Der US-Konzern Mattel ist der weltweit größte Spielwarenhersteller, zu seinen Marken gehören Barbie, Hot Wheels und Fisher-Price. Im Sommer und Herbst 2007 musste Mattel wegen bleihaltiger Farbe und sich lösender Teile am Spielzeug über 20 Millionen Produkte zurückrufen. Alle Produkte waren in China hergestellt worden; circa 65 Prozent des Mattel-Spielzeug stammt aus chinesischer Produktion. Eltern.de sprach mit dem Vorstandsvorsitzenden von Mattel, Robert Eckert, und Dr. Michael Shore, Leiter des Mattel-Spielelabors, über Spielzeugsicherheit und Trends auf dem Spielzeugmarkt. |
Im vergangenen Jahr musste Mattel über 20 Millionen Spielzeuge aus chinesischer Produktion zurückrufen. Wie wollen Sie das Vertrauen der Kunden, der Eltern, zurückgewinnen?
Robert Eckert: Die gute Nachricht ist, dass die Eltern im Weihnachtsgeschäft zu Mattel zurückgekommen sind, wir hatten ein sehr gutes Weihnachtsgeschäft. Und aus umfangreichen Marktforschungen wissen wir, dass die meisten Eltern sich der Rückrufe und Probleme bewusst waren, viele von ihnen aber auch zufrieden waren mit der Art und Weise, wie wir uns in der Krise verhalten haben. Wir sind sehr offen mit dem Thema umgegangen und haben genau erklärt, wie wir das Problem in Zukunft verhindern wollen. Und wir kommunizieren auch weiterhin über die Medien und direkt mit den Kunden, erklären ihnen, dass wir unsere Sicherheitsstandards verbessert haben. Einige unsere neuen Programme werden von anderen Spielzeugfirmen in den USA übernommen - denn wir wollen mit dem Thema Sicherheit keinen Wettbewerb betreiben.
Wie sehen diese neuen Sicherheitsstandards aus?
Eckert: Um zu verhindern, dass künftig erneut bleihaltige Farbe in unser Spielzeug gerät, haben wir ein vier-Stufen-Konzept entwickelt: Sowohl in den Mattel eigenen Produktionsstätten – sie stellen etwa die Hälfte unserer Produkte her – als auch bei unseren Partnern darf nur noch Farbe verwendet werden, die von zertifizierten Zulieferern stammt. Bevor diese Farbe aber benutzt werden darf, muss sie in den Fabriken noch einmal getestet werden. Drittens überwachen jetzt mehr Mitarbeiter von Mattel die Produktionsprozesse, die Anwendung der Farben, und zwar in allen Fabriken. Und viertens testen wir jede Reihe fertiger Produkte, bevor sie ausgeliefert werden.
Ihnen wurde der Vorwurf gemacht, dass man durch die Verlagerung von Produktionsstätten nach China, durch den Aufbau eines Systems von Subunternehmern und Drittzuliefern, ein wirklich sicheres Produkt nicht garantieren kann.
Eckert: Wir produzieren seit 20, 30 Jahren in China. Und die Probleme, die wir im vergangenen Jahr hatten, sind deswegen in China aufgetreten, weil dort einfach das meiste Spielzeug hergestellt wird. Wir haben auch Qualitätsprobleme mit Spielzeug gehabt, das in anderen Ländern hergestellt wurde. Es geht nicht darum, wie ein Land Spielzeug produziert, sondern wie eine Firma Spielzeug produziert - und wir brauchen einfach strengere Standards in allen Ländern, in denen wir Fabriken haben - in China, Malaysia, Thailand, Indonesien und Mexiko. Und wir müssen auch dafür sorgen, dass sie beachtet werden. Einige Probleme im vergangenen Jahr sind deswegen aufgetreten, weil Leute bewusst unsere Vorgaben umgangen haben. Und das darf nicht wieder passieren.
Das heißt, Sie führen in allen Ländern die gleichen Kontrollen durch?
Eckert: Ja, wobei wir zum Beispiel in Mexiko das Problem mit bleihaltiger Farbe nicht haben. In den Fabriken dort wird Farbe aus den USA verwendet - und wir haben in den USA nur wenig bleihaltige Farbe. Deswegen brauchen wir dort nicht die gleichen Kontrollen. Es ist ja auch so, dass wir seit Jahrzehnten auf Bleigehalt testen und bis zum letzten Jahr nie Probleme hatten.
Würden Sie Ihren Kunden versprechen wollen, dass so etwas nicht wieder passiert?
Eckert: Nein, denn man kann nie niemals sagen. Aber wir haben aus dem letzten Jahr gelernt und ich bin sehr zuversichtlich, dass wir die Probleme behoben haben.
Sind die deutschen Eltern eigentlich besonders sensibel in Hinsicht auf die Sicherheit des Spielzeugs? Und was sind generell die Besonderheiten des deutschen Spielzeugmarktes?
Eckert: Die Märkte ähneln sich eigentlich überwiegend. Deutschland ist ein sehr traditioneller Markt, Produkte, die hier gut laufen, tun das teilweise schon seit langer Zeit. Die deutschen Konsumenten haben sehr hohe Ansprüche an die Qualität des Spielzeugs - aber das ist in den USA, in Frankreich oder Italien ebenso der Fall.
Was verkauft sich denn besonders gut in Deutschland?
Eckert: Barbie ist weiterhin die beliebteste Modepuppe weltweit - und auch in Deutschland läuft Barbie weiterhin sehr gut. Wir haben daneben einen sehr starken Zuwachs in Deutschland bei Fisher Price-Produkten für jüngere Kinder und bei der "Hot Wheels"-Reihe für Jungen.
Was sind die neuen Trends?
Eckert: Die Verbindung von traditionellem Spielzeug mit den neuen Technologien ist der wichtigste Trend. Ein Beispiel ist Barbie - dort haben wir mit "I-design" ein neues Angebot, das eine Mischung aus Mode-Sammelkarten und Online-Spiel darstellt. Die Mädchen können mit diesen Karten Outfits entwerfen - sie können sie aber auch einscannen und auf ihrem Computer hochladen. Dann trägt eine Online-Barbie die Kleider, die das Kind für sie ausgesucht hat, und führt sie auf einem virtuellen Laufsteg vor.
Bedauern Sie die sinkende Bedeutung von traditionellem Spielzeug?
Eckert: Nein, denn traditionelles Spielzeug hat immer noch eine große Bedeutung – vor allem auf dem deutschen Markt. Aber wir müssen dennoch die sich ändernden Interessen der Kinder nachvollziehen und wir tun das, indem wir unser traditionelles Spielzeug mit den neuen Technologien verbinden.
Was macht Ihrer Meinung nach ein gutes Spielzeug aus?
Eckert: Es muss einen Zauber in sich tragen, es hat viel mit Überraschung und mit Vergnügen zu tun. Es gibt einfach Spielzeug, dem man ansieht, dass es einem Kind ein Leuchten in die Augen zaubern wird.
Muss Spielzeug auch Herausforderung bieten?
Eckert: Nein, manches Spielzeug sollte einfach unterhaltsam sein. Anderes Spielzeug fördert mehr die Entwicklung. Und wir hören auch von immer mehr Müttern, dass sie sich Lern-Spielzeug für ihre Kinder wünschen. Aber Spielzeug sollte manchmal auch einfach nur Spaß sein und Anregung für Kinder, ihre Fantasie zu benutzen.
Wie viel Spielzeug braucht ein Kind Ihrer Meinung nach?
Eckert: Oh, ich glaube, ein Kind kann gar nicht genug Spielzeug haben!
In den Mattel Imagination Centern beobachten Sie regelmäßig Kinder beim Spielen mit neuen Produkten - welche Erkenntnisse gewinnen Sie daraus?
Dr. Michael Shore: Wir erfahren, ob ihnen die Spiele gefallen, ob sie sie verstehen, ob wir vielleicht etwas an ihnen verbessern müssen - oder ein Produkt vielleicht nicht ankommt und entsprechend gar nicht erst auf den Markt gelangen sollte. Außerdem erfahren wir viel darüber, wie Kinder interagieren und was sie glücklich macht.
Beobachten Sie auch, dass Mädchen und Jungen unterschiedlich spielen?
Shore: Ja. Wenn Mädchen spielen, dann geht es häufig um das Thema "Aufziehen", "Kümmern" - sie bemuttern gerne, fühlen sich zu Babys hingezogen. Bei den Jungen steht mehr die Aktion im Vordergrund, sie mögen Wettbewerbe, Herausforderungen und wollen etwas organisieren. Es gibt aber auch Gemeinsamkeiten – beide mögen das Spiel mit Rollen.
Und wie kommen Sie zu neuen Ideen für Ihr Spielzeug?
Shore: Durch unterschiedliche Quellen: Wenn die Kinder zum Beispiel mit unseren Produkten spielen, fragen wir sie, was ihrer Meinung nach dieses Spielzeug zusätzlich noch können sollte. Daraus entwickeln wir dann neue Ideen. Ein anderer Weg ist, das wir beobachten, wohin sich Kinder orientieren - und das ist bei Jungen und Mädchen vor allem das Internet, das sind Computerspiele, die digitale Welt.
Sie sagen, dass es mehr Übereinstimmungen als Unterschiede im Spielverhalten von Kindern in der westlichen Welt gibt. Wo aber liegen die Unterschiede?
Shore: Mädchen - egal ob in den USA, in England, in Frankreich oder Deutschland - lieben es, mit Puppen zu spielen. Aber es gibt kleinere kulturelle Unterschiede - in Frankreich sind zum Beispiel Puppen mit dunkleren Haaren beliebter. In Deutschland ist die Begeisterung für Pferdespielzeug wesentlich größer als in anderen Ländern. Und die deutschen Mädchen lieben Prinzessinnen-Geschichten - mehr als hippe, trendige Themen.