Wenn du viel mit deinem Baby oder Kleinkind sprichst, prägt das die Gehirnstruktur deines Kindes. Das fanden Wissenschaftler:innen der britischen Universität von East Anglia heraus. Die von ihnen veröffentlichte Studie im "Journal of Neuroscience" sei eine der ersten, die zeige, dass die Gehirnentwicklung schon früh mit dem sprachlichen Input zusammenhänge, hieß es in einer Pressemitteilung.
"Mit Kindern zu sprechen, ist in der frühen Entwicklung sehr wichtig, denn es hilft dabei, das Gehirn zu formen", sagte Psychologie-Professor John Spencer, der die Studie leitete.
Untersucht wurden 87 Babys im Alter von sechs Monaten und 76 Kleinkinder im Alter von zweieinhalb Jahren. Mit tragbaren Aufnahmegeräten zeichneten die Wissenschaftler:innen drei Tage lang bis zu 16 Stunden täglich alles auf, was die Kinder an Sprache zu hören bekamen und was sie selbst an Äußerungen produzierten. Insgesamt wurden mehr als 6.200 Stunden Sprachdaten erfasst.
Sprache verbessert die Isolation der Nervenfasern
Anschließend visualisierten MRT-Scans die Gehirne der Kinder. Betrachtet wurde vor allem die Substanz Myelin. Das ist eine wichtige Biomembran, die isolierend um Nervenzellen herum wächst und dadurch Gehirnsignale effizienter macht. Das ist ähnlich wie bei einem löchrigen Schlauch – Myelin ist das Klebeband, das den Schlauch abdichtet und einen guten Durchfluss ermöglicht.
"Wir haben herausgefunden, dass Kleinkinder, die in ihrer Alltagsumgebung mehr Sprache hörten, auch mehr Myelin im Gehirn hatten", sagte Spencer. Die erhöhten Myelinmengen seien in den sprachbezogenen Gehirnteilen nachweisbar gewesen. "Das ermöglicht wahrscheinlich eine anspruchsvollere Sprachverarbeitung."
Bei Babys ist das Ergebnis anders als erwartet
Bei Babys zeigte sich ein umgekehrtes Ergebnis. Bei ihnen sei durch viel Erwachsenensprache weniger Myelin nachgewiesen worden. Spencer erklärt das mit den unterschiedlichen Stufen der Gehirnentwicklung. "Im ersten Lebensjahr ist das Gehirn damit beschäftigt, neue Zellen zu bilden", schreibt er in einem Beitrag für "The Conversation". Viel Sprache zu hören, könne das Gehirnwachstum beschleunigen. "Untersuchungen deuten darauf hin, dass dieses Gehirnwachstum tatsächlich die Bildung von Myelin verlangsamen könnte."
Man kann also sagen: Das Gehirn ist in diesem Alter mit anderem beschäftigt. Ist das Kind zwei bis drei Jahre alt, ist die Myelinbildung dran – und viel Sprachinput kann diese erhöhen.
Erwachsenensprache zu hören, sei aber im Alter von sechs Monaten genauso wichtig wie mit 30 Monaten, so Spencer, es wirke sich lediglich anders auf das Gehirn aus, weil es sich in unterschiedlichen Entwicklungszuständen befinde.
Eltern sollen viel mit Kindern sprechen
Es bleiben also noch einige Fragen offen und auch Studienleiter Spencer hält weitere Untersuchungen für nötig. Ein Fazit steht für ihn dennoch bereits fest:
Tipps vom Psychologen
Studienleiter Spencer empfiehlt Eltern, sich möglichst oft direkt mit dem Kind zu "unterhalten". Das mag vor allem bei Babys für manche ungewohnt erscheinen, habe aber eine ganz andere Qualität, als wenn dein Kind nur den Unterhaltungen anderer zuhöre. Neben der Sprachvermittlung durch Vorsingen und Vorlesen, hat der Experte folgende Tipps:
- Benenne die Objekte, mit denen dein Kind spielt. Reagiere auf dein Baby oder Kleinkind und tritt in Interaktion – hält es dir einen Zug hin, sage "Zug!"
- Benenne die Farben und Formen in der Umgebung.
- Mache lustige Laute, spiele mit Wörtern und Silben.
Verwendete Quellen: theconversation.com, uea.ac.uk, guardian.com, jneurosci.org