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Was war das denn? Ruckartig spannt sich der Körper deines Babys an und es spreizt ganz kurz Arme und Beine. Was hat das Neugeborene so zusammenzucken lassen? Auf jeden Fall nichts, was dir Sorgen bereiten muss. Diese Reaktion ist ganz normal.
Moro Reflex – was ist das eigentlich?
Benannt wurde er nach dem deutschen Kinderarzt Ernst Moro, der diesen Bewegungsablauf im Jahr 1918 erstmals beschrieb. Neugeborene in den ersten Lebenswochen und -monaten reagieren auf diese Weise unwillkürlich auf bestimmte Reize. Er zählt zu den sogenannten Primitivreflexen und ist schon in der Schwangerschaft angelegt.
In den ersten Wochen ist der Moro Reflex am ausgeprägtesten. Ab dem dritten Monat tritt er nur noch seltener auf und verschwindet im Zuge des Nachreifens des kindlichen Nervensystems spätestens im 6. Lebensmonat ganz. Der Überlebensreflex wird von dem (erwachsenen) Schreckreflex abgelöst, der uns bis ins Alter begleitet.
Im Zuge der U2 prüft deine Kinderärztin oder dein Kinderarzt neben dem Moro auch zahlreiche andere Reflexe beim Baby, wie den Greif- oder Saugreflex. Sind diese Überlebensreflexe vorhanden, spricht es für die regelgerechte Entwicklung des Kindes – gut zu wissen. Dafür kippt die Ärztin oder der Arzt dein Kleines vorsichtig vom Sitzen nach hinten in die Rückenlage.
Wie sieht er genau aus?
Der Moro Reflex besteht aus zwei Phasen: In der ersten Hälfte streckt das Baby ruckartig die Arme aus und spreizt die Finger. Es legt dabei den Kopf in den Nacken, holt tief Luft und erstarrt dann kurz. Danach zieht es Arme, Hände und Beine wieder zurück und ballt eine kleine Faust über der Brust, als würde es etwas umarmen. Deshalb wird er auch Klammer- oder Umklammerungsreflex genannt.
Was löst den Moro Reflex aus?
Verschiedene Wahrnehmungsreize können den frühkindlichen Reflex hervorrufen, auch im Schlaf:
- Grelles Licht
- Laute Geräusche (auch das eigene Schreien)
- Abrupte Positionsveränderung
- Erschütterung der Liegeunterlage
Ist er gefährlich fürs Baby?
Nein, sogar sehr nützlich. Unmittelbar nach der Geburt führt der Primitivreflex dazu, dass sich die Luftröhre öffnen kann und ermöglicht so den ersten Atemzug (und den ersten Schrei). Bei Säugetieren, die ihr Junges in der ersten Zeit am Körper tragen, dient er dazu, dass die Kleinen sich am Fell festhalten und nicht herunterfallen. Deshalb wird in der Evolutionsbiologie vermutet, dass auch menschliche Säuglinge ursprünglich sogenannte Traglinge waren.
Allerdings bedeutet es auch jedes Mal Stress für den kleinen Körper, wenn der Moro Reflex ausgelöst wird. Das heißt, es werden die Stresshormone Adrenalin und Cortisol ausgeschüttet, der Blutzuckerspiegel rutscht in den Keller und die Herzfrequenz schießt hoch. Deshalb wäre es besser, ihn nicht unnötig zu provozieren.
Wie kann ich am besten darauf reagieren?
Manche Babys bemerken die reflexhafte Bewegung im Schlaf gar nicht und schlummern einfach weiter. Es kann aber auch sein, dass dein Kind dadurch immer wieder aufwacht und dann unruhig, aufgewühlt ist. Dann brauchst du nicht viel mehr zu versuchen, als es mit einem dieser Tipps zu beruhigen, die du wahrscheinlich schon ganz instinktiv richtig machst:
- Körperkontakt: Im Tragetuch ist dein Baby ganz nah bei dir, spürt deine Nähe, Wärme, deinen Herzschlag. Wie im Bauch. Das tut gut.
- Babywippe: Vielleicht helfen auch die sanften Bewegungen, um dein Kind wieder in den Schlaf zu wiegen.
- Stimme: Sprich mit deinem Baby, singe, summe – auch das kann dazu beitragen, dass es wieder ruhiger wird.
Mitunter bekommen Eltern auch den Rat, es mit dem Pucken zu versuchen. Das ist eine Methode, das Baby fest in eine Decke einzuwickeln, sodass es seine dicht am Körper anliegenden Extremitäten nicht bewegen kann. Manchen Babys tut es gut, andere frustriert die Bewegungseinschränkung. In unserem Artikel zum Pucken erfährst du mehr über die Vor- und Nachteile.
Was ist ein persistierender Moro Reflex?
Verebbt der Moro Reflex nicht, wie vorgesehen, irgendwann zwischen dem 4. und 6. Lebensmonat, sprechen Ärzt:innen von einem persistierenden Moro Reflex. Der häufig erhöhte Gehalt an Stresshormonen im Blut fördert eine ständige Reizüberflutung, die auf Dauer zu einem gestörten Konzentrations- und Sozialverhalten führen kann. Entwicklungsverzögerung und Langzeitfolgen drohen:
- Wahrnehmungsstörungen
- ADHS
- Überempfindlichkeit
- Überängstlichkeit, Schreckhaftigkeit
- Gleichgewichts- oder Koordinationsprobleme
- Angstneurosen, Panikattacken
Hinzu kommt, dass Kinder, bei denen der Moro Reflex nicht zurückgeht, bei einem möglichen Sturz die Arme zur Seite reißen, anstatt sich reflexhaft abzustützen. Das erhöht das Verletzungsrisiko.
Wichtig: Der Moro Reflex lässt sich leicht mit dem West-Syndrom verwechseln, bei dem es auch zu kurzen Muskelzuckungen kommt und das Baby erst die Arme und Beine ausstreckt, um sie anschließend wieder heranzuziehen. Heftiges Kopfnicken zählt ebenfalls zu den Symptomen (BNS-Krampf). Hierbei handelt es sich jedoch um eine besondere Form der Epilepsie, dem West-Syndrom. Es kommt sehr selten vor, ist aber eine schwere Erkrankung, die sofort in ärztliche Behandlung gehört. Sie beginnt später als der Moro Reflex, nämlich im Alter von zwei bis acht Monaten. Männliche Säuglinge sind häufiger betroffen als weibliche.
Quellen:
- DocCheck Flexikon: Frühkindlicher Reflex, abgerufen 10.2.23
- Familienplanung.de: Die ersten Lebensfunktionen, abgerufen 10.2.23
- Kinder- und Jugendärzte im Netz: Spezifische Epilepsie, abgerufen 10.2.23
- Stanford Children's Health: Newborn reflexes, abgerufen 10.2.23