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Gerade frischgebackene Eltern fühlen sich oft verunsichert, wenn ihr Kind deutlich macht, dass es ihm gerade nicht so gut geht. Vor allem, wenn nicht ganz klar ist, welche Ursache es dafür gibt. Das Baby überstreckt sich beispielsweise oft, das heißt, es wirft den Kopf weit in den Nacken und zieht gleichzeitig auch die Arme nach hinten? Damit zeigt euer Säugling an, dass er gerade sehr angespannt ist. Aber zum Glück gibt es für die Überstreckung in vielen Fällen eher harmlose Ursachen.
5 Gründe, warum sich euer Baby überstreckt
Überstreckungen beim Baby können vor allem diese Gründe haben:
1. Reizüberflutung
Euer Baby ist jeden Tag zahllosen Reizen ausgesetzt: Lärmende Geschwisterkinder, helles Tageslicht, ein laufendes Radio – das ist alles sehr viel für die empfindlichen Augen und Ohren eines Säuglings. Kein Wunder, wenn der kleine Schatz durch die Überforderung in Stress verfällt und diesen dann durch lautes Weinen, Schreien und das Überstrecken des Kopfes deutlich zu machen versucht.
Was hilft? Am besten nimmst du dein Baby aus der überfordernden Situation heraus – gehe mit ihm in einen ruhigen, etwas abgedunkelten Raum, wiege es sanft im Arm und sprich leise mit ihm. Gerade direkter Körperkontakt wird dem kleinen Schatz helfen, sich zu beruhigen.
2. Wachstumsschub
Euer Baby lernt jeden Tag unheimlich viel Neues. Ein Wachstumsschub zählt dabei zu den besonders anstrengenden Phasen und kann dazu führen, dass sich euer Kind, ähnlich wie durch die Reizüberflutung, völlig überfordert fühlt. Dadurch weiß es sich oft nicht anders zu helfen, als sich zu überstrecken, zu weinen und zu strampeln.
Was hilft? Auch hier gilt: Schaffe eine ruhige Atmosphäre und versuche, dein Kind vor allem durch direkten Körperkontakt und mit deiner Stimme zu beruhigen. Außerdem sind regelmäßige Pausen wichtig: Achte darauf, dass dein Baby ausreichend Ruhe hat und sorge für einen gewohnten Tagesablauf.
3. Verspannungen oder Blockaden im Halswirbelbereich
Gerade, wenn euer Kind durch einen Kaiserschnitt auf die Welt gekommen ist, kann ein sogenanntes Geburtstrauma entstanden sein: Durch das ruckartige Herausziehen des Kindes aus der Gebärmutter können sich die Muskeln verhärten oder Blockaden im Halswirbelbereich entstehen. Diese können Schmerzen bei jeder Bewegung verursachen, was das Baby durch Überstrecken deutlich macht.
Was hilft? Es gilt, die Blockaden oder Muskelverhärtungen auf sanfte Art zu lösen. Du kannst deinem Baby zum einen dabei helfen, indem du es dazu animierst, sich vielseitig zu bewegen und zum Beispiel seine Rückenmuskulatur zu trainieren. Lege es dafür wenn es wach ist tagsüber mal für einige Minuten unter Aufsicht auf den Bauch.
4. Bauchschmerzen oder 3-Monats-Koliken
Leidet dein Baby unter Bauchschmerzen oder Blähungen, beispielsweise durch 3-Monats-Koliken, sorgt das oft für lautes Weinen und dafür, dass das Baby den Kopf überstreckt. Beim Schreien verschluckt der kleine Schatz außerdem noch mehr Luft, was die Beschwerden zusätzlich verschlimmern kann.
Was hilft? Sanfte Babybauchmassagen können bei Bauchschmerzen ebenso helfen wie etwas Wärme. Auch ein Fenchel-Kümmel-Tee kann den Bauch beruhigen.
5. Reflux
Auch ein Reflux, bei dem die aufgenommene Nahrung oder Milch wieder in die Speiseröhre aufsteigen kann, ist eine mögliche körperliche Ursache für die Überstreckung. Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen ist der Muskel, der den Magen gegen die Speiseröhre abschließt, bei Säuglingen noch nicht ganz ausgebildet. Und zum anderen ist der Winkel zwischen Magen und Speiseröhre nicht sehr groß – wodurch Milch und Co. leichter zurückfließen können.
Was hilft? Oft löst sich das Problem mit der Zeit von alleine: Sobald der Schließmuskel vollständig ausgebildet ist und sich der Winkel zwischen Magen und Speiseröhre durch das Wachsen des Kindes vergrößert, lässt der Reflux meist nach. Um ihm vorzubeugen, achtest du am besten darauf, dein Baby ganz ruhig trinken und anschließend ein Bäuerchen machen zu lassen. Außerdem kann es helfen, den kleinen Liebling nach dem Füttern in Rückenlage mit erhöhtem Oberkörper zu halten oder zu setzen.
Wann sollte ich den Kinderarzt oder die Kinderärztin aufsuchen?
Lässt sich dein kleiner Schatz trotz all dieser Tipps nicht beruhigen, sollte der Kinderarzt oder die Kinderärztin nach möglichen Ursachen für das ständige Überstrecken beim Baby suchen.
Kann Osteopathie meinem Baby helfen?
Einige Eltern schwören auf Osteopathie zur Behandlung von Blockaden oder 3-Monats-Koliken. Ob eine solche Behandlung wirklich hilft, lässt sich allerdings nicht eindeutig belegen. Die Bundesärztekammer ließ die Osteopathie im Jahr 2009 wissenschaftlich bewerten. Im entsprechenden Abschlussbericht lässt sich nachlesen, dass für die Osteopathie "einigermaßen zuverlässige Aussagen zur Wirksamkeit und Effektivität osteopathischer Behandlungen nur bei wenigen Erkrankungsbildern vorliegen." Dazu zählen im Wesentlichen chronische Schmerzsyndrome an der Wirbelsäule.
Allerdings existieren auch hier bislang keine aussagekräftigen Belege für die Behandlung von Kindern. Wird ein "Schreibaby" nach dem Besuch beim Osteopathen tatsächlich ruhiger, könnte es sich auch um eine Art übergreifenden Placeboeffekt handeln: Die Eltern sind beruhigt, weil sie glauben, etwas Gutes für ihr Kind getan zu haben – und dieses wird ruhiger, weil es die Entspannung der Eltern wahrnimmt. Letztendlich sind Ursache und Wirkung nicht eindeutig auszumachen.
Was ist mit dem "KISS-Syndrom" als Ursache?
Wenn dein Baby sich überstreckt, laut weint und eine generell schiefe Haltung zu haben scheint, werden vermutlich einige Osteopath:innen auch das sogenannte "KISS-Syndrom" (= "Kopfgelenk-induzierte Symmetriestörung") als Ursache der Fehlstellung sehen. Laut dem Entdecker Heiner Biedermann, der als sogenannter Manualmediziner tätig ist, wirken bei der Geburt starke Kräfte auf den Hals des Babys ein, wodurch sich die Halswirbel verschieben und Blockaden entstehen sollen. Durch eine passende osteopathische Behandlung soll sich die Asymmetrie an der Halswirbelsäule und dem Kopfgelenk beheben lassen und das ständige Schreien des Babys sei nach kurzer Zeit vorbei.
Es gibt allerdings auch hier keine wissenschaftlichen Studien, die auch nur die Existenz des KISS-Syndroms selbst oder gar einen Behandlungserfolg belegen. Die meisten Mediziner:innen halten das Syndrom für schlicht erfunden. Die "Deutsche Gesellschaft für Neuropädiatrie" schreibt dazu: "Die kopfgelenkinduzierten Symmetriestörungen (KISS-Syndrom) sind nach Einschätzung der Deutschen Gesellschaft für Neuropädiatrie nicht im Sinne eines definierten Krankheitsbildes zu sehen."
Lesetipp: Was Grünes Fruchtwasser ist, erklären wir hier.
Quellen
- Dreimonatskoliken effektiv lindern, kinderaerzte-im-netz.de, zuletzt abgerufen am 12. Oktober 2022
- Wissenschaftliche Bewertung osteopathischer Verfahren, aerzteblatt.de, zuletzt abgerufen am 12. Oktober 2022
- Lagerungsbedingte Schädeldeformitäten – Entstehung, Prophylaxe, Diagnostik und Therapie, aerzteblatt.de, zuletzt abgerufen am 12. Oktober 2022
- Schlusswort zum Beitrag Lagerungsbedingte Schädeldeformitäten – Entstehung, Prophylaxe, Diagnostik und Therapie, aerzteblatt.de, zuletzt abgerufen am 12. Oktober 2022