Erziehungskunde in den 50er Jahren

Deutschland, 1952. Der Bundeskanzler heißt Konrad Adenauer, die Hitparaden-Königin Zarah Leander und der deutsche Fußballmeister VfB Stuttgart. In der Mädchen-Mittelschule in Weiden in der Oberpfalz beginnt in der Klasse 3b gerade ein neues Schuljahr, mit einem neuen Fach. "Erziehungskunde" schreibt die 15-jährige Barbara sorgfältig auf das Deckblatt ihres Schulhefts.
Vor drei Jahren wurde sie gemeinsam mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern aus Schlesien vertrieben, seitdem fährt sie jeden Tag mit dem Bus aus dem kleinen Dörfchen Wurz nach Weiden, um zur Schule zu gehen. Erziehung interessiert sie, später möchte sie unbedingt selbst einmal Kinder haben.
Später, nachdem die junge Frau die Schule abgeschlossen hatte, machte sie eine Ausbildung zur ländlichen Hauswirtschafterin - was einige Monate tatkräftiger Mitarbeit in einer kinderreichen Familie voraussetzte. So kam Barbara in die Zwei-Zimmer-Wohnung der Familie Domes, die damals gerade ihr viertes Kind erwartete. Tagsüber kümmerte sie sich um die drei kleinen Kinder, nachts schlief sie auf der Küchenbank - und wuchs der Familie so ans Herz, dass sie nach der Geburt der jüngsten Tochter Maria zu deren Patentante wurde.
"Ein echter Glücksgriff war das", sagt Maria Domes heute. "Sie war so eine liebevolle, warmherzige, kinderliebe Person!" Erst nach Barbaras Tod im Jahr 2010 findet Barbaras Mann das alte Schulheft seiner Frau in einer Schublade und schickt es der Patentochter, die es an die ELTERN-Redaktion weiterreicht. "Ich fand es einfach beeindruckend, zu lesen, wie umfassend junge Mädchen damals in der Schule auf ihre Mutterrolle vorbereitet wurden."
Barbaras Wunsch, einmal eigene Kinder zu bekommen, ist nie in Erfüllung gegangen.
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