Wofür brauchen Familien eine Reiserücktrittsversicherung?
Diagnose: "Windpocken". Für Evelyn Mayr (Name geändert) bedeutete diese Aussage vom Arzt nicht nur "mein Kind ist krank." Drei Tage später wollte sie ihren vierjährigen Sohn ins Auto packen und mit anderen Müttern und deren Nachwuchs für anderthalb Wochen Urlaub machen. Vor Monaten hatten sie bereits bei einem Reiseveranstalter gebucht - und gezahlt. Jetzt musste sie nicht nur alles absagen und auf die Erholung verzichten. Wer so kurzfristig von einer Reise zurücktritt, zahlt oft hohe Stornogebühren, die im schlimmsten Fall den gesamten Reisepreis ausmachen.
Um diese Kosten nicht selbst tragen zu müssen, können Urlauber eine Reiserücktrittsversicherung abschließen. Diese übernimmt Stornokosten, wenn die Reise aus unerwarteten Gründen nicht angetreten werden kann.
Vorsicht: Wird der Urlaub erst nach Beginn der Reise abgebrochen, zahlt die Versicherung nicht. Dafür benötigt der verhinderte Urlauber eine Reiseabbruchversicherung.
Viele schließen lediglich eine Reisekrankenversicherung ab. "Die holt mich zwar zurück, ersetzt aber nicht die Urlaubstage", warnt Klaus Brandenstein, Sprecher des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft. Die Kosten für entgangene Tage im Hotel oder den ursprünglich geplanten Rückflug trägt der Reisende selbst.
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Wann ist die Reiserücktrittsversicherung sinnvoll?
Im Gegensatz zur Reisekrankenversicherung ist die Reiserücktritts- bez. die Reiseabbruchversicherung jedoch nicht in jedem Fall sinnvoll. "Sie gehören nicht zu den wichtigsten Versicherungen, man kann aber darüber nachdenken", empfiehlt Thorsten Rudnik, Sprecher der Verbraucherorganisation Bund der Versicherten.
Wichtig ist vor allem, wie hoch der finanzielle Verlust der Urlauber ist, wenn sie die Reise nicht antreten oder abbrechen. Für ein günstiges verlängertes Wochenende auf dem Land lohnt es sich meist nicht, bei einer mehrwöchigen Luxusreise nach Übersee schon.
Gerade für Familien mit kleinen Kindern ist es jedoch in den meisten Fällen sinnvoll. "Der Nachwuchs wird einfach mal spontan krank", weiß Rudnik. Mit jedem Familienmitglied wäschst das Risiko, dass der Urlaub wegen Krankheit abgeblasen werden muss. Zumal insbesondere Kinder kaum darauf achten, ob ihre Spielgefährten eine ansteckende Krankheit haben. Zudem haben sie in Kindergärten und Schulen wenige Möglichkeiten, den Kontakt mit bereits infizierten Altersgenossen zu vermeiden.
In der Regel zahlen die Versicherer nicht nur, wenn der Kunde die Reise wegen Krankheit nicht antreten kann, sondern auch in anderen Fällen, beispielsweise beim Tod eines nahen Verwandten, nach einem Wohnungsbrand oder einem Einbruch. Gerade bei der derzeitigen wirtschaftlichen Lage interessant: Verliert der Kunde seinen Arbeitsplatz oder hätte er die Möglichkeit, während der Urlaubszeit eine neue Stelle anzutreten, kann er beruhigt daheim bleiben. Denn auch dann greift die Reiserücktrittsversicherung.
Da die meisten versicherten Fälle nicht nur vor sondern auch während der Ferien eintreten können, empfiehlt Rudnik: "Wenn man sich versichert, dann sollte man das Gesamtpaket abschließen, also Reiserücktritts- und Reiseabbruchversicherung." Hier gilt es, die Konditionen genau zu lesen. Denn manche Anbieter haben mittlerweile nur noch die Kombiversion im Programm, andere trennen nach wie vor.
Wird es dann ernst, wie im Fall von Evelyn Mayr, sollten die Versicherten rasch handeln. Erkrankt ein Kind, benötigen die Eltern vom Arzt nicht nur ein Rezept für Medikamente, sondern auch eine Bescheinigung, dass der Nachwuchs nicht reisefähig ist. "Die Krankheit sollte man unverzüglich dem Versicherer melden und nicht abwarten, ob es besser wird", rät Rudnik. Gleichzeitig sollte man die Reise stornieren. Dies ist zwar ärgerlich, sollten die Kinder wieder gesund werden. Aber andernfalls riskiert der Versicherungsnehmer, seinen Schutz zu verlieren.
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Wie finde ich eine gute Reiserücktrittsversicherung?
Auch beim Abschluss der Versicherung kommt es auf Tempo an. "In der Regel muss der Abschluss einer Reiserücktrittskostenversicherung spätestens zwei Wochen nach der Buchung der Reise erfolgen, selbst dann, wenn die Reise erst in einem halben Jahr stattfindet", sagt Verbandssprecher Brandenstein. Spontanbucher haben deutlich weniger Zeit. Wenn die Reise innerhalb der nächsten 14 Tage losgehen soll, kann nur am Tag der Buchung auch eine Versicherung abgeschlossen werden.
Dennoch: Wer Zeit hat, sollte nicht gleich im Reisebüro die Versicherung unterschreiben, sondern sich ein Angebot geben lassen und zwei bis drei weitere einholen. So findet er die günstigste Versicherung für seine Reise und spart ein paar Euro. Die meisten großen Anbieter wie Elvia, die Europäische und Hanse-Merkur berechnen für ihre Kunden im Internet in wenigen Minuten die Kosten.
Allerdings ist hier auch Vorsicht geboten: Wer unter den Stichwörtern Reiserücktritts- oder Reiseabbruchsversicherung im Netz sucht, landet oft auf Seiten, die auf den ersten Blick suggerieren, sie würden die günstigsten Konditionen aus allen Angeboten heraussuchen. In vielen Fällen steckt jedoch ein Vermittler dahinter, der mit einer bestimmten Versicherung kooperiert - und von dieser auch seine Provision erhält. Dann erhält der Kunde nur die günstige Version der Produkte dieses einen Unternehmens.
Pauschalreisen enthalten teilweise eine Reiserücktrittsversicherung. Urlauber sollten dies gleich bei der Buchung klären und prüfen, ob sie auch bei Abbruch der Reise ihr Geld zurück erhalten. Ist der Schutz nicht im Preis inbegriffen, sind sie nicht an das Reisebüro gebunden, wenn sie eine Versicherung abschließen wollen. Auch hier gilt: Vergleichen spart Geld.
Schwieriger wird es für Urlauber, die ihre Ferien lieber selbst zusammenstellen und auf eigene Faust Unterkünfte buchen. "Vor Abschluss einer Versicherung sollten sie die real existierenden Stornokosten checken", rät Verbandssprecher Brandenstein. Denn zu den Ausgaben für Hotel oder Ferienwohnung kommen unter Umständen noch andere Posten wie Flug- oder Bahntickets. Die Angaben gegenüber der Versicherung sollten so genau wie möglich sein, denn die Höhe der Prämie hängt von der Dauer der Reise und den Kosten dafür ab. Wer hier zu wenig angibt, ist im Ernstfall nicht ausreichend versichert.
Plant eine Familie, mehrmals im Jahr zu verreisen, kommt sie unter Umständen mit einer Jahrespolice günstiger davon. Diese Produkte haben die Versicherungsgesellschaften auf Personen zugeschnitten, die gerne und viel unterwegs sind. Allerdings sollten Versicherungsnehmer genau kalkulieren, ob sie mit diesen Pauschalangeboten oder mit mehreren Einzelpolicen besser fahren.
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