Schlafen, das tut man einfach. Von wegen! Ich jedenfalls muss manchmal mit einem Gläschen Spätburgunder nachhelfen. Und wenn am Tag viel los war, wälzen wir uns noch lange hin und her, bis uns endlich die Schlafengel finden. Wir, das sind meine Frau und ich. Wir betreiben nämlich Bedsharing, so nennen Forscher das bei Kindern. Wenn ich allein im Hotel bin, abends nach einem Vortrag zum Beispiel, vermisse ich das. Ach ja, und wir haben natürlich auch ein Einschlafritual(nein, nicht mit Spieluhr).
Irgendwie scheint das bei den Kindern ganz ähnlich zu sein. Laut der ELTERN-Umfrage in dieser Ausgabe (ab Seite 25) haben immerhin zehn Prozent der Eltern von kleinen Babys ihren Kinderarzt zum Beispiel schon mal nach einem „milden Schlafmittel“ gefragt, wahrscheinlich nicht Spätburgunder (ich schwöre aber, der ist mild). Und Einschlafrituale gibt es in zwei Drittel der Familien. Die allermeisten Eltern begleiten ihr Kind auf seinem Weg in den Schlaf – ob sie es bei sich im Elternbett schlafen lassen (das machen im ersten halben Jahr sogar 38 Prozent der Eltern) oder bei ihm am Bett bleiben, bis es eingeschlafen ist (so halten es zwei Drittel der Eltern).

Schlaf, scheint es, wird von den meisten als Gemeinschaftsprojekt empfunden. Das hat einen triftigen Grund. Und darin liegt vielleicht sogar ein Trost, selbst für diejenigen Eltern, die die Ringe unter ihren Augen nicht als Ehrenabzeichen betrachten.Der Schlaf bildet nämlich im Verhaltensrepertoire des Menschen eine seltene Ausnahme: Er lässt sich nicht machen, er muss sich vielmehr ergeben. Durch Anstrengung und Ich-geb-da-jetzt-mal-Gas geht gar nichts, im Gegenteil (das teilt der Schlaf mit anderen „elterlichen“ Aktivitäten wie Sex oder Kindergebären – wer kann das schon, wenn der Bär im Gebüsch brummt?). Nein, selbst für die Krone der Schöpfung öffnet sich das Tor zum Schlaf nur unter ganz bestimmten Bedingungen. Dann nämlich, wenn wir uns geborgen und geschützt fühlen. Erst dann bildet sich dieser magische Stoff, der den Weg in den Schlaf ebnet: Entspannung.
Ob es uns passt oder nicht: Das ist gut so. Wer demnächst in einen komaartigen Zustand fällt, muss vorsorgen, sonst erlebt er vielleicht böse Überraschungen. Und das ist bei den Kindern ganz genauso. Die Angst vor Bären und Gespenstern sitzt tief. Nur: Wie sorgt ein kleiner Mensch für Sicherheit, der weder kämpfen noch fliehen kann? Der selbst noch kein sicheres Versteck einrichten kann? Er hat nur eine Chance: Er muss das Gefühl haben, dass verdammt noch mal seine Erwachsenen da sind, wenn es ans Schlafen geht. Manche Kinder brauchen sie ganz nahe, andere sind schon zufrieden, wenn sie nur wissen: Falls ich Kummer habe, sind sie da. Hier ist alles gut.
Eltern, das zeigt die Umfrage, scheinen sich auf dieses unsichtbare Gummi einzustellen, das die Kinder auspacken, wenn sie müde werden. Sie geben Geleit, die einen so, die anderen so. Ja, man träumt vielleicht von Abürzungen – aber auch das mit den Träumen scheint keine so einfache Sache zu sein.
BETTLEKTÜRE

Herbert Renz-Polster, Nora Imlau: „Schlaf gut, Baby! Der sanfte Weg zu ruhigen Nächten“ (G & U, 19,99 Euro)