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Krabbeln gehört wie das freie Sitzen oder Stehen zu den Meilensteinen der motorischen Entwicklung in den ersten Lebensmonaten eines Kindes – und die meisten Eltern warten sehnsüchtig auf diesen Entwicklungsschritt! Und auch für die Kinder selbst ist es ein echter Game-Changer: Plötzlich können sie ihre Umgebung ganz selbstständig erkunden!
Ab wann krabbeln Babys?
Wann es wirklich so weit ist, lässt sich nicht vorhersagen. Allerdings grob einschätzen, denn es gibt ein Durchschnittsalter, um welches herum die meisten Babys mit dem Krabbeln anfangen. Laut den neuesten Zwischenergebnissen einer groß angelegten Studie des Bayerischen Staatsinstituts für Frühpädagogik (ifp) liegt dieses Alter zwischen dem 7. und dem 10. Monat. Die meisten Babys beginnen ungefähr in der Mitte des achten Lebensmonats mit dem Krabbeln, eine Abweichung von knapp zwei Monaten entspricht dabei der Norm. Aber: Außerhalb der Norm heißt nicht automatisch schlecht! Diese Angaben orientieren sich am Durchschnitt und die Entwicklung eines Kindes verläuft immer individuell – nicht nur beim Krabbeln.
Wenn euer Kind also erst viel später mit dem Krabbeln lernen dran ist, ist das nicht automatisch ein Problem. Viel wichtiger als ein genaues Alter beim Erreichen der Meilensteine ist, dass die Entwicklung konstant fortschreitet. Das heißt: Dass euer Kind Stück für Stück dazulernt – und das in seinem Tempo. Wenn euer Baby erst spät gelernt hat, seinen Kopf in Bauchlage aufrecht zu halten und sich mit dem Drehen ein paar Monate mehr Zeit lässt, wird es vermutlich auch erst später sitzen, krabbeln und laufen lernen. Solange die Entwicklungsschritte nach und nach erreicht werden, besteht kein Grund zur Sorge.
Krabbeln Kinder mit älteren Geschwistern früher und Frühchen später?
Können Kinder mit älteren Geschwistern schneller krabbeln, sitzen oder laufen? Davon sind viele Eltern überzeugt – und auch die Forschung hat sich mit dieser Frage beschäftigt. Laut Klaus Krombholz lässt sich diese Annahme statistisch aktuell allerdings nicht belegen. Tatsächlich ist es sogar eher andersherum: Die ifp-Langzeitstudie kam zu dem Ergebnis, dass die Erstgeborenen insbesondere in der Ausprägung der Feinmotorik schneller sind als ihre jüngeren Geschwister.
Und was ist mit Frühchen? Die sind tatsächlich ein wenig langsamer als termingerecht geborene Babys – im Durchschnitt erreichen sie die frühen Meilensteine etwa vier Wochen später und beginnen auch später zu krabbeln. Vor allem, wenn sie mit einem sehr niedrigen Geburtsgewicht und geringer Körpergröße auf die Welt gekommen sind. Wenn ihr also Eltern eines kleinen Frühchens seid und darauf wartet, dass es krabbelt: Gebt ihm noch ein wenig Zeit – es ist normal, dass es ein wenig länger dauert!
Wie lernen Babys das Krabbeln?
In seinen ersten Lebensmonaten erwirbt euer Baby nach und nach neue Fähigkeiten, die für den Erwerb der nächsten gebraucht werden – am Ende dieser Entwicklung steht dann das freie, selbstständige Laufen. Aber bis dahin müssen Monat für Monat eine Menge Muskeln trainiert werden. Bis euer Baby also seinen Radius durch das Krabbeln erweitern und selbstständig auf Entdeckungsreise gehen kann, wird es einige Entwicklungsschritte durchlaufen:
- Köpfchen heben:
Seine Nackenmuskulatur stärkt euer Baby durch das Anheben des Kopfes in der Bauchlage – zunächst nur wenige Sekunden lang, denn das ist ziemlich anstrengend. Mit der Zeit wird der Nacken immer stärker und der Kopf immer stabiler: Eine Grundvoraussetzung, um den Kopf beim Krabbeln einen längeren Zeitraum nach vorn gerichtet anheben zu können. - Drehen üben:
Beim Krabbeln benötigt euer Baby zudem eine kräftige Rumpf- und Rückenmuskulatur, denn nur so ist ein stabiler Vierfüßlerstand möglich. Diese Muskelgruppen trainiert es durch das Rollen vom Rücken auf den Bauch und zurück. - Liegestütze für die Arme:
Wenn sich euer Baby selbst in die Bauchlage drehen und den Kopf stabil halten kann, beginnt es mit ersten Liegestützen: Der Oberkörper wird durch das Durchstrecken der Ärmchen leicht vom Boden abgehoben. Zunächst wird das nur für eine kurze Zeit klappen, aber bald schon sind die Arme stark genug, um den ganzen Oberkörper im Vierfüßlerstand halten zu können. - Robben für die Beine:
Bevor es mit dem Krabbeln losgehen kann, muss ebenfalls die Schubkraft der Beine trainiert werden: Nachdem sie die Bauchlage für sich entdeckt haben, robben viele Babys erst mal bäuchlings über den Boden oder drehen sich im Kreis um die eigene Achse. Dabei stärken sie ihre Beinmuskulatur und stellen fest: Huch, ich kann mich ja vom Fleck bewegen! Das klappt zwar oft nicht auf Anhieb und die meisten Babys robben vorerst rückwärts – was ganz schön frustrieren kann, wenn man eigentlich das vor einem liegende Spielzeug erreichen möchte. Dabei drücken sie sich häufig mit den Händen nach hinten – was zwar zunächst die falsche Richtung ist, aber gleichzeitig wiederum die Arme trainiert. - Vierfüßlerstand für das Gleichgewicht:
Die meisten Babys entdecken nun den Vierfüßlerstand für sich: Sie stehen auf Händen und Knien, aber bewegen sich noch nicht vom Fleck. Manche Babys lassen sich aus dem Vierfüßlerstand heraus auf den Po fallen und gelangen so das erste Mal in den freien Sitz. Vor allem aber arbeiten sie auf den ersten "Schritt" nach vorn hin: Sie wippen vor und zurück, heben dabei vielleicht bereits eine Hand vom Boden und schulen ihr Gleichgewicht.
Sind die Muskeln stark genug, fehlt nur noch die kognitive Komponente. Denn für das Krabbeln muss euer Baby ein komplexes Bewegungsmuster absolvieren: Um vorwärtszukommen, muss es Arme und Beine synchron bewegen – und zwar immer abwechselnd. Diese diagonale Bewegung erfordert viel Koordination, Konzentration und Übung. Aber sobald die Koordination erfolgreich funktioniert und der Vierfüßlerstand stabil ist, gibt es schließlich kein Halten mehr: Euer Baby setzt eine Hand vor die andere Hand und krabbelt los – ihr werdet staunen, wie schnell es dabei werden kann!
Was, wenn das Baby nicht krabbelt?
Es gibt Kinder, die überhaupt nicht krabbeln und sich stattdessen lieber auf eine andere Art fortbewegen: Sie rutschen stattdessen zum Beispiel auf dem Po umher, indem sie sich mit Händen und Füßen vorwärts schieben. Dieses Bewegungsmuster wird auch als „Sitzrutschen“ oder „shuffling“ bezeichnet und gilt als besondere Variante der Bewegungsentwicklung. Grund zur Besorgnis ist das allerdings nicht: Zwar haben „Sitzrutscher“ häufig leicht schwächer ausgeprägte Muskeln und beginnen später zu laufen, zeigen im weiteren Entwicklungsverlauf aber keine motorischen Auffälligkeiten. Andere Kinder ziehen sich aus dem Vierfüßlerstand direkt nach oben und beginnen gleich mit den ersten Gehübungen – auch das ist in Ordnung. Solange sich euer Baby in seinen motorischen Fähigkeiten konstant weiterentwickelt und Interesse an Fortbewegung zeigt, besteht kein Grund zur Sorge. Auch nicht, wenn es das Krabbeln für sich komplett auslässt.
Wenn sich allerdings auch nach mehreren Monaten keine Entwicklung in Richtung Fortbewegung abzeichnet – also euer Kind weder robbt noch krabbelt –, solltet ihr der Ursache besser einmal auf den Grund gehen. Denn es gibt auch neurologische Ursachen, die dafür sorgen können, dass euer Baby nicht anfängt zu krabbeln. In der Regel fällt dies aber bereits bei den regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen auf – hier achten die Kinderärzte und -ärztinnen sehr genau auf die motorische Entwicklung eures Kindes und werden mögliche Auffälligkeiten mit euch besprechen und beobachten. Wenn ihr euch dennoch unsicher seid, ob sich euer Baby altersgemäß entwickelt, könnt ihr aber natürlich auch zwischen den U-Untersuchungen um Rat fragen!
Kann man das Krabbeln fördern?
Mittlerweile ist die Forschung sich recht sicher, dass der Zeitpunkt des Erreichens bestimmter Meilensteine – bei gesunden Kindern – weitestgehend durch die Gene vorbestimmt ist. Gezielte Fördermaßnahmen, die diesen Prozess beschleunigen sollen, sind also eher nicht zielführend. Aber ihr könnt eurem Baby die bestmögliche Umgebung für seine ganz individuelle Entwicklung bieten. Das bedeutet:
- Eine bewegungsfreundliche Umgebung schaffen:
Legt euer Baby so oft es geht auf den Boden und lasst ihm möglichst viel Bewegungsfreiraum. So trainiert es seine Muskeln und beginnt, seine Umgebung neugierig zu erkunden. - Bauchlage fördern:
Legt euer Baby in eurem Beisein und im wachen Zustand auf den Bauch. Auch, wenn das am Anfang auf eher wenig Begeisterung stößt. Trotzdem könnt ihr es zwischendurch immer mal wieder kurz ausprobieren – natürlich nur, solange es eurem Baby nicht unbehaglich ist! Diese Lage ist sowohl für die Nacken- als auch die Rückenmuskulatur super. - Interesse an der Umwelt wecken:
Platziert interessante und abwechslungsreiche Gegenstände oder Babyspielzeuge in Reichweite eures Babys. Wenn es bereits sicher in der Bauchlage liegt, wird es vielleicht versuchen, hinzurollen und immer mehr Lust auf Fortbewegung bekommen.
Kurse wie PEKiP, Babyschwimmen oder Eltern-Kind-Turnen beschleunigen die Entwicklung also nicht, schaffen aber gute Grundbedingungen. Und wenn sie Eltern und Baby Freude machen, sind sie selbstverständlich eine tolle Sache. Falls sich euer Kind nicht altersgemäß entwickelt, werden euer Kinderarzt oder eure Kinderärztin euch auf unterstützende Therapie- und Fördermöglichkeiten hinweisen.
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Quellen:
- Jenni, Oskar: Meilen- und Grenzsteine der Entwicklung, Monatsschrift Kinderheilkunde Bd. 170, S. 651–662 (2022), aufgerufen am 16.09.2022.
- Krombholz, Heinz: Haben Geschwister einen Einfluss auf die motorische Entwicklung in den ersten beiden Lebensjahren?, Staatsinstitut für Frühpädagogik, aufgerufen am 16.09.2022.
- Krombholz, Heinz: Untersuchung der motorischen Entwicklung von früh- und termingeborenen Kindern unter Berücksichtigung von Körperlänge, Gewicht und Body-Mass-Index in den ersten beiden Lebensjahren; Staatsinstitut für Frühpädagogik München, aufgerufen am 16.09.2022.
- Krombholz, Heinz: "Meilensteine der motorischen Entwicklung", in: Die Hebamme, 2018; 31(06): 387-392
- Staatsinstitut für Frühpädagogik und Medienkompetenz: Projekt Meilensteine, aufgerufen am 16.09.2022.