
Warum gibt es bei den Zwei- bis Dreijährigen ständig Theater beim Anziehen?
Kleidung bekommt in diesem Alter einen anderen Stellenwert. Die Zeit der Windeln ist allmählich vorbei und, was noch wichtiger ist, die meisten Kinder können sich einigermaßen selbstständig an- und ausziehen. In dieser Phase ist es wichtig, dass Kinder eigene Entscheidungen treffen und sich auch mal anders als Mama oder Papa positionieren dürfen. Das hilft, unabhängig und selbstbewusst zu werden. Die neue Selbstständigkeit kann man mit praktischen Kleidungsstücken unterstützen (Röcke und Hosen mit Gummizug, weiter Halsausschnitt, Schuhe mit Klettverschluss).
Ist es okay, wenn der zweijährige Bruder den rosa Anorak der großen Schwester aufträgt?
In diesem Alter ist es den meisten Jungen noch völlig egal, ob sie im rosa oder blauem Anorak herumlaufen. Erst mit drei, vier Jahren entwickeln Kinder eine Geschlechtsidentität, dann wissen sie auch, dass sie Junge beziehungsweise Mädchen sind und das auch bleiben.
Das Problem liegt eher bei den Eltern. Mit Ausnahme von Angelina Jolie und Brad Pitt, deren Sohn Knox mehrfach im Tutu gesichtet wurde, legen die meisten Wert darauf, dass Jungen erkennbar als Jungen gekleidet sind. Umgekehrt stößt sich niemand daran, wenn Mädchen Jungensachen (auf-)tragen. Eigentlich merkwürdig.
Was tun, wenn ein Kind im Hochsommer unbedingt Gummistiefel tragen will?
Anziehen ist für Kinder zwischen zwei und sechs vor allem Verkleiden. Praktische Aspekte - das Wetter, passt die Kleidung zum Anlass? - spielen bei ihren Entscheidungen keine Rolle. Wenn es bei hochsommerlichen Temperaturen unbedingt Gummistiefel sein müssen, kann man ja sagen: "Ich packe noch Sandalen ein, falls dir die Gummistiefel zu warm werden." Manches lässt sich auch mit einem saisonalen Kleiderschrank vermeiden: Ende März die Winter- durch die Sommergarderobe ersetzen, Anfang Oktober die Sommersachen verstauen.
Warum haben Kinder oft so einen seltsamen Geschmack?
Bis zum Ende des Grundschulalters lieben es Kinder knallig. Das hat in erster Linie biologische Gründe. Die Reizschwelle von Kinderaugen liegt noch lange höher als die von Erwachsenen, daher bevorzugen sie kräftige Farben und starke Kontraste, Pumuckl-Socken, Garfield-Shirts, schrille Farben, Tüll, Glitzer, Pailletten, Fransen und am liebsten alles kombiniert.
Trotzdem sind Stil-Fanatiker im Kinderzimmer fehl am Platz. Kinder müssen mit Kleidung experimentieren dürfen, um ein Gespür für Farben, Formen und Materialien zu bekommen. Im Übrigen sind Eltern auch in Geschmacksfragen Vorbild. Insofern muss man sich keine Gedanken machen, falls sich das Kind ab und zu in eine Vogelscheuche verwandelt.
Was tun, wenn man morgens nie rechtzeitig loskommt, weil endlos Kleiderfragen diskutiert werden?
Hier hilft nur eins: Das Outfit für den nächsten Tag am Abend vorher besprechen und die Kleidungsstücke herauslegen. (Mit einer Alternative bei Wetterwechsel.) In keinem Fall sollte man sein Kind zwingen, etwas anzuziehen, das ihm völlig widerstrebt. Zur Not lässt man es lieber mal im "Zirkuskostüm" in den Kindergarten beziehugnsweise zur Schule gehen und packt ihm Hose und Sweatshirt ein. Die kann es anziehen, wenn es feststellt, dass die Pyjamahose oder das Tutu doch nicht so praktisch ist.
Tipps rund um das Thema Anziehen für Eltern von Schulkindern
Ist die Schuluniform geeignet, Markenwahn und soziale Unterschiede zu entschärfen?
Die Erfahrungen in Ländern mit Schuluniform zeigen, dass manches dafür spricht. Soziale Unterschiede sind weniger augenfällig, Konflikte, die sich an "falscher" oder provozierender Kleidung entzünden, seltener. Das Miteinander gestaltet sich entspannter, Schüler identifizieren sich stärker mit den Werten "ihrer" Schule.
Eine einheitliche Kleidung kann nicht zuletzt dazu beitragen, dass sich Kinder besser auf Inhalte konzentrieren. Aus diesem Grund haben sich hierzulande manche Schulen einen freiwilligen Dresscode nach amerikanischem Vorbild gegeben: Röcke und Hosen sollen eine Länge haben, in der sich Mädchen und Jungen zwanglos bewegen können. Statt Fetzen-Look und schrillen Prints sind gedeckte Farben und klassische Schnitte gefragt. Trägerlose, transparente und bauchfreie Tops sind ebensowenig erwünscht wie extrem weite oder tief sitzende Hosen.
Eine Schuluniform oder ein Dresscode kann auch für Eltern eine Entlastung sein - nicht nur in finanzieller Hinsicht. Zum Beispiel fallen morgendliche Diskussionen weg, ob das T-Shirt mit dem Spruch "Der Himmel ist blau - ich auch" wirklich witzig ist. Dresscodes oder Schuluniformen sind allerdings nicht die Lösung aller Probleme. Um Markenfetischismus, soziale Ungleichheit und Integrationsprobleme in den Griff zu bekommen, braucht es mehr als ein einheitliches Outfit.
Muss man alles kaufen, was - angeblich - alle anderen auch haben?
Natürlich kann man seinem Kind mit einem Teil, das gerade angesagt ist, eine Freude machen, aber das sollte nicht zur Routine werden. Schon gleich gar nicht, wenn es denkt: "Wenn ich diese Hose hätte, wäre ich glücklicher oder beliebter." Hier erklärt man, warum ein Kleidungsstück zeitlich nur sehr begrenzt glücklich oder beliebt machen kann. Wenn Kinder den Rückhalt der Eltern spüren, können sie es schon mal aushalten, nicht die Boots oder Jeans zu bekommen, die angeblich alle haben.
Nicht ohne mein Label?
Wenn ein Kind unbedingt Ugg-Boots und Acne Jeans zu seinem Glück braucht, ist es sicher auch bereit, dafür gewisse Opfer zu bringen. Es kann zum Beispiel jeden Abend die Spülmaschine einräumen und vor der Schule den Hund ausführen. Natürlich darf man auch einfach mal so einen Designer-Wunsch erfüllen, zumal dann, wenn das Kind damit einverstanden ist, dass das übrige Outfit aus dem Secondhandshop kommt - oder aus den Eltern.de Kleinanzeigen.
Was ist, wenn sich meine achtjährige Tochter schon "sexy" anziehen will?
Sexy heißt für Achtjährige in erster Linie erwachsen. Dass erwachsen mit sexy verwechselt wird, ist nicht weiter verwunderlich. Jede Werbetafel präsentiert die neuesten Outfits in aufreizender Pose. Zum Glück gibt es für Mädchen im Vor-Teenageralter ein breites Angebot, das nicht mehr kindlich und trotzdem altersgerecht ist. Man kann zum Beispiel vorschlagen, unterm Jeans-Mini eine dunkelblaue Leggings zu tragen und zum Spitzentop einen Hoodie. Es spricht auch nichts dagegen, wenn zu Hause mit dem "sexy" Look experimentiert wird. Man sollte allerdings auch behutsam über die Gefahren aufklären, die mit nicht altersgerechter Kleidung einhergehen.
Was tun, wenn der Geschmack von Eltern und Kind sehr weit auseinandergeht?
Kompromiss 1: An 350 Tagen im Jahr darf das Kind anziehen, was es will, im Gegenzug dürfen die Eltern zu Ostern, Familientreffen, Kirchgang, Theaterbesuch usw. ein Veto einlegen.
Kompromiss 2: Die Eltern bestimmen das Outfit, das Kind die Accessoires: Haarband, Schuhe, Schal, Schmuck, Gürtel, Mütze.
Kompromiss 3: Das Kind darf Top, T-Shirt, Pulli aussuchen, die Eltern Hose beziehungsweise Rock. Oder umgekehrt.
T-Shirts, Jacken, Hosen, die unbedingt sein müssen, fliegen nach einmal tragen in die Ecke. Kann man sein Kind zwingen, die Sachen anzuziehen?
So ärgerlich das ist, damit stößt man in aller Regel auf energischen Widerstand. Vielleicht kann man sagen: "Ich sehe, dass die neue Jacke doch nicht das ist, was dir wirklich gefällt. So was kann vorkommen, mir ist das auch schon passiert. Hast du eine Idee, wie du das vermeiden kannst?" Für den nächsten Kleiderwunsch muss dann die Hälfte vom Taschengeld oder Ersparten beigesteuert werden. Wahlweise kann das Kind auch einen Job erledigen, der den Eltern zugute kommt. Zum Beispiel den Keller aufräumen.
Ständig liegt der komplette Kleiderschrank auf dem Boden. Wie lernt mein Kind, auf seine Sachen zu achten?
Seine persönliche Umgebung in Ordnung zu halten, ist kein unwesentlicher Teil des erwachsenen Lebens. Insofern ist es ratsam, die Verantwortung für den Kleiderschrank weitgehend beim Kind zu lassen. Die Frage ist allerdings, bis zu welchem Grad man bereit ist, Unordnung und Unsauberkeit hinzunehmen.
Am besten definiert man klar die Grenzen: Keine Kleidung auf dem Boden. Einmal pro Woche die schmutzige Wäsche versorgen. Dabei darf allerdings nicht alles, was herumliegt, einfach in den Wäschekorb gestopft werden. Am besten erledigt man Waschen, Aufhängen, Zusammenlegen, Bügeln gemeinsam.
Tipps rund um das Thema Anziehen für Teenager-Eltern
Kleidergeld oder noch Einfluss nehmen - was ist bei Teenagern besser?
Ein festgelegter Betrag, von dem sich Kinder ab zwölf selbst einkleiden dürfen, kann eine gute Idee sein. Eigenständige Entscheidungen zu treffen, stärkt das Selbstvertrauen. Außerdem lernen Heranwachsende so, dass man mit einer Entscheidung zumindest eine Zeit lang leben muss. Genau hier ist allerdings auch der Haken. Ein Kleiderbudget funktioniert nur, wenn Heranwachsende besonnene Kaufentscheidungen treffen. Oft wird jedoch der gesamte Betrag mal eben in ein überteuertes Abercrombie-Outfit investiert und reicht dann nicht mehr für die dringend benötigten Schuhe und Strümpfe. Natürlich kann man ein- oder auch zweimal einspringen. Aber, was, wenn es wieder vorkommt? Lässt man sein Kind dann konsequent ohne Schuhe und Strümpfe herumlaufen? Wohl kaum. Die meisten Eltern werden seufzend erneut ins Portemonnaie greifen.
Um sich solche Frustrationen zu ersparen, empfiehlt sich zunächst ein drei- bis sechsmonatiger Testlauf mit halbem Budget für Shirts, Jeans, Accessoires. (Schuhe, Anorak, Unterwäsche werden weiterhin von den Eltern verwaltet.) Kommt der Heranwachsende zurecht, kann man peu peu den Entscheidungsrahmen erweitern. Wenn nicht, wartet man damit lieber noch ein, zwei Jahre.
Was tun, wenn Heranwachsende sich provozierend stylen?
Manches, was bei einem Erwachsenen die Gesichtszüge entgleisen lässt, ist in den Augen von Jugendlichen völlig normal. Trotzdem lässt sich beobachten, dass sehr unsichere Heranwachsende eher zu provozierenden Stylings neigen, als solche, deren Selbstwertgefühl, abgesehen von den alterstypischen Unsicherheiten, einigermaßen stabil ist. Hier kann man versuchen, in einer positiven Weise gegenzusteuern und sich mit allem, was einen Heranwachsenden beschäftigt, auseinanderzusetzen. Nicht nur mit seinem seltsamen Aussehen.
Allgemeine Tipps rund um das Thema Anziehen und Klamottenkauf
Sollte man bei Kinderkleidung auf Ökosiegel achten?
Es ist durchaus sinnvoll, sich für Kleidung zu entscheiden, die umweltschonend und unter fairen, sozialen Arbeitsbedingungen gefertigt wurde und die sich schadlos recyceln lässt. Öko-Kinderkleidung ist zwar oft etwas teuerer, dafür meist robuster und kann weitervererbt oder verkauft werden. Das fördert auch bei den Kindern selbst ein Bewusstsein dafür, dass Kleidung kein Wegwerfartikel ist - so wenig wie Nahrungsmittel.
Öko-Kleidung ist auch bei Neurodermitis und sehr empfindlicher Haust sinnvoll. (Auch entsprechendes Waschmittel verwenden!) Grundsätzlich sollte Kleidung vor dem ersten Tragen mit der höchsten zulässigen Temperatur gewaschen werden. Gefährliche Chemikalien können so nicht mehr über die Haut in den Organismus gelangen.
Bei uns finden Sie übrigens auch eine Übersicht der wichtigsten Öko-Siegel für Kleidung.
Lohnt es sich, Kinderkleidung selbst zu nähen?
Ja, insbesondere bei Kindern unter sechs Jahren, bei denen man noch keine komplizierten Schnitte braucht. Mit etwas Übung kann man an einem Nachmittag ein, zwei Sommerkleider, Röcke, Shorts nähen und damit eine Menge Geld sparen. Im Netz findet man kostenlose und einfach umzusetzende Schnitte - zum Beispiel in unserer Rubrik Selbermachen.
Entspannt shoppen, worauf muss ich achten?
Bei Kindern unter drei zieht man am besten allein los. Mit älteren schaut man vorher die Garderobe durch, sortiert aus, was nicht mehr passt, und bespricht, was benötigt wird und ob die Sachen auch in der Schule getragen werden müssen.
Über das Angebot informiert man sich möglichst vorab im Internet. Dann kann man Geschmacks- und Budgetfragen gleich diskutieren und nicht erst, wenn man in der Umkleide steht.
Sobald Kinder das kleine Einmaleins kennen und Taschengeld bekommen, dürfen sie wissen, welcher Betrag für die einzelnen Teile zur Verfügung steht. Fällt die Wahl trotzdem auf ein Kleidungsstück, das zu teuer ist oder einem absolut nicht zusagt, kann man vereinbaren, dass es nur am Wochenende getragen werden darf und/oder vom Taschengeld mitfinanziert werden muss.