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Baby-Ernährung Mehr Mut zum Fläschchen

... wünscht Tini ihrer Freundin Valerie, die gerade ein Baby bekommen hat. Dabei hat Tini ihre Kinder lange und begeistert gestillt. Was dahinter steckt, erklärt sie in dieser Mail an die Freundin.
Mutter gibt Baby die Flasche
© South-agency / iStock

Meine liebe Valerie,
es tut mir so Leid! Was? Dafür muss ich ein bisschen ausholen. Du weißt, wir haben viel gemeinsam. Unter anderem: Mütter, die uns erzählten, dass die Frauen in unseren Familien angeblich nicht stillen können. Kaum warst Du schwanger, da habe ich schon angefangen, Dir davon vorzuschwärmen, wie toll Stillen ist. Wie innig man die Nähe zum Kind dabei fühlt und wie praktisch es ist, die perfekt temperierte Nahrung immer dabei zu haben. Und dann noch die gesundheitlichen Vorteile! Oh, und wie stolz war ich, dass ich meine beiden Kinder so lange gestillt habe, dass sie nie ein Fläschchen bekommen haben.
Damit wollte ich Dich motivieren und stark machen, um – wie ich – diesen Familienmythos zu brechen, dass „wir“ nicht stillen können. Schließlich kann jede Frau stillen! Und genau das hattest Du auch vor: Du wolltest unbedingt stillen, wie auch alle in Deinem Vorbereitungskurs.

Das Stillen fing gut an, und Ihr konntet bald nach Hause

Dann kam Deine Nachricht von der Geburt mit den ersten Fotos von Anneli, so süß! Ein ganz schöner Brocken! Ich war mit Dir so froh, dass alles gut gegangen war! Na ja, fast gut, immerhin musstet Du danach noch eine Stunde lang genäht werden, weil der Damm sehr weit gerissen war. Aber das Stillen fing gut an, und Ihr konntet bald nach Hause.
Dann war eine Weile Funkstille. Kein Wunder, dachte ich mir, jetzt wollt Ihr drei ja erst mal Zeit für Euch haben, und ich fragte nicht nach. Erst zwei Wochen später kam Deine Mail, in der Du berichtet hast, dass die Geburtsverletzung sich übel entzündet hatte, mit Schmerzen, die beinahe schlimmer waren als die bei der Geburt. Und erst das dritte Antibiotikum die Heilung brachte. Mit dabei waren weitere hinreißende Bilder von Anneli und Euch beiden – aber kein Wort zum Stillen.

Anneli hat das Fläschchen schnell akzeptiert – aber Du noch lange nicht

Nun ist Anneli vier Wochen alt, und Du hast mir endlich geschrieben, was passiert ist: Das letzte, stärkere Antibiotikum darf nicht in der Stillzeit verwendet werden – also hast Du abgestillt. Zum Glück hat Anneli das Fläschchen schnell akzeptiert – aber Du noch lange nicht, das lese ich aus jeder Zeile Deiner Mail. Du hast das Gefühl, Anneli nicht alles gegeben zu haben, Du machst Dir Sorgen, ob die Flaschennahrung gut genug für sie ist, ob ihr seelisch etwas fehlt, weil Du sie nicht stillst. Das ist schlimm genug. Aber mehr noch: Du traust Dich nicht zu den Babytreffen Deiner Vorbereitungsgruppe. Du hast Angst vor schrägen Blicken, vor spitzen Fragen, vor Müttern, die das Stillen vor Dir zelebrieren, vor besserwisserischen Vorträgen nach dem Motto: „Du hättest doch abpumpen können und später weiterstillen!“.

Vater füttert Baby mit Flasche
© florigianluigi / iStock

Und deshalb muss ich Dir unbedingt sagen: Es tut mir so Leid, dass ich Dich mit diesem „Jede Frau kann stillen“ auch noch in diese Situation hineingetrieben habe. Ich wollte damit sagen: Lass Dir nicht einreden, dass Du nicht stillen kannst. Aber nachdem ich jetzt weiß, wie es Dir ergangen ist, weiß ich, dass der Satz auch enorm verletzen kann. Er ist außerdem nicht ganz richtig: Es gibt Situationen, in denen es mit dem Stillen nicht klappt, auch wenn die Mutter es noch so sehr will. Und niemand, niemand hat das Recht, in ihrer Trauer darüber auch noch herumzubohren, mit blöden Bemerkungen, Vorwürfen, Besserwissereien.
Ich bin mir absolut sicher: Anneli wird auch ohne Muttermilch gesund und geliebt groß! Und sie hat durch die Fläschchen sogar noch einen Vorteil: Ihr Papa kann sie ebenfalls füttern, von Anfang an. (Und, nebenbei gesagt: Du hast ein bisschen mehr Freiheit, auch mal allein aus dem Haus zu gehen.)
Und die Mütter in Deinem Kurs? Gib ihnen eine Chance, vielleicht reagieren sie nicht so schlimm, wie Du es befürchtest. Und wenn doch? Dann suche Dir neue Mit-Mütter! Online, zum Beispiel in einem Fläschchenforum. Oder melde Dich bei einen anderen Kurs an, PEKiP zum Beispiel oder Babymassage. Es gibt ja nicht nur andere Fläschchen-Mütter, sondern auch stillende Frauen, die andere nicht danach sortieren, wie sie ihr Baby ernähren. Ich wünsche Dir von Herzen mehr Mut zum Fläschchen!
 

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