Ehegattensplitting - klingt gut, ist aber umstritten

Eingeführt wurde das Ehegattensplitting 1958: Durch eine gemeinsame Veranlagung soll es Einkommensunterschiede innerhalb der Ehe ausgleichen. Dabei wird so getan, als würde das Familieneinkommen von beiden zu gleichen Teilen erarbeitet: Verdient beispielsweise er 50.000 Euro und sie nichts, berechnet das Finanzamt zweimal Steuern auf 25.000 und nicht einmal auf 50.000 Euro. Damit wird der höhere Steuersatz, der für höhere Einkommen gilt (die sogenannte Steuerprogression), abgemildert. Klingt gut, ist aber umstritten - Verfassungsrechtler, Steuerexperten und auch die großen Parteien kriegen sich deswegen immer wieder in die Haare: Die SPD will nun das Ehegattensplitting abschaffen. Die meisten Konservativen wollen davon nichts wissen. Argumente gibt es für beide Seiten. Wir haben mal versucht, Ordnung zu machen.
Die Befürworter finden: Das Splitting muss bleiben, weil es die Wahlfreiheit fördert!
Denn durch das Prinzip "gleiche Besteuerung bei gleichem Familieneinkommen" lässt das Splitting offen, wie Ehepaare ihr Familienmodell gestalten. Zumindest theoretisch kann jedes Paar frei entscheiden, wie es Berufstätigkeit und Familienarbeit untereinander aufteilen will: Egal, ob er das Geld verdient und sie sich um die Kinder kümmert oder umgekehrt, oder ob beide arbeiten - alles kommt in einen Topf und wird gemeinsam veranlagt.
Die Gegner sagen: Das ist Augenwischerei, denn die Wahlfreiheit ist nur theoretisch da!
In Wirklichkeit halte das Splitting die Frauen vom Arbeitsmarkt fern und fördere die Hausfrauenehe. Das sei riskant für die Frauen - vor allem, wenn die Ehe schiefgehe. Tatsächlich ist es im richtigen Leben oft so: Die Frau pausiert im Job wegen der Kinder, der Mann hat die "gute" Steuerklasse drei und profitiert optimal vom Splittingvorteil. Will die Frau dann wieder arbeiten bekommt sie meist die "schlechte" Steuerklasse fünf. Damit aber "büßt" sie für den Steuervorteil, den ihr Mann hat, weil er ihren Freibetrag kassiert. Zwar wird ein Paar, das gemeinsam verdient, zu zweit nicht höher besteuert als ein Paar, bei dem einer allein die gleiche Summe erwirtschaftet - trotzdem entsteht für die Gemeinsam-Verdiener Monat für Monat der Eindruck: Ein Job lohnt sich für sie nicht.
Und tatsächlich: Arbeitet die Frau nur stundenweise mit, steigt ein durchschnittliches Familieneinkommen nur etwa um fünf Prozent, denn zusätzlich zur "schlechten" Steuerklasse ist sie nun auch nicht mehr familienversichert und hat meistens Betreuungskosten, die sie nur teilweise absetzen kann.
Psychologisch besser: das neue Faktorverfahren: Damit verringert sich die Steuerlast um einen individuellen Faktor. Wer nur 20 Prozent zum gemeinsamen Einkommen beiträgt, muss auch nur 20 Prozent der gemeinsamen Lohnsteuer zahlen. Mehr zum Thema Faktorverfahren auf Eltern.de.
Die Befürworter finden: Das Splitting stützt die Ehe als Wirtschaftsgemeinschaft. Gut so!
Kleine Kinder, Arbeitslosigkeit, Krankheit - kann einer mal nicht arbeiten oder nur wenig, dann federt das Splitting finanzielle Engpässe ab. Denn der erwerbstätige Partner wird über das Splitting entlastet. Und kann den anderen so leichter mitversorgen. Das sei sozial und gerecht, finden die Befürworter. Und berufen sich aufs Grundgesetz, das in Artikel sechs Ehe und Familie unter besonderen Schutz stellt.
Die Gegner meinen: Die einseitige Förderung der Ehe ist von gestern!
Denn nicht die Ehe müsse gestützt werden, sondern die Familie. Tatsächlich gab es früher diesen Unterschied kaum, denn beinahe alle Mütter und Väter waren verheiratet. Heute wachsen etwa ein Drittel aller Kinder bei Müttern und/oder Vätern ohne Trauschein auf. Vom Splitting profitiert aber nur die traditionelle Familie - Alleinerziehende, Patchworkeltern, die nicht (wieder) heiraten wollen, Unverheiratete, die alte Eltern pflegen, haben nichts davon. Ist das noch zeitgemäß?
Die Befürworter finden: Das Splitting ist eine wirkungsvolle Art der Familienförderung
Denn die rund 20 Milliarden Euro, die der Staat Verheirateten an Steuervergünstigungen gewähre, komme zu 90 Prozent bei Familien mit Kindern an.
Die Gegner fragen: Warum kriegen dann auch Kinderlose diesen Steuervorteil?
Abgesehen davon, dass die Kinder unverheirateter Eltern nichts vom 20-Milliarden-Batzen haben, wird das Geld auch bei den Verheirateten nicht gerecht verteilt, meinen die Kritiker. Besonders profitierten Allein- und Gutverdiener. Und nur etwa zwei Drittel der 20 Milliarden kämen Eltern zugute, die ihre Kinder tatsächlich noch versorgen müssten. Außerdem bedeuten 90 Prozent auch: Zehn Prozent der Geförderten haben gar keine Kinder!
Die Befürworter finden: Es gibt zurzeit kein besseres, finanzierbares Steuermodell
Würde man beispielsweise das Geld statt in das Splitting in Bildung und Betreuung stecken, sei auch das einseitig! Denn dann finanzierten alle, die ihre Kinder in den ersten Jahren selbst betreuen, die Krippenkinder der Doppelverdiener indirekt mit. Dann lieber ein höheres Existenzminimum für alle Kinder - zusätzlich. Das aber ist teuer. Außerdem: Was ist mit all den älteren Müttern, die Kinder großgezogen und sich auf die Splittingregelung verlassen haben? Sie alle, so die Splitting-Verteidiger, ließe man im Regen stehen, wenn man das jetzige Modell von heute auf morgen abschaffe.
Die Gegner sagen: Doch, es gibt Alternativen. Guckt mal über die Grenze!
Häufig auf den Tisch kommt dabei das Familiensplitting mit einer Extra-Kinderkomponente wie in Frankreich: Nicht nur der Trauschein, vor allem auch die Kinderzahl bestimmen dort den Steuervorteil! Die zweite große Variante ist die Individualbesteuerung: Jeder wird für sich veranlagt, das Splitting entfällt. Das gesparte Geld könnte dann unter anderem in eine ordentliche Infrastruktur für Familien fließen, sodass auch Frauen leichter ihr Einkommen und ihre Existenz sichern können - wie zum Beispiel in Schweden.
Und wer hat nun recht?
Fakt ist: Neben der Schweiz sind wir das einzige europäische Land, das am klassischen Ehegattensplitting festhält. Trotzdem finden viele Menschen in Deutschland diese Steuerregelung offenbar immer noch gut. So meinten in der Studie "Monitor Familienleben 2010" 56 Prozent der Befragten, ein wichtiger Schwerpunkt der Familienpolitik sei es, "jungen Familien mit Kindern zu erleichtern, dass ein Elternteil eine Zeit lang ohne große finanzielle Einbußen aus dem Beruf aussteigen kann". Das Alleinverdienermodell scheint also keineswegs von gestern. Und wer das Splitting abschaffen will, wird es wohl schwer haben - spätestens bei der nächsten Wahl!