Artikelinhalt
Wie bereitet man Fläschchennahrung zu? Richtig: Das Fläschchen wird zunächst mit kochendem Wasser ausgespült und dann das Milchpulver mit mindestens 70 Grad heißem Wasser angerührt. Das steht auf jeder Packung, und auch die WHO empfiehlt diese Art der Zubereitung, damit die Keimbelastung möglichst gering bleibt.
Aber genau diese Zubereitung ist es offenbar, die eine große Menge Mikroplastik freisetzt, das dann vom Baby mitgetrunken wird. Das legt jedenfalls der sehr praxisnahe Versuch nahe, den Forscher:innen am AMBER-Forschungszentrum des Trinity College in Dublin (Irland) ausgetüftelt haben.
Dunzhu Li Dublin und sein Team haben untersucht, ob und wie viel Mikroplastik bei der Benutzung von Fläschchen freigesetzt wird. Dafür haben sie zehn übliche Babyflaschen aus Polypropylen erst mit kochendem, dann 70 Grad heißem Wasser befüllt und kräftig geschüttelt, als wollten sie das Babynahrungspulver auflösen. Dann haben sie die Menge der Kunststoffpartikel im Wasser gemessen, und zwar gleich doppelt (für Technik-Experten: mit Laser-Spektroskopie sowie Rasterkraftmikroskopie).
Sehr hohe Werte im Vergleich zu Trinkwasser
Heraus kam bei allen untersuchten Fläschchen eine starke Freisetzung von Mikroplastik im Wasser. Die Konzentrationen bewegten sich zwischen 1,3 und 16,2 Millionen Mikroplastikpartikeln pro Liter. Zum Vergleich: Trinkwasser enthält nur bis zu 1000 Partikeln pro Liter, so die Forscher.
Auch nachdem die Fläschchen drei Wochen benutzt worden waren, ginge die Werte nicht wesentlich herunter. Die Wissenschaftler nehmen an, dass ihre Werte wahrscheinlich noch niedrig geschätzt sind. Denn das allerwinzigste Mikroplastik, die Nanopartikel (unterhalb von 0,8 Mikrometern), wurden von ihren Filtern noch nicht mal erfasst.
Europa und Nordamerika sind wahrscheinlich am stärksten betroffen
Die Wissenschaftler haben dann einen weltweiten Durchschnitt an Partikeln ausgerechnet, denen Säuglinge durch Polypropyen-Fläschchen ausgesetzt sind. Das Ergebnis: „Im weltweiten Durchschnitt nimmt ein Säugling etwa 1,58 Millionen Plastikpartikel pro Tag auf, wenn er mit Fläschchen gefüttert wird“, berichten Li und seine Kollegen.
Wohlgemerkt, das ist ein Durchschnittswert für die ganze Welt, in den alle Babys eingerechnet werden, auch die gestillten. In Asien und Afrika, wo mehr Kinder gestillt werden, liegt der Wert mit gut 500.000 bis knapp 900.000 Partikeln pro Tag am niedrigsten, in Europa und Nordamerika mit mehr als zwei Millionen Mikroplastikteilchen am höchsten.
Wie gefährlich sind die Mikroplastik-Partikel für Kinder?
Wie schädlich die Mikroplastikteile für Babys sind, darüber gibt es noch nicht genug wissenschaftliche Erkenntnisse. Die Forschergruppe betont, dass die reine Menge an Partikeln noch nichts über ihre Schädlichkeit für Kinder und Erwachsene sagt.
Dr. Albert Braeuning, Leiter Fachgruppe Wirkungsbezogene Analytik und Toxikogenomics, im Berliner Bundesinstitut für Risikobewertung, zeigt sich nicht überrascht von diesen Ergebnissen: „Da Mikroplastik ubiquitär in der Umwelt präsent ist und zahlreiche Studien bereits das Vorhandensein von Mikroplastikpartikeln in verschiedenen Lebensmitteln gezeigt haben, ist das Auffinden von Mikroplastikpartikeln im Säuglingsnahrungs-Substitut in den verwendeten Kunststoffflaschen per se nicht überraschend.“
Aber auch er ist zurückhaltend, wenn es um die Einschätzung der Gefahr ist: „Zu gesundheitlichen Folgen der oralen Aufnahme von Mikroplastik beim Menschen liegen bislang keine Daten vor. Nach dem derzeitigen Stand des Wissens, der auf den nur begrenzt verfügbaren Daten aus in vitro-Untersuchungen sowie wenigen tierexperimentellen Studien basiert, ist nicht davon auszugehen, dass von Mikroplastikpartikeln in Lebensmitteln gesundheitliche Risiken für den Menschen ausgehen. Aufgrund der mangelhaften Datenlage kann derzeit allerdings noch keine abschließende Risikobewertung erfolgen.“
Was können Eltern tun, die ihr Baby mit dem Fläschchen füttern?
Klar, am allerbesten ist es, ein Baby ohne Fläschchen zu ernähren und nur zu stillen. Nur ist eine völlig fläschchenfreie Ernährung nicht in jedem Fall eine Alternative – entweder, weil die Mutter nicht stillt, oder weil sie darauf angewiesen ist, Muttermilch abzupumpen.
Eine Möglichkeit ist es, auf Glasfläschchen umzustellen. Das muss aber nicht sein: Da das Sterilisieren mit kochendem Wasser wohl das Hauptproblem ist, raten die Forscher, folgendermaßen vorzugehen:
- Fläschchen wie immer mit kochendem Wasser sterilisieren und abkühlen lassen
- Danach das Fläschchen dreimal mit kaltem, abgekochtem Wasser ausspülen
- Derweil das Milchpulver in einem nicht aus Plastik bestehenden Gefäß mit 70 Grad heißem Wasser anrühren und dann ins Fläschchen füllen.
So sinkt die Verunreinigung mit Mikroplastik deutlich.
Quelle:
Dunzhu Li (Trinity College, Dublin ) et al. (2020): Microplastic release from the degradation of polypropylene feeding bottles during infant formula preparation. Nature Food. DOI: 10.1038/s43016-020-00171-y.