Klassische Rollenverteilung
Die Stunde der Wahrheit kam im Sommerschlussverkauf. Ich hatte schon 290 Euro ausgegeben und ahnte, das sei zu viel für unser Kleiderbudget. Wie viel zu viel? Keine Ahnung. Doch als mich diese unglaublich roten, unglaublich schönen Schuhe eroberten, stellte ich fest: So kann es nicht weitergehen. Denn statt sie anzuprobieren, wählte ich die Nummer meines Mannes und hörte mich ins Telefon fragen: "Schatz, sind für mich noch Schuhe für 80 Euro drin?" Dieser Satz öffnete mir die Augen. Wie kann es sein, dass ich als selbstbewusste, berufstätige Frau mit Hochschulabschluss meinen Mann um Erlaubnis frage, ob ich die Schuhe meines Lebens kaufen kann?
Seit unser Sohn Laurin auf der Welt ist, habe ich keine Ahnung mehr vom Geld. Ich weiß nicht mal, wie viel mein Mann verdient, geschweige denn, wie hoch er lebensversichert ist, auf welcher Bank der Aktienfond von Laurin liegt oder wo die PINs für unser Konto sind. Ohne Witz. Überweisungen macht mein Mann, und wenn ich Geld brauche, gehe ich zum Automaten. Und, ehrlich gesagt: Bislang war ich froh, den ganzen Finanzkram auf ihn abwälzen zu können.
Ich glaube, angefangen hat alles damit, dass wir seit der Geburt von Laurin ein gemeinsames Konto haben. Weil wir in dieser Zeit auch noch eine Wohnung kauften und umgezogen sind, hatte ich keine Zeit mehr, mich mit Kontoauszügen zu beschäftigen. Ich war beim Einkaufen einfach so sparsam wie möglich. Irgendwie ging das gut, ohne dass ich einen Überblick hatte. Vielleicht muss man dazu noch sagen, dass mein Mann zu der Sorte Mensch gehört, die Bankangebote lesen, bevor sie sie ins Altpapier werfen. Er ist einer, der sich eine Excel-Tabelle anlegt, um für seine kleine Familie einen "Business-Plan" zu erstellen, der ihm sagt, dass wir in elf Jahren in die Miesen rutschen, wenn unser Jahresbudget die und die Summe übersteigt.
Ein Konto für alle Fälle
Mich dagegen überfordert seine Excel-Tabelle. Ich will nur wissen: Wie viel ist da, wie viel kann ich ausgeben. Meinen Mann macht das wahnsinnig. Ich glaube, er war froh, als ich ihm das Finanzfeld kampflos überließ. Zumal es, solange ich in der Elternzeit nichts verdiente, sowieso "sein" Geld war, das ich ausgab.
Bis die roten Schuhe kamen. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete ich bereits seit ein paar Monaten wieder Teilzeit. Auf der Heimfahrt von der Stadt - ohne rote Schuhe - ärgerte ich mich. Dass ich kein "eigenes Geld" mehr hatte (mein Gehalt ging mit Steuerklasse fünf fast ganz für die Kinderbetreuung drauf), dass ich das Heft so aus der Hand gegeben hatte und dass ich gänzlich ahnungslos dastünde, wenn meinem Mann etwas zustoßen würde. Ich beschloss, das zu ändern.
Doch das war gar nicht so leicht. Überzeugen Sie mal einen Mann mit Faible für Excel-Tabellen, dass es sinnvoll ist, seiner Frau seine Kalkulation zu erklären. Wir stritten, wir rangen, wir konnten einander nicht verstehen. Eines Abends, er war nicht zu Hause, schlich ich mich an seine Unterlagen und kam mir vor wie eine Schnüfflerin. Bis zwei Uhr morgens suchte ich sämtliche Zahlen, Buchungen und Zugangscodes zusammen und erstellte meinen eigenen Plan. Ich kam auf das gleiche Ergebnis - nur, dass ich es diesmal verstand. Und am nächsten Tag richtete ich zwei neue Konten ein: ein Haushaltskonto, auf das jeder anteilig einzahlt und von dem alle gemeinsamen Ausgaben, also auch die Kinderbetreuung, bestritten werden, und ein eigenes für mich. Mein Mann findet das umständlich, kann nach einigen Diskussionen aber damit leben.
Und ich fühle mich seitdem wie ein neuer Mensch. Was die erste Geldbewegung auf meinem neuen Konto war? Die roten Schuhe. Zum Glück waren sie noch da.
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