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Christiane Stella Bongertz Vorsicht bei der Namenswahl

Christiane Stella Bongertz: eine schwangere Frau hält einen Block mit Namen in der Hand
© New Africa / Adobe Stock
Wie man auch mit seinem sehr normalen Vornamen hadern kann, weiß unsere Autorin Christiane Stella Bongertz aus eigener Erfahrung. Was sie Eltern rät, die noch auf der Suche sind.

Sechs Jahre alt war ich, als das Trauma zuschlug. In der ersten Zeitschrift, die ich in meinem Leben regelmäßig las, der "Micky Maus“, war eine Reise für die ganze Familie nach Disney World in Florida zu gewinnen. Mein größter Traum! Ich musste nur die richtige Antwort ankreuzen: Wie heißt der Bewohner Entenhausens, der jeden Morgen ein Bad im Geldspeicher nimmt? A) Daniel Düsentrieb, b) Micky Maus, c) Onkel Dagobert. Babyleicht! Ein Kreuzchen, fertig war die Laube.

Eigentlich. Leider musste auch ich noch meinen eigenen Namen verraten und samt Adresse in den kleinen Coupon auf der Ecke der Seite eintragen. Ich nahm einen Kugelschreiber und schwang in meiner schönsten Erstklässlerschrift meinen Vornamen Chris-ti-a-ne aufs Papier. Damit war die Zeile voll, für den Nachnamen war kein Platz mehr. Disney World war vertan, ich untröstlich.

Was ich lange geahnt hatte, war nun bewiesen: "Christiane“ ist zu lang. Inbrünstig wünschte ich mir eine Abkürzung, irgendwas Cooles wie Chris oder Chrissy. Leider war kein Mensch zu bewegen, mich so zu nennen. Okay, meine besten Freunde Holger und Hans-Gerd, Mitglieder meines kleinen Detektivclubs, nannten mich eine Zeit lang Christi. Das fand ich wiederum schwierig. "Detektei Christi“ klingt nicht nach investigativem Büro, sondern nach irgendeinem zwanghaften Büßerritual: Bete dreißig Mal die Detektei Christi, dann ist dir verziehen, dass du deinem Lehrer ein Stück Schoki auf den Stuhl gelegt hast.

Da ist noch Luft nach oben

Aber Christi war immer noch besser als die Christiane-Verwechslungen. Ohne Unterlass wurde ich zu "Christine“, "Christina“ oder – eines der großen Rätsel der Menschheit – zu "Susanne“. Vielleicht bestand allgemein eine unterschwellige Abneigung gegen den Eselslaut i-a in meinem Namen. Auf die Spitze trieb das der amerikanische Schüleraustausch-Kumpel meines großen Bruders: "Christi-äni“. Äniweh!

Jahre später erfuhr ich, dass meine Eltern mich ursprünglich Andrea taufen wollten. Andrea! Allerdings war dieser Name noch vor meinem Erscheinen einer sehr entfernten Cousine zuteilgeworden. Wer zuerst kommt, heißt zuerst. Dann hatte "Inka“ im Raum gestanden. Phonetisch eindeutig, perfekt, finde ich. Leider schmökerte meine Mutter in der Schwangerschaft einen Fortsetzungsroman in der "Hörzu“, in dem die Hauptperson so hieß. Meine Mutter schlussfolgerte: "Das wird ein Dutzendname!“ Heute weiß ich, dass sie die Influencerkapazität der "Hörzu“ maßlos überschätzt hat. Es dauerte Jahrzehnte, bis es "Inka“ mal kurz etwas höher in die Vornamen-Charts schaffte, auf Platz 36 im Jahr 2006. Christiane mag kein Dutzendname sein, aber in meinem Fall war er vor allem die drittbeste Notlösung. Das spürte ich vermutlich feinstofflich.

Ein Name ist jedenfalls nicht einfach ein Name. Wer sein Kind, sagen wir, Angela nennt, muss sich im Klaren darüber sein, dass stets eine gewisse deutsche Politikerin wie ein Flaschengeist in den Köpfen der Umstehenden erscheinen wird, sobald nach dem Töchterlein gerufen wird. Und wer seinem Sohn den Namen Dagobert verpasst, wird damit das Bild einer stinkreichen geizigen Ente heraufbeschwören.

Dass bei der Namensvergabe nicht Schlimmeres passiert, dafür gibt es Leute wie die Sprachwissenschaftlerin Frauke Rüdebusch. Sie arbeitet in der Namensberatung bei der Gesellschaft für deutsche Sprache (siehe unten). Die wird schon mal von Standesbeamten um Rat gefragt oder muss ein Gutachten erstellen, ob ein Kind mit einem ungewöhnlichen Namen froh werden kann.

Ein Zweitname schadet nicht

Die wichtigste Regel dabei ist, dass der Name das Kindeswohl nicht gefährden darf, weil er zum Mobbing einlädt. "Ein Beispiel wäre Lucifer“, erklärt Rüdebusch. "Dieser Name ist stark mit dem Teufel assoziiert, ich würde davon abraten. Trotzdem wurde er schon mal eingetragen, denn das letzte Wort haben die Standesämter. Oder sogar Gerichte, falls die Eltern mit der Entscheidung unzufrieden sind.“

Zweitens muss der Name nach einem Vornamen klingen. "Motte", "Frühling“ oder "Casablanca“ wurden beispielsweise schon abgelehnt.

Drittens muss der Name das Geschlecht des Kindes anzeigen. Wenn Eltern einen neutralen Namen wie Kim oder Toni bevorzugen, um ihr Kind nicht von vornherein auf ein soziales Geschlecht festzulegen, empfiehlt Frauke Rüdebusch einen Zweitnamen, damit es auswählen kann.

Auswahl schadet sowieso nicht – und könnte ich in der Zeit zurückreisen, um meinen Eltern einen Tipp zu geben, wäre es dieser. Nicht nur, weil eine Umfrage herausfand, dass Leute mit Mittelinitial wie etwa Joanne K. Rowling für intelligenter gehalten werden.

So kann es gehen

Vor zu langen oder auch zu langweiligen Durchschnittsnamen schützt die Beratung allerdings nicht. Wer damit geschlagen ist, braucht andere Lösungen. Der Künstler Lothar Blickensdorf hat eine gefunden. Als er nach seiner Scheidung Schulden und kaum Aufträge hatte, stieß er zufällig auf eine Broschüre: "Wie sich Künstler besser vermarkten.“ Darin wurde auf die Möglichkeit hingewiesen, sich Adelstitel ganz legal als Künstlernamen zuzulegen. "Ich dachte, wenn ich als Lo Graf von Blickensdorf ein Bild male, kauft das eine Zahnarztgattin vielleicht eher als ohne Titel“, erzählt er.

Tatsächlich ändert sich mit den Namenszusatz sein Leben. Er wurde nicht nur bekannt, sondern bekam in Restaurants den besten Tisch, Geschenke wie eine Bahncard 1. Klasse und wurde zu Premieren eingeladen. Dabei macht er keinen Hehl daraus, kein echter Graf zu sein, und bezeichnet sich als Etagenadel, weil er in einer Zwei-Zimmer-Wohnung lebt. Seinen Fans macht das nichts aus. "So ein Titel transportiert die Romantik aus alten Märchen – wie der Ritter auf dem Pferd“, erklärt Lo sich die Begeisterung. Auf Anraten seiner Freunde hat er inzwischen seine schwarze Künstlerkluft gegen Maßanzüge plus Flanierstock getauscht – Adel verpflichtet – und über seine Erfahrungen ein Buch geschrieben (siehe unten).

Bei mir war es umgekehrt: Mir hat das Outfit einen neuen Namen beschert. Während meines Studiums war die Ära des Catsuits-Revivals und silbrigen Space-Looks. Nach einem Seminar rief ein Kommilitone aus: "Du siehst aus wie Stella Starr!“ Die, erklärte er, sei Weltraum-Heldin. Dass sie in einem Machwerk vorkam, das auch schon mal in der Liste der schlechtesten Filme aller Zeiten aufgetaucht ist, war mir nicht bekannt und wäre mir auch wurscht gewesen.

In manche Namen wächst man hinein

Stella, der Stern, das war nicht nur schön kurz, sondern auch besonders. Der Kommilitone wurde (nicht nur deswegen) mein Freund, Stella mein Spitzname. Anfangs hatte ich noch Hemmungen, mich so vorzustellen. Vor allem, wenn Leute anwesend waren, die mich als "Christiane“ kannten. Dadurch kam es auf einer Geburtstagsparty zu seltsamen Konversationen: "Woher kennst du denn die Christiane?“ – "Wen?“ – "Na, die Gastgeberin!“ – "Hä? Die heißt doch Stella!“

Meine Tochter hat zum Glück keine solchen Probleme: Sie nennt mich "Mami“. Wenn jemand fragt, wie ich heiße, sagt sie "Stella“. Sie weiß aber, dass "Christiane“ ebenfalls richtig ist. Der Name gefällt mir mit den Jahren immer besser – vielleicht musste ich erst reinwachsen –, aber "Stella“ bin ich heute eben auch. Offiziell nutze ich darum beides zusammen, dann muss ich weniger erklären. Falls notwendig, würde ich heute alles in einen Micky-Maus-Gewinncoupon quetschen können. Ich selbst lese die zwar schon lange nicht mehr. Aber mein Kind trägt vorsichtshalber einen verwechslungssicheren, international aussprechbaren und kurzen Namen. Denn mitfahren nach Florida würde ich natürlich schon.

"Namen haben emotionale Kraft"

Jan Becker ist Hypnotiseur und Vater von zwei Kindern. In seinen Büchern und Seminaren gibt er praktische und magische Lebenshilfe und setzt auch Namen gezielt ein

Eltern: Warum sind Namen so wichtig?

Jan Becker: Vor unserem Gespräch habe ich dazu drei Tarotkarten gelegt, die ich assoziativ einsetze. Die erste Karte war "das Gericht“. Das passt: Wir fällen anhand des Namens unbewusst ein Urteil über die Person. Die weiteren Karten waren "Der Prinz der Kelche“ und "Die Sieben der Stäbe“. Ein Adliger und ein Bauer. Tatsächlich entscheidet der Name mit über den sozialen Stand. Auch heute noch, denn er bestimmt oft, welche Charaktereigenschaften wir bei anderen vermuten. Das kann man sich bewusst machen, um nicht voreilig zu urteilen. Auf jeden Fall sollte man Namen mit Bedacht vergeben.

Wie äußert sich die Kraft eines Namens?

Wir verbinden etwas mit Namen, sie sind suggestiv. In meinen Seminaren mache ich oft ein Experiment, bei dem die Teilnehmer den Namen eines Freundes auf einen Zettel schreiben sollen – und den dann zerreißen. Viele weigern sich, sie haben das Gefühl, ihren Freund zu zerfetzen. Das zeigt: Namen haben emotionale Kraft und können ein Gefühl der Nähe herstellen. Das lässt sich nutzen. Du kannst zum Beispiel statt Foto die Namen deiner Kinder in schöner Schrift auf einen Zettel schreiben und ins Portemonnaie legen. Auch der eigene Name kann große Kraft geben. Ich mache mit meinen Klienten oft ein kleines Ritual, in dem hypnotisch der eigene Vorname mit Stärke verknüpft wird. Jedes Mal, wenn die Person in Zukunft ihren Namen hört, bekommt sie Kontakt zu dieser Stärke.

Können Namen auch ohne Ritual so wirken?

Klar. Meine Kinder etwa heißen Samuel und Salomé. Das sind biblische Namen mit einer großen Ausstrahlung. Die Figur der Salomé steht zum Beispiel für eine sehr starke Weiblichkeit, für eine Frau, die für sich selbst sorgt, über Grenzen geht, aber auch sinnlich ist. Selbst dass Salomé für das Köpfen Johannes den Täufers verantwortlich gemacht wird, lässt sich positiv symbolisch sehen: In ihrer Anwesenheit verlieren Männer den Kopf. Einen weiteren großen Effekt hat die Phonetik. Ein "a“ am Ende ist offen und positiv: Ah! Aber auch Namen, bei deren Aussprache man den Mund zu einem Lächeln bewegt, etwa bei Desirée, stimmen uns positiv. Mit meinem Namen bin ich auch sehr zufrieden, denn in Jan steckt ein Ja!

Was Namen alles können

Königin von Deutschland?

"Werden Sie doch einfach Graf: Biste was kriegste was“ ist das lustige Buch, das der Künstler und Autor Lo Graf von Blickensdorf über seine spannenden Abenteuer unter neuem Namen geschrieben hat. Mit dabei: Ein Kapitel über Künstlernamen, in dem von Blickensdorf alles Wissenwerte für Interessierte zusammengetragen hat, die schon immer vom Leben als Gräfin, König, Baron oder Kaiserin träumen.

Das Namenstelefon

Der Namensberatung der Gesellschaft für deutsche Sprache erteilt auch Eltern Auskunft, ob der angedachte Name für den Spross vielleicht heikel sein könnte. Die Kosten: 1,86 Euro/Minute aus dem deutschen Festnetz. "Wir haben keine Warteschleife, und wenn wir etwas nachschauen müssen, bitten wir die Anrufer, sich einige Zeit später noch einmal zu melden“, versichert Namensexpertin Frauke Rüdebusch.

Neue Ideen

Ihr braucht noch Inspiration? Oder wollt sichergehen, nicht einen der beliebtesten Namen ins Herz geschlossen zu haben? Dann hilft euch vorname.com weiter. Besonders lustig ist es, wenn man Jahre später die Bedeutung des Namens mit dem Wesen des Kindes vergleicht und feststellt, dass es eine Übereinstimmung gibt – oder nicht.

ELTERN

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