VG-Wort Pixel

Anpassung Draußen ist alles anders

Ein Neugeborenes liegt in den Armen seiner Mutter
© KieferPix / Shutterstock
Nie wieder im Leben ist ein Menschen so großen Veränderungen ausgesetzt wie nach der Geburt: Luft, Licht, Kälte, Geräusche und weiter Raum statt wohlige Enge. Für ein Kind ändert sich mit seiner Geburt einfach alles.

Kühle Luft statt Wasser und Wärme


Drinnen: Das Element, in dem sich ein Baby in den ersten neun Monaten im Bauch der Mutter bewegt, ist Wasser. Gerade mal zehn Wochen nach der Zeugung paddelt das kleine Wesen schon mit den Händen im Fruchtwasser. Seine "Raumkapsel" ist immer auf kuschelige 37 Grad temperiert und es hat im Fruchtwasser beinahe das Gefühl von schwebender Schwerelosigkeit.


Draußen: Gerade auf der Welt angekommen, spürt das Baby zum ersten Mal Luft auf seiner Haut. Die schützende, warme Hülle ist plötzlich weg. Deshalb wird es gleich nach der Geburt mit vorgewärmten Tüchern bedeckt. Mit dem Auspacken bitte ein bisschen warten, denn das Neugeborene braucht etwa eine Stunde, bis es die Luft auf der Haut verträgt.

Apgar

Geräusche und Stille statt Klangteppich und Schaukeln


Drinnen: Etwa ab der 20. Schwangerschaftswoche kann das Baby hören. Und im Bauch gibt es immer viel zu hören: das Rauschen des Blutes, das Gluckern und Glucksen in Magen und Darm, den Herzschlag der Mutter. Geräusche von draußen sind immer überlagert vom Klangteppich im Bauch. Und selbst wenn Mama sich ausruht oder schläft wird das Baby sanft geschaukelt.


Draußen: Auf der Welt ist es für das Neugeborene laut. Und zugleich ungewohnt still. Stimmen, Türenknallen – alles dringt jetzt ohne Filter ans Babyohr, und dann wieder ist plötzlich alles ganz ruhig. Für Neugeborene kann das beängstigend sein, weil sie an die immerwährenden Geräusche im Bauch gewöhnt sind. Deshalb lieben sie es auch so, auf Mamas oder Papas Bauch zu schlafen und wieder den Herzschlag zu hören und zu spüren.

Hunger statt Rundumversorgung


Drinnen: Im Mutterleib wird das Baby rund um die Uhr und gleichmäßig mit allem versorgt, was es braucht. Erst gegen Ende der Schwangerschaft übt der Magen, wie sich leer und voll anfühlen: Das Kleine trinkt Fruchtwasser und scheidet es wieder aus. Aber Hunger und Durst kennt es noch nicht.


Draußen: Die Geburt ist für das Baby sehr kräftezehrend und anstrengend. Deshalb braucht es erst mal Ruhe und nicht sofort etwas zu essen. Trotzdem ist wichtig, dass es schon im Kreißsaal zum ersten Mal an die Brust gelegt wird. In den ersten zwei Stunden ist das Saugbedürfnis beim Baby besonders ausgeprägt. Und durch das Nuckeln fasst es Vertrauen in die Welt – Mama ist immer noch für mich da und sorgt für mich.

Berührt statt unangetastet


Drinnen: Schon in der zwölften bis 16. Schwangerschaftswoche entwickelt sich beim Baby der Tastsinn: es spürt wie seine winzigen Hände und Füße die Hülle der Fruchtblase berühren. Ab etwa der 20. Woche hat das Kleine die Hände oft an Mund und Wangen. Das reizt die Nervenenden im Mundbereich und bereitet auf das Saugen vor. Trotzdem: so eng das Baby im Bauch auch mit seiner Mutter verbunden ist, seine Haut kennt noch keinen äußeren Reize.


Draußen: Es ist ein unvergesslicher Moment: Die Mutter streichelt ihr Kind zum allerersten Mal. Das Gefühl der ersten Berührung wird sie nie vergessen. Und viele moderne Hebammen und Geburtshelfer sind überzeugt: Auch das Baby merkt sich diese erste Berührung. Deshalb fassen sie das Neugeborene nur soviel wie nötig an und warten mit den Untersuchungen, bis das Kind viele zarte Berührungen von der Mutter bekommen hat. Das Kleine soll sich an Mamas unverwechselbare Streichelsprache gewöhnen.

Atmen statt automatischer Sauerstoffversorgung


Drinnen: Nicht nur Nahrung, auch Sauerstoff fließt über die Nabelschnur ununterbrochen zum Baby. Es kennt keine Atemnot. Das Blut des Ungeborenen ist immer annähernd gleich mit Sauerstoff gesättigt. Der Kreislauf funktioniert noch „umgekehrt“ – das sauerstoffreiche Blut aus der Nabelschnur fließt zum Herzen hin, wird von dort durch den Babykörper gepumpt, die große Bauchschlagader bringt dann das Blut zum Nachtanken an die Mutter zurück.


Draußen: Schon wenn das Köpfchen geboren ist, Nase und Mund frei sind, holt das Baby zum ersten Mal Luft: In diesem Augenblick werden die Weichen im Kreislauf umgelegt, die Lungen entfaltet sich und bringen ab jetzt den Sauerstoff ins Blut. Regelmäßig atmen ist eine Kunst, die das Baby erst lernen und üben muss. Gerade im Schlaf schnauft es oft ganz flach und leise. Und japst dann heftig nach Luft, wenn es Sauerstoff braucht.

Weiter Raum statt schützender Enge


Drinnen: Die Beine angezogen, das Köpfchen passgenau im Becken – in den letzten Wochen vor der Geburt kann sich das Baby kaum noch bewegen: Es sitzt wie ein Kücken im Ei. Es ist eine warme, geschützte Enge mit viel Körperkontakt rund herum.


Draußen: Auf der Welt hat das Neugeborene von einem Augenblick zum anderen viel Raum um sich herum. Es breitet die Arme aus und stößt nirgendwo an. Es streckt die Beine und stößt auf keinen Widerstand. Freier Raum über dem Köpfchen statt einer knöchernen Kapsel. Die neue Freiheit ist für Neugeborene oft irritierend. Deshalb beruhigt es sich am ehesten, wenn es fest im Arm gehalten wird. Viele Babys werden auch ruhiger, wenn sie ein dünnes Mützchen tragen. Nicht nur wegen der Wärme: Die Hülle um den Kopf gibt ihnen Halt. Manche Babys suchen den Halt so sehr, dass sie mit aller Kraft im Bettchen nach oben robben – sie drücken sich ans Korbgeflecht vom Stubenwagen oder an die Bettstäbe, um wieder das „Beckengefühl“ zu haben.

Mehr zum Thema