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Aufgabenverteilung Was übernehmen die Väter?

Aufgabenverteilung: eine junge Familie steht in der Küche und der kleine Sohn sitzt auf der Arbeitsfläche
© Jacob Lund / Shutterstock
Es gehören zwei dazu, ein Kind zu zeugen – aber wie steht’s danach mit der Gerechtigkeit? Wie wichtig ist faire Aufgabenverteilung für ein gutes Familienleben, und wo unterscheiden sich Wunsch und Wirklichkeit? Eine internationale Studie liefert Antworten.

Lange Elternzeit für Väter? Unbedingt empfehlenswert, findet Daniel. "Schon mein eigener Vater hat in den Siebzigern für mich und meine Schwester pausiert. Da fand ich es ganz natürlich, auch mit meinen Kindern daheim zu sein. Es ist schade, wenn Männer bestimmter Berufsgruppen das nicht wahrnehmen, denn es ist eine ideale Möglichkeit, seine Kinder besser kennenzulernen und auch mehr Verständnis für die eigene Frau zu entwickeln, die oft den größeren Teil der Verantwortung übernimmt."

Der Mann ist in guter Gesellschaft, kürzlich hat auch sein Kollege Harry bekannt gegeben, dass er fünf Monate ausschließlich für sein Töchterchen Lilli da sein wird. Alles ganz normal also, im Jahr 2021? Wie man’s nimmt: Immerhin ist die Mutter von Daniels Kindern Estelle und Oscar die künftige Königin von Schweden, was ihn quasi zum "First Dad" seines Landes macht. Und Harry entstammt einer Familie, die über viele Generationen eine ziemlich eigene Vorstellung von gemeinsamer Elternschaft hatte: Bei den britischen Royals waren meist weder Mütter noch Väter für Windeln und Gemüse-Kartoffel-Fleischbrei zuständig, sondern Nannys und anderes Hofpersonal.

Insofern waren Daniels Interview mit dem schwedischen "Aftonbladet" und Harrys publikumswirksame Ankündigung eben doch bemerkenswert – selbst wenn keiner von den beiden Diskussionen mit einem verständnislosen Chef führen musste oder ein Einkommenssteuer-Update auf dem heimischen Rechner installieren, um herauszufinden, wie man sich die Elterngeldmonate teilen und trotzdem noch die Miete leisten kann. Aber ob im Schloss oder in der Studierenden-WG, ein paar Gemeinsamkeiten gibt es eben doch: Jede neugeborene Mutter, jeder frischgebackene Vater muss erst einmal üben, wie man ein Baby-Händchen unfallfrei durch den Body-Ärmel bugsiert und wie man ein überreiztes Kleinkind beruhigt, alle sitzen im gleichen Gefühlskarussell zwischen Überwältigung und Unsicherheit, Liebe und Stress. Auf unsicherem Terrain tut es gut, ein Team zu sein.

Note: Mittelmäßig – das ist das Zeugnis für Deutschland

Wie haltet ihr’s mit der Aufgabenteilung, und wie wichtig ist das für eure Zufriedenheit – das war denn auch eine der Fragen, die Sozialforscherinnen und -forscher des Meinungsforschungsinstituts Kantar im Auftrag des Lebensmittelkonzerns Nestlé aktuell in 16 Nationen weltweit 8000 Eltern von Kindern im ersten Lebensjahr stellten. Das Ergebnis ist Teil des internationalen "Parenting Index", der kürzlich veröffentlicht wurde, und es liest sich gut: Väter gewinnen an Bedeutung, weltweit. Immerhin jeder und jede zweite Befragte gab an, dass in der eigenen Beziehung beide gleichermaßen zuständig für die Kinder sind. 62 Prozent aller Interviewten stimmten zu, dass heutige Väter engagierter sind als die früherer Generationen.

Allerdings sind diese Befunde Selbsteinschätzungen und keine objektive Beobachtung. Gefühlte gemeinsame Verantwortung heißt nicht zwingend, dass sich Paare Kinderarzttermine, Krippen-Abholung und Kuscheln wirklich fifty-fifty teilen – diesen Unterschied zwischen Wahrnehmung und Realität belegen auch andere Zahlen, etwa Forsa-Studien im Auftrag von ELTERN. Fakt ist auch: Gutes, gemeinsames Elternsein ist ein Wohlfühlfaktor, aber nicht der allerwichtigste im globalen Vergleich. Andere, wie die Vereinbarkeit von Job und Familie, die eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse, aber auch das Ausmaß an sozialem Druck fallen stärker ins Gewicht, Geschlechtergerechtigkeit trägt nur mit knapp sechs Prozent zum Gesamtpaket bei.

Deutschland stellen die Studienautorinnen bei dem Thema ein eher mittelmäßiges Zeugnis aus: "Familien- und Hausarbeit ist noch immer hauptsächlich Frauensache, zusätzlich zur Erwerbsarbeit. Das sieht man auch an der Elternzeitrate der Väter: Etwa jeder zweite nimmt eine Auszeit, aber üblicherweise nur für zwei Monate, während es Frauen gewöhnlich auf zwölf Monate bringen", stellen sie kritisch fest.

In Skandinavien werden Rechte von Eltern staatlich gelenkt

Anders ist die Situation in Skandinavien, nicht nur bei Hofe. Bei den nördlichen Nachbarn werden Rechte und Pflichten von Eltern stärker staatlich gelenkt als bei uns – und wie auch immer man das findet, es wirkt. Beispiel Schweden: Von der 480-tägigen staatlich bezahlten Elternzeit entfallen jeweils 90 Tage spezifisch auf Mutter und Vater und sind nicht übertragbar. Werden sie nicht genommen, verfallen sie, außer bei Alleinerziehenden, wie die deutschen "Vätermonate". Ein kleiner Unterschied, aber mit messbarem Effekt: Die Rate der Elternzeit-Dads ist zwar ähnlich wie in Deutschland, aber ihre durchschnittliche Auszeit ist mit sechs bis neun Monaten drei- bis fünfmal so lang.

Zusätzlich sorgt die familienfreundlichere Arbeitskultur unserer nördlichen Nachbarn dafür, dass die Nähe zu den Kindern nicht wieder verpufft. Denn in Stockholm (genau wie auch bei den dänischen und norwegischen Nachbarn) wird meist weder Papa noch Mama schief angeschaut, wenn er oder sie mitten im Meeting aufsteht, weil das Kind bei einer Aufführung in der Kita mitspielt oder zum Zahnarzt muss.

Nicht nur im Norden, auch in Richtung Mittelmeer und weiter südlich finden sich positive Beispiele. Gemeinsame Verantwortung wird vor allem in Israel, in Spanien und Chile als Zufriedenheits-Plus verbucht, was zum Teil am gesellschaftlichen Wandel liegt – in dem südamerikanischen Aufsteiger-Land sind berufstätige Mütter schwer im Kommen. Ehe man deshalb gleich nach Santiago oder Valparaiso auswandert, sollte man allerdings das Kleingedruckte lesen: "Junge chilenische Männer sind zwar heute aktivere Elternteile, aber sie empfinden sich eher als Assistent der Mütter. Ihre Beteiligung hält sich vor allem in Grenzen, wenn es darum geht, kranke Kinder zu pflegen, für die Familie zu kochen und zu waschen."

Ein weiter Weg für Mexiko, Saudi-Arabien, Rumänien

Und auch in China, wo sich Elternpaare der Umfrage zufolge ebenfalls als besonders partnerschaftlich empfinden, ist das Familienleben deshalb nicht leichter. Der Druck für Eltern wie für Kinder ist hoch, ein Sprichwort lautet: "Lass deine Kinder nicht an der Startlinie los!" Schon bei den Jüngsten wird eher Leistung als Maßstab dafür gesehen, ob Väter und Mütter ihre Sache gut machen, als Glück und Zufriedenheit. Das schweißt Paare vielleicht zusammen, aber eher wie den Fußball-Bundestrainer und seinen Co-Trainer, vermutlich weniger als liebevolle Gemeinschaft.

Es gibt auch Länder, in denen noch ein richtig weiter Weg bis zur Gleichberechtigung zurückgelegt werden muss – nicht nur gefühlt, auch objektiv, durch Gesetze und schwerfällige soziale Normen. Mexiko, wo väterliches Engagement im Keim erstickt wird, weil das Gesetz für eine Auszeit nach der Geburt für Männer maximal eine Arbeitswoche vorsieht (ähnlich wie in den USA). Saudi-Arabien, wo Mütter kleiner Kinder traditionell in der Großfamilie ihres Mannes leben und oft gezwungen sind, sich dort anzupassen – eine Situation, in der sich viele besonders einsam fühlen, obwohl sie von vielen Menschen umgeben sind. Oder Rumänien, wo Mütter resigniert sagen: Mein Leben unterscheidet sich so gut wie gar nicht von dem meiner Mutter oder Großmutter, wir sind immer noch ganz allein für Kinder und Haushalt zuständig.

Zur Situation in Nigeria heißt es: "Auch wenn Väter dort mehr Verantwortung übernehmen, gelten für sie nicht dieselben Standards wie für Mütter." Das wiederum kommt uns irgendwie bekannt vor. Wenn ein Elternteil von Fremden gelobt wird, wie toll es seine Sache macht, beim Anschwung-Geben auf der Spielplatzschaukel oder beim Versuch, ein quengeliges Baby auf einer Zugfahrt bei Laune zu halten, dann heißt es im Zweifelsfall Papa. Und nur selten Mama.

10 Tage für Väter!

Eine zehntägige Freistellung für Väter mit Lohnfortzahlung nach der Geburt eines Kindes – das ist Teil einer neuen EU-Vereinbarkeitsrichtlinie, die in Deutschland allerdings zurzeit nicht umgesetzt werden soll. Wenn ihr für diese Freistellung seid, könnt ihr an einer Petition auf openpetition.de teilnehmen (Stichwort "Vaterschaftsfreistellung“). Mehr Infos unter vaterschaftsfreistellung.de

Alles gleich

Wie hat die erste Pandemiewelle die Selbsteinschätzungen, die Stressfaktoren und die Partnerschaft bei Eltern von Kindern im ersten Lebensjahr verändert? Verblüffendes Ergebnis: fast gar nicht. Das ergab eine zweite, stichprobenartige Befragungsrunde des Kantar-Instituts in Spanien, den USA und China. Mögliche Erklärung: Baby-Eltern sind zu Beginn der Krise eher näher zusammengerückt.

Alles anders

Jetzt mal Butter bei die Fische: Wer macht bei uns eigentlich wirklich was in Haushalt und mit dem Kind oder den Kindern? Ist das gerecht, und sind wir damit zufrieden? Eine umfangreiche Checkliste mit Selbsttest findet ihr unter equalcareday.de/mentalload-test.pdf.

ELTERN

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