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Etwa 60 Prozent der Neugeborenen entwickeln in den ersten Tagen nach der Geburt eine Gelbsucht (Ikterus neonatorum). Viele Eltern machen sich Sorgen, wenn Haut und Augen ihres Babys sich gelblich verfärben. Dabei handelt es sich in der Regel um einen normalen Anpassungsprozess des Säuglings, dessen Körper überschüssige rote Blutkörperchen abbaut. Dabei entsteht der Farbstoff Bilirubin. Krankheiten sind zwar eher selten die Ursache einer Gelbsucht beim Baby, können aber in Einzelfällen zu bleibenden Schäden des Gehirns führen. Wir erklären die möglichen Ursachen, Symptome und Therapiemöglichkeiten einer Neugeborenen-Gelbsucht.
Was ist Gelbsucht beim Baby?
Bei einer Neugeborenen-Gelbsucht (auch Neugeborenen-Ikterus) färben sich Haut und Augäpfel des Babys einige Tage nach der Geburt gelblich. Verantwortlich ist das sogenannte Bilirubin, ein Farbstoff, der beim Abbau von roten Blutkörperchen entsteht. Bei der normalen Neugeborenen-Gelbsucht (auch Icterus neonatorum) handelt es sich um eine Anpassungsstörung der Leber und nicht um eine Infektionskrankheit (wie bei einer richtigen Hepatitis). Über die Hälfte der Neugeborenen sind betroffen. Der Neugeborenen-Ikterus ist in der Regel harmlos.Nach dem Höhepunkt der gelblichen Verfärbung zwischen dem 3. und 5. Lebenstag geht er zurück und klingt nach zehn bis 14 Tagen wieder ab. Das Bilirubin wurde abgebaut und ausgeschieden, Haut und Augen normalisieren sich. In diesem Fall ist keine Behandlung notwendig.
Kritisch wird es, wenn der Bilirubin-Wert eine bestimmte Konzentration im Blut übersteigt. Denn in größeren Mengen kann Bilirubin das Nervengewebe angreifen. Beim sogenannten Kernikterus (Bilirubin Enzephalopathie) kann das Gehirn geschädigt werden. Zu den möglichen Langzeitfolgen dieser schweren Form der Gelbsucht beim Baby gehören Seh- und Hörstörungen und Störungen der geistigen und motorischen Entwicklung des Kindes.
Frühgeborene sind aufgrund ihrer noch nicht vollständig ausgeprägten Leberfunktion meist stärker von einer Gelbsucht betroffen. Die Verfärbung von Haut und Augen beginnt früher, ist stärker ausgeprägt und dauert länger an.
Übrigens: Nach dem ersten Beifüttern mit Karotten färbt sich die Haut eures Babys oft auch gelb. Dabei handelt es sich aber nicht um eine Gelbsucht. Die Einlagerung des Karotins in die Haut ist für den Farbton verantwortlich. Anders als bei der Neugeborenen-Gelbsucht färben sich die Augäpfel nicht.
Welche Ursachen gibt es?
Der Körper deines Neugeborenen beginnt direkt nach der Geburt eine bestimmte Sorte roter Blutkörperchen (HbF oder auch fetaler Blutfarbstoff) abzubauen. Sie waren während seiner Zeit in deinem Bauch wichtig, weil der Körper des Ungeborenen so mehr Sauerstoff binden konnte. Jetzt werden sie durch adultes Hämoglobin (HbA) ersetzt. Beim Abbau der Blutkörperchen wird der rote Blutfarbstoff in den Gallenfarbstoff Bilirubin umgewandelt. Dieser kann in so großer Menge nicht von der noch unreifen Leber des Babys verstoffwechselt werden. Die Folge: Ist eine bestimmte Konzentration überschritten, lagert sich der bräunlich-gelbe Farbstoff vorübergehend in der Haut und den Augäpfeln ab. Sie erscheinen dadurch gelber als gewöhnlich. Dabei handelt es sich um eine normale Anpassungsstörung, die etwa 60 Prozent der Neugeborenen betrifft.
Ein starker Abbau roter Blutkörperchen und die daraus entstehende Gelbfärbung kann aber auch andere Ursachen haben:
- eine Blutgruppenunverträglichkeit zwischen Mutter und Kind
- einige Arten einer angeborenen Blutarmut (erbliche hämolytische Anämien).
- Blutergüsse (etwa nach einer Saugglockenentbindung)
- Frühgeburt
- Blutvergiftung
- bestimmte Medikamente
- Schilddrüsenunterfunktion und andere Stoffwechselstörungen
- Anlagestörung der Gallenwege
- Diabetes mellitus der Mutter
- Crigler-Naijar-Syndrom
- Stillen (der sogenannte Muttermilchikterus ist selten und muss nur behandelt werden, wenn ein bestimmter Bilirubinwert überschritten ist)
Wie äußert sich eine Gelbsucht beim Baby?
Eine Gelbsucht ist oft schon mit bloßem Auge zu erkennen. Haut und Augäpfel sind deutlich gelblich verfärbt. Zusätzlich wird der Arzt den Bilirubinwert des Bluts bestimmen. Ein Wert von über 18 mg/dl (Milligramm pro Deziliter) deutet auf eine Gelbsucht hin. Neugeborene, die an einem Ikterus leiden, zeigen darüber hinaus häufig hellen Stuhl und dunklen Urin. Handelt es sich um eine normale Neugeborenen-Gelbsucht, verschwindet die Gelbfärbung nach zehn bis 14 Tagen. Dann hat der Körper den Bilirubin-Überschuss abgebaut.
Klingt die Gelbsucht beim Baby nach zwei Wochen noch nicht ab (Icterus prolongatus) oder tritt sie erst später auf, muss die/der Kinderärzt:in nach anderen Ursachen suchen. Auch wenn ihr mit eurem Baby schon zu Hause seid, solltet ihr sofort eine/n Ärzt:in aufsuchen, wenn euch seine Haut oder Schleimhäute gelber als normal erscheinen.
Ein Baby mit Gelbsucht trinkt häufig schlechter als normal und zeigt vermehrte Müdigkeit. Dies kann die Gelbsucht weiter verstärken, muss aber meistens nicht behandelt werden. Häufiges Gähnen und schlechtes Trinken können aber auch erste Anzeichen für einen gefährlichen Kernikterus sein. Weitere Symptome für diese bedrohliche Variante sind eine erhöhte Muskelspannung, ein durchgestreckter Rücken in Form eines Hohlkreuzes, schrilles Schreien, Atemnot und Krampfanfälle.
Tritt die Gelbsucht direkt nach der Geburt auf (Icterus praecox), könnte das auf eine Blutunverträglichkeit zwischen Mutter und Kind oder eine Blutarmut (hämolytische Anämie) hindeuten.
Eine normale Gelbsucht verläuft in der Regel harmlos und klingt ohne Folgen ab. Ein Kernikterus ist bei termingerecht geborenen, gesunden Neugeborenen sehr selten.
Wie wird eine Gelbsucht beim Baby festgestellt?
Die einfachste Form der Diagnose einer Neugeborenen-Gelbsucht ist die Messung über die Haut. Dabei wird mit einem Multispektralgerät der Anteil farbigen Lichts bestimmt, welcher die Haut durchdringen kann. Diese Methode erlaubt Rückschlüsse auf den Bilirubinwert im Blut. Bei erhöhten Werten wird der Verdacht durch eine Blutuntersuchung überprüft. Je nach Ergebnis sind weitere Blutuntersuchungen notwendig. Zum Beispiel um zu klären, ob eine Blutgruppenunverträglichkeit vorliegt oder die Anlage der Gallenwege gestört ist.
Problematisch ist, dass die meisten Mütter am dritten bis fünften Tag nach der Entbindung schon längst wieder zu Hause sind. Daher ist man in vielen Geburtskliniken dazu übergegangen, schon früher ein Screening durchzuführen, das bereits erste Hinweise auf eine sich anbahnende Gelbsucht geben kann. Dennoch ist es sehr wichtig, dass Eltern und Hebamme in den ersten Lebenstagen eine mögliche Gelbsucht im Hinterkopf behalten und bei einem Verdacht sofort den Kinderarzt aufsuchen. Kritiker sehen in der kurzen Verweildauer nach der Geburt das Risiko steigen, dass schwere Formen der Neugeborenen-Gelbsucht nicht rechtzeitig erkannt und behandelt werden.
Wie wird die Neugeborenen-Gelbsucht therapiert?
Eine physiologische Gelbsucht beim Baby ist völlig normal und muss nicht medizinisch behandelt werden. Ausreichendes Trinken und genug Licht (kein direktes Sonnenlicht) fördern jedoch den Abbau des Farbstoffs.
Liegt der gemessene Bilirubinwert zwischen 15 und 20 mg/dl im Serum, wird das Baby meistens für ein bis zwei Tage mit blauem Licht (460 Nanometer Wellenlänge) behandelt. Die Phototherapie bewirkt, dass der gelbe Farbstoff Bilirubin in eine wasserlösliche Substanz umgewandelt wird, die der Körper schneller ausscheiden kann. Dabei muss darauf geachtet werden, dass die Augen des Neugeborenen geschützt sind und das Kind während der Behandlung genug trinkt. Die Therapie kann Langzeitschäden in der Regel gut verhindern.
Liegt der Wert zwischen 25 und 30 mg/dl im Serum, besteht ein akuter Notfall, der zu bleibenden Hirnschäden oder sogar zum Tod führen kann. Das Kind bekommt in einer Klinik einen Blutaustausch mit Spenderblut.
Da Komplikationen bei Frühchen wahrscheinlicher sind, wird bei ihnen oft schon früher zu einer Lichttherapie geraten, um eine Gehirnschädigung zu vermeiden.
Quellen
- Herbert Renz-Polster et al: Gelbsucht beim Neugeborenen, in: Gesundheit für Kinder, Kösel, München, 8. Auflage (2015). Überarbeitung: Dagmar Fernholz, Bettina Bobinger.
- Gudrun Heyn: Neugeborenengelbsucht, Komplikationen nach der Entlassung, in: Pharmazeutische Zeitung, Ausgabe 50/2005.
- S2k-Leitlinie 024/007: Hyperbilirubinämie des Neugeborenen – Diagnostik und Therapie aktueller Stand, 08/2015, in: AWMF online.