Die Biologie scheint auf der Seite der Mütter. Schon während der Schwangerschaft wird das weibliche Gehirn regelrecht umgebaut, damit Mamas feinfühliger auf ihre Babys reagieren. Noch dazu tragen sie das Kind neun Monate lang in sich, spüren seine Bewegungen, teilen Emotionen und Nahrung. Inniger kann eine Bindung kaum sein.
Und der andere Elternteil? Fühlt sich oft nur als Beiwerk im Eltern-Team – in der Schwangerschaft kann er:sie für das Baby noch nichts tun. Wir verraten euch, warum der Bindungsvorteil von Mamas gar nicht so groß ist. Und was der andere Elternteil* tun kann, um den Vorsprung aufzuholen.
Auch der männliche Körper passt sich an
"Wenn werdende Väter Anteil nehmen während der Schwangerschaft und wirklich emotional involviert sind, haben sie ähnliche hormonelle Veränderungen wie Frauen“, sagt Bindungsforscherin Fabienne Becker-Stoll, Direktorin des bayerischen Staatsinstituts für Frühpädagogik. Zum Beispiel sinke der Testosteronspiegel. Das ermöglicht empatischeres Verhalten. "Für das Überleben der Menschheit war es notwendig, dass das hormonelle Tuning bei Frauen und Männern gleichermaßen stattfindet.“
Schließlich kommen die kleinen Menschlein so unreif zur Welt, dass sie noch lange viel Unterstützung brauchen. Am besten von beiden Elternteilen. "Männer haben genauso wie Frauen ein biologisch angelegtes Pflegeverhalten.“ In der Vergangenheit hatten sie nur zu wenig Gelegenheit, das zu zeigen, sagt die Bindungsexpertin.
Bonding-Tipps für Papas vor der Geburt
Während der Schwangerschaft könnt ihr als nicht-schwangerer Elternteil folgendes tun:
- Geht mit zu Vorsorgeuntersuchungen, auch wenn es nicht um euren Körper geht. Das Schlagen des kleinen Herzchens zu hören, ist eine starke emotionale Erfahrung.
- Macht einen Geburtsvorbereitungskurs, setzt euch mit dem bevorstehenden Ereignis auseinander.
- Legt die Hände auf den Kugelbauch und nehmt Kontakt auf.
- Sprecht mit dem Baby im Bauch, teilt eure Vorfreude, Zweifel, Kindheitsgeschichten. Eure Stimme wird dem:r Kleinen nach der Geburt schon vertraut sein.
In den ersten drei Monaten ist euer Baby noch offen, wer seine wichtigste Bezugsperson wird. Die primäre Bindung entsteht in dieser Zeit zu dem Menschen, der sich am meisten kümmert. "Mütter haben oft durch das Stillen mehr Nähe in der ersten Zeit“, sagt Becker-Stoll. "Aber es gibt keinen Zusammenhang zwischen dem Stillen und einer sicheren Bindung, das ist unabhängig voneinander.“ Klar, das Bindungshormon Oxytocin wird beim Stillen ausgeschüttet und wirkt auf Mutter und Kind. Aber einen ähnlichen Hormonschub gibt es beim Kuscheln mit eurem Baby, wenn ihr es im Arm haltet und Blickkontakt herstellt. Kümmern sich Papa oder Co-Mama anfangs am intensivsten, kann er:sie ebenso zur primären Bezugsperson werden.
Darum gibt es eine primäre Bezugsperson
Lasst euch nicht davon frustrieren, wenn der kleine Schatz Mama bevorzugt, obwohl ihr genauso oft zur Stelle seid, um zu kuscheln, zu spielen und Windeln zu wechseln. Euer Baby kann mehrere Lieblingsmenschen haben. Dass eine:r davon der primäre Bezug ist, hat einen evolutionären Hintergrund. "Es geht nie um eine stärkere oder schwächere Bindung, aber es gibt eine Hierarchie“, sagt Becker-Stoll. Früher war es in Gefahrensituationen überlebenswichtig, dass ein Kind sofort wusste, an wen es sich wenden musste. "Orang-Utan-Babys dürfen auch nicht erst überlegen, zu wem sie sich retten, wenn ein Raubtier angreift.“ Deshalb lassen sich manche Babys in akuten Stresssistuationen nur von Mama trösten – obwohl der:die Partner:in ebenfalls eine enge Bindung hat.
Bonding-Tipps für Papas und Babys
Das können Papas tun, um die Bindung nach der Geburt zu stärken:
- Wenn es sich für euch richtig anfühlt, dann kann es helfen, bei der Geburt dabei zu sein. Zum einen könnt ihr euer Neugeborenes direkt im Arm halten. Zum anderen zeigt eine Studie, dass sich dadurch der männliche Hormonhaushalt verändert. Das hat noch Monate später einen positiven Einfluss auf das Fürsorgeverhalten.
- Übernehmt viel körperliche Pflege des Babys.
- Besonders intensiv wirkt Hautkontakt. Das gibt einen wahren Schub des Bindungshormons Oxytocin. Legt euch gerne euer nacktes Baby auf den nackten Bauch, deckt euch zu, und macht ein Nickerchen.
- Nehmt zusammen ein warmes Bad.
- Egal, was ihr tut, seid möglichst zugewandt und präsent.
Bonding durch Präsenz
"Es gibt viele Möglichkeiten, eine gute Bindung zu seinem Baby zu entwickeln“, sagt Becker-Stoll. "Das Wichtigste ist liebevolle Aufmerksamkeit.“ Bindung entstehe durch Trost, Beständigkeit, Zuwendung. Das ist unabhängig von der Zeit, die ihr mit eurem Baby verbringt. Wer lange arbeitet, braucht kein schlechtes Gewissen zu haben. Hauptsache, ihr seid wirklich da, sobald ihr nach Hause kommt.
"Es geht darum, in Interaktion zu treten. Dafür braucht es keine speziellen Aktionen, sondern einfach Präsenz“, sagt die Bindungsexpertin. Sendet eurem Baby die Botschaft "Ich bin für dich da.“ Damit legt ihr den besten Grundstein für eine sichere Bindung.
* Elternsein ist vielfältig, genauso wie es Familienkonstellationen sind. Auch wenn wir in unseren Texten die Bezeichnungen Vater und Mutter verwenden, wollen wir jede:n ansprechen, also unter anderem auch jede:n Mapa, Pama und Eltens. Denn ihr alle seid Eltern.