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Hilfe, ich kann mein Kind nicht weglegen! High Need-Baby: Was ist das?

High Need Babys - wollen viel getragen werden
© sdominick / iStock
Manche Eltern merken, ihr Baby ist anders. Es weint mehr, es fordert mehr, es will immer getragen werden und vor allem sind diese Eltern einfach viel erschöpfter als andere Eltern, die sie kennen. Wenn das auf Dich auch zutrifft, schau mal hier, ob Du vielleicht auch ein High Need-Baby hast.

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12 Kriterien, an denen Du High Need-Babys erkennst

Der Begriff High Need-Baby stammt von Dr. William Sears. Er ist Professor für Kinderheilkunde in Kalifornien und Vater von acht Kindern. Gemeinsam mit seiner Frau Martha Sears, Stillberaterin und Krankenpflegerin, hat er die Erziehungsphilosophie „Attachmend Parenting“ (bindungsorientierte und bedürfnisorientierte Erziehung, 1982) geprägt.
 
Sears berichtet, dass er vor seinem vierten Kind Hayden, welches ein High Need Baby war, drei „einfache“ Kinder hatte. Vor Haydens Geburt kamen Eltern in seine Praxis und berichteten von ihren immer fordernden Babys. Sears dachte, dass die Eltern übertreiben oder einfach nicht erwartet hatten, dass man sich um ein Neugeborenes intensiv kümmern muss. Die Geburt seiner Tochter änderte das. Durch die Erfahrungen mit der kleinen Hayden und vielen Eltern in seiner Praxis entwickelte er 12 Kriterien (original Text in Englisch), an denen Du erkennen kannst, ob Du auch ein High Need-Baby hast.  

1. „Intense“: Die Betreuung Deines Babys ist intensiv

Es soll Hebammen geben, die bereits nach der Geburt merken, dass diese Babys ihre Eltern ordentlich fordern werden. Die Art, wie sie weinen, die Lautstärke ihrer Stimmen und vor allem die Intensität mit der sie bereits zu diesem frühen Zeitpunkt eine umfassende Versorgung für sich einfordern. Nicht von irgendwem, sondern meistens ausschließlich von der Mutter. Sears beschreibt diese Babys als unruhig und „getrieben“ (im englischen „driven“). Wenn ihre Bedürfnisse nach Nähe nicht sofort gestillt werden, weinen sie lautstark. Abwarten und hoffen, dass sie sich wieder beruhigen, führt nur zu noch lauterem und längerem Schreien. Diese Babys sind sehr aktiv und vor allem im Kleinkindalter neugierig. Wenn sie etwas interessiert, steuern sie direkt darauf zu, egal, was sich ihnen in den Weg stellt. Das kann unvorsichtig wirken. Aber der gleiche Antrieb, der dieses Kleinkind vielleicht in Schwierigkeiten bringt, führt sie auch zu kreativen Höchstleistungen, die andere Kinder eventuell nicht erreichen.

2. „Hyperactive“: Dein Baby wirkt fast hyperaktiv

Hier betont Sears, dass es nicht um eine Bewertung geht, sondern um eine Beschreibung. Diese Babys haben nichts mit ADHS zu tun, wie die Übersetzung aus dem Englischen vermuten könnte. High Need-Babys wirken sehr aktiv – geistig und körperlich. Geballte Fäustchen, angespannte Muskeln – sie scheinen immer kurz vorm  Durchzustarten zu sein, selten wirken sie entspannt. Hyperaktiv ist dabei  - im Vergleich zu anderen Babys  - relativ zu verstehen.

3. „Draining“: Dein Baby ist anstrengend

Diese Babys fordern alles von Dir. Sie kosten viel Energie und nehmen und nehmen ohne Rücksicht auf Deine Bedürfnisse. High Need-Baby-Eltern müssen im Alltag funktionieren und hoffen, dass diese Phase bald vorbei geht. Du gibst all Deine Energie, um Dein Babys zufrieden zu stellen. Ununterbrochenes Tragen, Schuckeln und Stillen mit wenig Schlaf, sind die Folge. Sears empfiehlt diesen Eltern, nachsichtig mit sich selbst zu sein. Völlig klar, dass im Haushalt alles liegen bleibt, wenn man sich 24 Stunden lang nur mit Baby im Arm bewegen kann. In dieser Zeit fährt das Familienleben auf niedrigstem Level und nur das Allerallernötigste im Haushalt wird gemacht. Aus seiner Erfahrung ist es oft so, dass wenn Du gerade denkst, „jetzt kann ich wirklich nicht mehr“, kommt wieder ein besserer Tag. Halte durch!

4. „Feeds Frequently“: Dein Baby will ständig gefüttert werden

Babys stillen nicht nur ihren Hunger an der Brust, sondern genießen auch die Nähe. Insbesondere High Need-Babys scheinen sehr oft nach der Brust zu verlangen. Sie trinken nicht hastig, sondern lassen sich viel Zeit, um möglichst lange in der Geborgenheit zu bleiben.

5. „Demanding“: Dein Baby ist sehr fordernd

High Need-Babys wollen nicht nur gern getragen und gestillt werden, sie fordern es ein – lauthals. Warten ist nicht ihre Stärke. Wenn sie etwas benötigen, dann sofort und es gibt auch keine Alternativen. Mit einem Schnuller brauchst Du da nicht kommen, den wird Dein Baby kaum akzeptieren. Sein Weinen hört sich so eindringlich an, dass Du kaum anders kannst, als schnell hinzuspringen. Die Not für Dein Baby ist so groß, dass es Dir das mit diesem nicht aushaltbaren Weinen deutlich zeigen muss. Dem Nachzukommen kostet Dich viel Kraft. Vielleicht hilft Dir diese Sichtweise dazu: Dein Baby kennt seine Bedürfnisse gut und kann gut für sich sorgen. Es zeigt Dir deutlich, was es braucht und vertraut auf Dein unterstützendes Verhalten. Kommt Dein Baby ins Kleinkindalter, ist es natürlich wichtig für es zu lernen, seine Bedürfnisse mit den Bedürfnissen anderer zu vereinbaren. 

6. „Awakens frequetly“: Dein Baby wacht ständig auf

Auch wenn High Need-Babys von allem viel mehr brauchen, eins brauchen sie nicht: viel Schlaf. Dummerweise brauchen den die Eltern aber umso mehr.

7. „Unsatisfied“: Dein Baby wirkt oft unzufrieden

Ein unzufriedenes Kind zu haben, macht auch die Eltern unzufrieden. Es ist nicht einfach, das nicht als persönliches Versagen zu werten. Bei High Need-Babys wird es Tage geben, wo alles Tragen, Schuckeln, Stillen und Bespaßen einfach nichts nützt. Mach Dich dafür nicht fertig, denn Du tust bestimmt Dein Bestes. Es liegt in der Persönlichkeit Deines Babys, dass es manchmal so unzufrieden ist. Natürlich wirst Du trotzdem versuchen, etwas zu finden, damit es ihm besser geht. Und vielleicht entdeckst Du eine Haltung, die Deinem Baby gefällt und es beruhigt. Zumindest für diesen Tag.

8. „Unpredictable“: Dein Baby ist unberechenbar

Gestern hat Deinem Baby das Rausschauen aus dme Fenster gut gefallen. Es ist ganz ruhig geworden. Heute brüllt es die Fensterscheibe an. Es ist nicht einfach mit den starken Stimmungsschwankungen eines High Need-Babys umzugehen. Ihre Gefühle sind extrem. Wenn sie sich an etwas erfreuen, sind sie der Sonnenschein in Person. Wenn sie schlechte Laune haben, ist einfach alles und jeder blöd. Es wird also nie langweilig. :-)

9. „Super-Sensitive“: Dein Baby ist übersensibel

Diese Babys mögen es vertraut und sicher. Schnelle Wechsel lösen viel mehr bei ihnen aus als bei anderen Babys. Durch ihre starke Empfindsamkeit nehmen sie alles um sich herum wahr. Kleinste Geräusche wecken sie sofort auf. Diese starke Sensibilität macht sie aber auch sehr empathisch. Das Gute daran ist, High-Need-Babys sind sehr einfach zu verstehen, da sie Dir so klar zeigen, was sie nicht mögen und was sie mögen.

10. „Can’t put baby down“: Dein Baby lässt sich nicht ablegen

Viele High Need-Babys wollen ständig getragen werden. Hautkontakt beruhigt sie und natürlich Mamas Brust. Allerdings gibt es auch das Gegenteil, denn manche HighNeed-Babys brauchen mehr Raum und mögen das ständige Gekuschel nicht so gern. 

11. „Not a self-soother“: Dein Baby kann sich nicht selbst beruhigen

Das fällt vielen Babys anfänglich schwer, sich selbst zu beruhigen und alleine in den Schlaf zu finden. Manchen Babys hilft eine Spieluhr oder der Schnuller. High Need-Babys lassen sich nicht von Gegenständen beruhigen. Sie suchen die Interaktion mit Menschen. Im Zweifel bist Du als Mutter dieser Mensch. Dein Baby muss lernen, Dir so zu vertrauen, dass es sich von Dir in den Schlaf helfen lässt.

12. „Separation sensitive“: Deinem Baby fallen Trennungen schwer

Neue Leute und Situationen sind nicht so ganz das Ding von High Need-Babys. Aus ihrer Sicht ist die Mutter ein Teil von ihnen und keine eigenständige Person. Eine Trennung von Mama klappt daher zumeist erst ab einem bestimmten Alter (bei Sears Tochter war es 3 ½ Jahre) und nur mit Menschen, die dem Kind schon sehr vertraut sind, wie die Großeltern oder wirklich gute Freunde der Eltern. Eine Kita-Eingewöhnung kann also etwas länger bei ihnen dauern.

Wie fühlen sich High Need-Baby-Eltern?

Nach dieser vorausgehenden Beschreibung liegt es auf der Hand, dass diesen Eltern sehr viel abverlangt wird. Und zwar Tag und Nacht. Gerade für Eltern, deren erstes Kind ein High Need-Babys ist, muss es schwer sein, sich nicht selbst die Schuld dafür zu geben. Ihnen fehlt der Vergleich. Umso wichtiger daher, darüber zu sprechen und sich mit ebenfalls betroffenen Eltern auszutauschen. 
Natürlich lieben auch diese Eltern ihr Baby. Sie sind empathisch und richten ihren Tag auf die Bedürfnisse dieses Kindes aus. Wenn noch weitere Kinder in der Familie leben, ist die Herausforderung noch mal größer für die Eltern. Denn die Kraft reicht schon kaum für das High Need-Baby aus und die Geschwister fordern auch ihre Aufmerksamkeit.
Im Vergleich zu Eltern von „Anfänger-Babys“ erleben sie Tage, wo alles so richtig gar nicht läuft. Diesen Grad an Frustration, Erschöpfung und Verzweiflung erlebt nicht jedes Eltern-Paar.
Ähnlich geht es Eltern von Schreibabys.

Was können Eltern von High Need-Babys tun?

"Habe ich das einzige High Need-Baby auf der Welt?"

Nach dem Austausch und Verständnis von „wissenden“ Eltern beschreibt Sears, wie wichtig es ist, veraltete Vorstellungen von Kindererziehung abzulegen. Früher galt: Kinder sollen den Eltern gehorchen und nicht umgekehrt. Allzu schnell werden Eltern von High Need-Babys verdächtigt, sich von ihrem Baby manipulieren zu lassen. Dieser Vorwurf fühlt sich nicht gut an. Eigentlich sollen Eltern den Kindern alles beibringen und ihnen zeigen, wo es lang geht. High Need Baby-Eltern merken schnell, so wird das nichts. Ihr Baby fordert lauthals, was es benötigt und sie versuchen es, so gut es geht, zu unterstützen. Ihre Aufgabe ist es zu Beginn, das Baby mit seinen besonderen Bedürfnissen zu managen. Das heißt nicht, dass High Need-Babys der Boss der Familie sind. Natürlich kann nicht immer alles nach ihren Wünschen laufen und das müssen sie lernen. Aber nicht gleich im Babyalter. Eltern können versuchen, ihre Vorstellung von ihrem Baby zu erweitern und es nicht in das Korsett „normaler“ Babys zwängen zu wollen. Es ist nicht wünschenswert, dass diese Kinder sich „falsch“ fühlen. Das würde ihnen nur schaden. Im Gegenteil: Ihre Besonderheit soll ihnen später nützlich sein. Dafür ist es beizeiten wichtig, klare Regeln zu finden und auch deutliche Grenzen zu setzen. Sonst wird das Familienleben sehr anstrengend. High Need-Babys brauchen allerdings auch beim Einhalten dieser Regeln Unterstützung. Sobald das Kleinkindalter kommt, ist es wichtig, dass Du Dein Kind dabei unterstützt, sich selbst zu kontrollieren und zurück zu nehmen.

Und wie soll das gehen?

„Nur wer ein High Need-Baby hat, versteht was das bedeutet“

Sears und seine Frau trainierten sich selbst, adäquater auf Hayden zu reagieren. Manchmal gingen sie zu langsam auf ihre Bedürfnisse ein, manchmal sprangen sie zu schnell zur Hilfe schon vorausahnend, was sie wohl benötigt. Sollten Eltern in Situationen zweifeln, welches Extrem angemessener ist, so spricht sich Sears klar dafür aus, auf das Kind eher einzugehen und auf seine Bedürfnisse zu reagieren. Dadurch entwickelt das Kind ein gesundes Selbstvertrauen mit einer vertrauensvollen Beziehung zu seinen Eltern. Darauf aufzubauen ist leichter. Das Gegenteil würde zu mangelndem Selbstvertrauen und einem Graben zwischen Kind und Eltern führen. Das lässt sich später nur schwer wiederherstellen.
Noch ein Praxisbeispiel aus Sears Leben mit Tochter: Als Kleinkind begann Hayden das Haus zu erkunden. Die Eltern stellten schnell fest, dass die vorherigen drei Kinder sehr gut auf verbale Ansagen (Nein, fass das nicht an) reagierten. Nicht so Hayden. Sie schien sie zu überhören. Sie brachten Hayden bei, dass es Dinge gab, die sie anfassen durfte und Dinge, die sie nicht anfassen durfte. Damit es in der Umsetzung nicht ständigen „Nein“ hieß, sorgten sie dafür, dass möglichst viele „Ja“-Dinge für Hayden erreichbar waren. Sie agierte aus sich selbst heraus in einem Umfeld, dass durch Struktur und formulierter Regeln für sie klar fassbar war. Jedes Elternhaus wird/muss dafür seinen eigenen Weg finden.

High Need-Babys brauchen sehr viel. Außer Schlaf

„The song “Only You,” could be the theme of most high need babies.“

High Need-Babys können (vorerst) nicht alleine schlafen. Sie brauchen die Geborgenheit der Eltern. Wenn anders kein Schlaf zu kriegen ist, holt man das Baby natürlich ins eigene Bett. Denn da schlafen viele High Need Babys ruhig an Mamas Seite oder sogar auf ihrer Brust.
Auch für die Beziehung der Eltern ist ein High Need-Baby eine Herausforderung. Die Mütter befinden sich zeitweilig am Rande der Selbstaufgabe oder sogar eines Burn-Outs. Das ist für die ganze Familie spürbar. Wenn seine Frau völlig fertig darüber klagte, dass sie noch nicht einmal zum Duschen käme, erinnerte Sears sie daran, dass es für Hayden am wichtigsten war, eine zufriedene ausgeruhte Mutter zu haben. Das alleine reicht natürlich nicht aus. Sears übernahm, wann immer er konnte, die älteren Geschwister. Zudem machte er mit Hayden Spaziergänge, so dass sie aus dem Blickfeld und vielleicht auch kurzweilig aus dem Kopf seine Frau war.
 

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