Artikelinhalt
Reiseübelkeit: „Tempo runter – und aufs Kind hören“
Das rät Tanja Brunnert vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte in Niedersachsen. Sie spricht aus Erfahrung, denn ihre Tochter verträgt das Autofahren auch nicht: „Kindern wird im Auto schlecht, weil die Augen signalisieren, dass der Körper still steht, das Gleichgewichtsorgan aber Bewegung meldet. Dagegen hilft, während der Fahrt nach draußen zu schauen. In der Mitte der Rückbank hat das Kind freie Sicht nach vorn, deshalb ist das der ideale Platz. Aus dem Seitenfenster zu gucken bringt nichts. Dort zieht die Landschaft zu schnell vorbei, um etwas zu fixieren. Ältere Kinder kann man nach vorn setzen. Hier schaukelt es weniger als auf der Rückbank, es ist allerdings unsicherer.
Vor der Fahrt sollte das Kind etwas Leichtes essen: Brot, Obst, ein bisschen Rohkost. Das sind auch gute Snacks für Zwischendurch. Außerdem hilft Ablenkung. Nicht DVDs gucken, da passiert das Gleiche wie beim Lesen. Dem Kind wird noch schneller schlecht. Besser: CDs hören, Wortspiele spielen oder klassisch: ‚Ich sehe was, was du nicht siehst.‘ Von Medikamenten gegen Übelkeit raten wir Kinderärzte wegen der Nebenwirkungen ab. In der Apotheke gibt es spezielle Kaugummis gegen Reiseübelkeit. Sie haben eine gewisse Wirkung, bei älteren Kindern kann man das ausprobieren.
Wichtig ist aber vor allem eine vorausschauende Fahrweise. Wer rasant in die Kurven geht, riskiert eher Reiseübelkeit. Lieber schön gemütlich fahren und immer wieder kurze Pausen einlegen. Kinder merken, wenn ihnen schlecht wird. Das sollten Eltern unbedingt ernst nehmen, bei der nächsten Gelegenheit anhalten und warten, bis sich die Übelkeit legt.
Muss sich das Kind während der Fahrt übergeben, hat man hoffentlich vorgesorgt und eine Tüte eingepackt. Spuckt es sich voll, darf man es auf keinen Fall abschnallen. Dann bleibt nur, bis zum nächsten Parkplatz durchzuhalten – und sich vielleicht zu überlegen, ob lange Fahrten eine gute Idee sind. Aber es gibt Hoffnung: Reiseübelkeit wächst sich zwar nicht aus, nimmt aber mit zunehmendem Alter eher ab. Warum? Vielleicht, weil das Kind mit der Zeit lernt, was ihm guttut.“
Jetlag: Die innere Uhr in Takt bringen

Reisen gen Westen verlängern den Tag. Der Jetlag fällt milde aus – man fühlt sich wie nach einer langen Nacht. Probleme machen Flüge nach Asien, denn hier muss sich die innere Uhr zurückstellen. Es ist Tag, aber alle Körperzellen – jede verfügt über eine kleine Uhr – signalisieren: „Ich will schlafen.“
Drei Tipps gegen den Jetlag, den Kinder übrigens meist besser wegstecken als ihre Eltern:
- 1. Viel rausgehen: Licht hilft, unsere Master-Clock im Gehirn zu synchronisieren. Deshalb viel mit den Kindern draußen unternehmen und erst am Abend ins Bett gehen. Das Gehirn stellt sich dann innerhalb von zwei, drei Tagen auf die neue Zeit ein.
- 2. Leichte Kost essen: Vor allem der Magen-Darm-Trakt tut sich schwer mit der Zeitumstellung. Schwere Mahlzeiten können schnell zu Verdauungsproblemen führen. Möglichst dann essen, wenn die Einheimischen ihre Mahlzeiten einnehmen. Auch das hilft, sich an die neue Zeit anzupassen.
- 3. Programm runterfahren: Die ersten Tage nicht mit anstrengenden Ausflügen vollpacken, sondern ein, zwei Tage zum Ankommen einplanen. Das gilt für die Hin- und die Rückreise. Wer sonntags aus dem USA-Urlaub zurückkommt, kann nicht erwarten, dass das Kind Montag in der Schule glänzt.
Nicht den Magen verderben: „Offen stehenden Obstsalat würde ich meiden“

Ein Gespräch mit dem Reisemediziner Dr. Alfred Bissinger vom Institut für Tropenmedizin der Universitätsklinik Tübingen über echte und vermeintliche Gefahren von Eis und anderen Speisen am Urlaubsort:
Welche Lebensmittel sind im Urlaub kritisch?
Ich wäre vorsichtig bei Rohmilchprodukten und Speisen mit rohen Eiern, die länger offen herumstehen, zum Beispiel Tiramisu. Hier besteht unter anderem die Gefahr einer Salmonellen-Infektion. Abgepacktes Eis ist grundsätzlich sicherer als Kugeln. Aber natürlich isst man in Italien Eis aus der Gelateria. Ich habe das bisher immer überstanden. Vielleicht sollte man nicht ausgerechnet als letzter Gast die Reste nehmen.
Das lässt sich einrichten. Und sonst?
Fischprodukte oder Obstsalat aus einer offenen Vitrine würde ich nicht bedenkenlos essen. Roher Fisch und rohe Muscheln können am Mittelmeer unter anderem wegen einer möglichen Hepatitis-A-Infektion ein Problem sein. Klassisch: Pizza Frutti di Mare, hier werden die Meerestiere aus optischen Gründen meist nicht ausreichend erhitzt, um Erreger abzutöten.
Bei Obst und Gemüse lautet der Rat: „Schäl es, koch es oder vergiss es!“ Darf ich meinen Kindern keine Erdbeeren geben?
Das Leitungswasser kann mit Durchfallerregern oder auch mal Parasiten belastet sein. In den europäischen Mittelmeerländern gibt es wenig Probleme, an der asiatischen oder an der nordafrikanischen Küste sieht es anders aus: Hier sollte man Leitungswasser besser weder trinken noch zum Zähneputzen oder Obstwaschen benutzen. Auch frisch gepresste Obstsäfte können riskant sein, wenn die Pressen mit Leitungswasser gereinigt werden.
Bei Mittelmeerreisen wird vor Rohmilchprodukten gewarnt, weil man sich mit Brucellen, dem Erreger des Malta-Fiebers, anstecken könnte. Also den Ziegenkäse vom französischen Bauernmarkt streichen?
Die Brucellose ist bei Urlaubsreisenden eine sehr seltene Erkrankung, sie wurde in Deutschland 2017 41-mal gemeldet, nur ein Bruchteil davon waren Urlauber. Daraus zu schließen, dass man in Griechenland keinen Feta essen sollte, finde ich völlig übertrieben.
Reiseapotheke: Das gehört hinein
Die Basisausstattung:
- Fieberthermometer
- Pinzette
- Zeckenkarte
- kleine Schere
- ggf. Sonnenschutz
Verbandsmaterial:
- Pflaster in unterschiedlichen Größen
- Mullbinden
- elastische Binden
- Dreieckstuch
- Rollpflaster oder Klammern
Medikamente:
- Fiebersaft
- Desinfektionsmittel
- Meersalzlösung oder abschwellende Nasentropfen
Die Extras:
- Elektrolyt-Lösung zum Auflösen bei Reisedurchfall
- Insektenschutz-Mittel mit den Wirkstoffen Icaridin oder DEET
Noch mehr Infos zur Reiseapotheke für den Familienurlaubfindet ihr in unserem Artikel.