Nobelpreisverdächtig, dieser Satz. So kurz, so richtig, so hammerblöde. Wenn ich sehr schlecht gelaunt bin - und das ist, wie gesagt, derzeit meistens der Fall -, sage ich darauf dann, Verblüffung heuchelnd: "Wieso anders? Nein, wie kommst du darauf?" Und damit ist das Gespräch dann oft auch beendet.

Leute mit Kindern gehen mir jedoch keinen Deut weniger auf den Wecker. Auf einmal behandeln sie einen so, als sei man einer geheimen Bruderschaft beigetreten, die allein den Weg zu Glückseligkeit und Erfüllung kennt. "Kinder geben einem Leben doch erst den wahren Sinn", raunen sie einem dann verschwörerisch zu, während sie ihr tropfnasiges Baby, das gerade meinem Baby eine Dinkelstange ins Ohr bohrt, beseelt anlächeln, als handele es sich um einen Engel, ach, was sage ich, um einen Erzengel!

Manche, die Kinderreichen, deren Leben demnach ganz besonders viel wahren Sinn haben muss, fragen dann noch mit Vorliebe: "Und wann kommt das Nächste?" Ich behaupte daraufhin gern, dass ich nie wieder in meinem Leben bereit sein würde, freiwillig so lange auf Alkohol zu verzichten. Das stimmt zwar nicht, aber ehrlich gesagt, so ganz an den Haaren herbeigezogen finde ich dieses Argument nicht. Insofern vertrete ich es mit einiger Überzeugungskraft.

Nein, mit mir ist zurzeit nicht gut Kirschen essen. Und die Verantwortlichen für meine Verstimmungen habe ich bereits gefunden. Ich bin sehr froh, dass ich mal wieder überhaupt nichts dafürkann. Schuld sind nämlich die Hormone. Die sind es ja irgendwie immer. Aber nach dem Abstillen, seien Sie gewarnt, liebe Leserin, spielen die Dinger ganz besonders verrückt. Stürzen im Steilfl ug nach unten. Dem Höhenrausch folgt ein Tiefenrausch - und das zu einer Zeit, in der man den einen oder anderen körpereigenen Stimmungsaufheller gut gebrauchen könnte. Abstillen bedeutet nämlich Abschied. Ja klar, auch von der innigen, körperlichen Mutter-Kind-Bindung, der Symbiose, der unsichtbaren Nabelschnur und so weiter.

Vor allem aber bedeutet es - und das sehr gut sichtbar: Abschied von den Brüsten. Und der ist verdammt bitter. Innerhalb weniger Wochen gehört man wieder zu der Sorte Frau, der erst ins Gesicht geschaut wird, dann auf die Hände, dann ins Dekollet, und dann, na ja, dann wird sie gefragt, wo und was sie studiert hat.

Wer jemals in den Genuss der Privilegien kam, die ein gut ausgefülltes C-Körbchen mit sich bringt, wird sich daran ein Leben lang schwer- und wehmütig erinnern. Meine Freundin Monika, die vier Kinder geboren, gestillt und abgestillt hat, lächelt bloß noch gequält, wenn es ums Thema Oberweite geht.

Früher, beim Volleyball in der sechsten Klasse, trug sie einen Sport-BH, während mir ein Hemdchen ohne was drunter vollkommen ausreichte. Sie wurde von dem anbetungswürdigen Marco O. aus der Elften um eine Verabredung gebeten, während mir Bruno K. aus der Parallelklasse nachstellte, den alle wegen seiner ausgeprägten Pubertätsakne nur "Streuselbrötchen" nannten.

Es ist ja so: Je weniger Busen man hat, desto lauter beschwert man sich über die Oberflächlichkeit der Männer. Heute klagen Monika und ich gemeinsam. Über Männer, Hormone und Bindegewebe, das seinen Namen nicht mehr verdient, weil es eigentlich nicht mehr viel verbindet. Und wo ich schon mal gerade dabei bin - meine Güte, meine Laune ist wirklich unterirdisch -, kann ich ja auch gleich noch mein absolutes Lieblings-Jammer-Thema anschneiden. Stichwort: die Nacht.

Es gab ja Zeiten, da man weit nach Mitternacht gemütlich ins Kissen geschnorchelt oder in einer angesagten Bar den dritten Cuba Libre geordert oder in den Armen eines angesagten Mannes, na ja, Sie erinnern sich vielleicht dunkel. Heute läuft man gern so gegen halb drei Uhr morgens in der Wohnung auf und ab und singt.

Es gibt einen seltsamen Konstruktionsfehler bei fast allen Babys, irgendwer muss da bei der Erfi ndung gepennt haben: Sie schlafen nicht gern. Und wenn, dann nur auf Objekten, die sich rhythmisch bewegen und "Schubischubidulalala" machen. Dieses Objekt heißt im Zweifelsfall Mama, und wehe, es bleibt stehen oder wagt gar, sich mit Baby im Arm hinzusetzen. Sofort werden Äuglein und Mäulchen sperrangelweit aufgerissen, lautstark Beschwerden geäußert, Menschenrechtsorganisationen um Hilfe gerufen. Und schon sieht man sich wieder hundemüde auf und ab schlurfen, mittlerweile ist es halb vier, und auf längst und zu Recht vergessen geglaubtes Liedgut zurückgreifen. Mein Sohn braucht im Schnitt sechs "La-le-lu", zwei "Über sieben Brücken musst du gehn" und anderthalb "Mer losse d’r Dom in Kölle". Dann ist er zuverlässig eingeschlafen und verbringt den Rest der Nacht da, wo der schlafende Mensch hingehört. Im Bett.

Wie lange das noch so weitergeht? Neulich sagte mir der Vater eines Fünfjährigen: "Der Benni kommt jetzt fast jede Nacht wieder zu uns ins Bett. Meine Frau und ich, wir können überhaupt nicht mehr ... fernsehen."

Leider - auch hier hat der Erfi nder nicht richtig nachgedacht - gehört zudem kaum ein Baby zur Gattung "Langschläfer". Jüngst klingelte bei mir um viertel nach sieben das Telefon. Es war Ulla aus meinem PEKiP-Kurs, die wissen wollte, ob ich vier Gläschen Pastinake-Kartoffel-Fenchel-Brei gebrauchen könnte. Ihre Tochter hätte ihre Einstellung gegenüber Pastinake geändert und würde sie jetzt grundsätzlich ablehnen.

Mein Junge macht sich nichts aus Fenchel", sagte ich bedauernd, und dann plauderten wir noch eine Weile. Wie selbstverständlich. Um viertel nach sieben! Noch vor zehn Monaten hätte ich jeden angezeigt, der es gewagt hätte, mich um diese Zeit anzurufen.

Aber, was soll ich sagen? Mit Kind ist schon alles ganz anders irgendwie. So, es ist spät geworden und Zeit, mein Baby auf und ab zu tragen. Diesen kleinen Engel. Ach, was sage ich: Erzengel!

Hier geht es zu Teil 15.

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