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Kranke Eltern Kinder haben trotz Krankheit

Wir wollen Kinder - trotz allem! Chronisch kranke Mütter berichten von dem Glück mit Familie. Und darüber, wie sie ihren Alltag meistern.

"Durch meine Kinder bin ich zum Kämpfer geworden"

Kranke Eltern : Kinder haben trotz Krankheit
© Peter Jankowski


Karin Biller, zwei Kinder, hat eine extrem seltene Erbkrankheit


Ich leide unter der sehr seltenen Muskelerkrankung "Hyperkaliämische periodische Lähmung", auch Gamstorp-Syndrom genannt. Sie wird dominant vererbt, meine Mutter und meine Schwester sind ebenfalls betroffen. Und leider auch meine Tochter Verena. Sie hat schon mit knapp vier Jahren die ersten Symptome.

Ich habe erst sehr spät von der Erkrankung erfahren. Von meinem ersten Anfall bis zur Diagnose vergingen zehn Jahre. Lang wurde an mir "herumgedoktert" und bis heute gibt es keine Therapie, die anschlägt. Ich hoffe jeden Tag, dass ich mich bewegen kann und keine Lähmung bekomme.
Die Lähmungen halten bei mir ca. etwa eine Woche an und dann versuche ich wieder wie ein Kleinkind laufen zu lernen. Im Schnitt benötige ich 14 bis 21 Tage bis ich wieder ohne feinmotorische Defizite laufen kann und annähernd beschwerdefrei bin. Die Attacken treffen mich meist sehr unvorbereitet, in den unterschiedlichsten Situationen. Selten habe ich Glück und kann die Lähmungen abschwächen, aber das gelingt mir leider nicht immer.

Ich kämpfte für den ersten Blick auf mein zartes Baby

Für mich stand von klein auf fest, dass ich Kinder möchte. Dann hatte ich 1996 die erste Lähmung und ich dachte: 'Nein, jetzt kannst du keine Kinder mehr bekommen!' Das Gespräch mit einer Humangenetikerin machte mir Hoffnung. Sie sah keinen absolut zwingenden Grund, mir von einer Schwangerschaft abzuraten. Als ich mit Verena schwanger war, wünschte ich mir eine Spontangeburt. Doch leider kam alles ganz anders. Vom örtlichen Krankenhaus, in dem ich entbinden wollte, wurde ich in eine Uniklinik verlegt. Dort wurde ein Notkaiserschnitt gemacht. Völlig getroffen hat mich, als der Chefarzt der Klinik zu mir sagte, ich dürfe erst zu meinem Kind, wenn ich wieder laufen könne. Da brach fast eine Welt zusammen. Nach dem anfänglichen Schock wollte nur noch eins: zu meinem Kind. Ich kämpft und wurde mit einem kurzen ersten Blick auf mein kleines, zartes Baby belohnt. Seit dem Zeitpunkt wusste ich, dass ich für mein Kind und meine zukünftigen Kinder alles tun werde.

Ich will meine Kinder so lange wie möglich abschirmen

Mittlerweile sind wir zu viert, unsere Tochter Marejke ist im September ein Jahr alt geworden. Durch Verenas schwierige Geburt und ähnliche Probleme bei Marejke wurde mir immer mehr das Ausmaß meiner Krankheit bewusst. Was es heißt, wenn ich mich mit einer Lähmung nicht bewegen kann, wie es auf meine Kinder wirkt. Durch meine Kinder bin ich mehr und mehr zum Kämpfer geworden. Ich muss für meine Kinder stark sein. Und ich versuche sie solange wie möglich abzuschirmen. Wenn sie älter sind und es besser verstehen, werde ich es ihnen erklären, was mit mir und vielleicht auch mit ihnen passiert.

Es bricht mir fast das Herz, wenn ich meine Kinder nicht hochheben kann

Ich will meinen Kindern vorleben, dass man mit der Krankheit leben kann. Auch, wenn mir das nicht immer leicht fällt. In manchen Situationen sogar besonders schwer. Es bricht mir fast das Herz, wenn ich nur leichte Beschwerden habe und meine Kinder nicht hochnehmen kann, weil ich die Kraft nicht aufbringen kann. Nach ein paar Tagen ist der Spuk vorbei, glücklicherweise. Aber da die Lähmungen oft regelmäßig auftreten, ist das Problem leider wiederkehrend. Im Freundeskreis wissen die meisten über die Erkrankung Bescheid. Ich denke mir, wenn ich offensiv angebe, was ich habe, fällt es leichter zu verstehen. Vor Jahren war das für mich weniger denkbar.

Ich hätte nie mit so viel Ablehnung gerechnet

Von außen kommen oft negative Erfahrungen. Oft schon wurde ich schief von der Seite angesehen, wenn ich mich, nach einer Lähmung wieder auf die Straße getraut habe. Es gab auch Außenstehende, die mich dann gefragt haben, warum ich ein Kind bekommen hätte. Das hat mich zutiefst erschüttert. Selbst ein Mediziner war der Meinung, ich solle besser keine Kinder bekommen, sie hätten immer unter mir zu leiden. Ich hätte nie mit so viel Ablehnung aus meinem Umfeld gerechnet. Auch deshalb bin ich heute mit Informationen sparsamer. Ich überlege genau, wem ich wann, wie viel erkläre.

Ich würde mir den Kontakt zu anderen Betroffenen wünschen. Gerade für Verena, damit sie auch von anderen Kindern sieht und lernt, wie sie mit der Krankheit umgehen. So gesehen, die Erkrankung aus kindlicher Perspektive. Es wäre toll, wenn sie sich langfristig auch austauschen könnten. Ich denke ein Kind sieht es anders, als ein Erwachsener.

"Wenn meine Kinder lachen, ist alles wieder gut"

Andrea Streck, zwei Kinder, hat Psoriasis-Arthritis

Ich habe Psoriasis-Arthritis, eine entzündliche Gelenkerkrankung, die in Schüben auftritt. Dazu kommen Knorpelschäden in beiden Knien und eine Fußlähmung. Die Diagnose habe ich bereits seit 2003 - mein Mann und ich haben uns bewusst dafür entschieden, trotzdem Kinder zu bekommen. Und dann kamen gleich zwei auf einen Schlag! Durch die Zwillingsschwangerschaft war ich automatisch Risikopatientin, aber bis zum 6. Monat verlief die Schwangerschaft reibungslos. Danach musste ich viel liegen und war krankgeschrieben. Meine Jungs habe in der 34. SSW per Kaiserschnitt geboren, da sie querlagen.

Wir wissen, was wir Tolles geschafft haben

Kranke Eltern : Kinder haben trotz Krankheit
© astrid-fotografie.ch

Meine Jungs sind heute zwei Jahre alt und akzeptieren schon jetzt, dass Mami nicht rennen kann und einfach langsamer ist. Ich kann ihnen nicht hinterherlaufen, das Bücken fällt mir schwer - alles, was man mit zwei kleinen Kindern eigentlich ständig macht. Die beiden sind besonders lieb zu mir, wenn ich mal wieder nicht so kann. Dann kommen sie zu mir und streicheln und küssen mich, sodass ich die Krankheit eigentlich ganz schnell wieder vergesse. Wenn sie lachen, dann ist alles gut und wir wissen, was wir Tolles geschafft haben. Mein Mann und ich kümmern uns gemeinsam um die Kinder und sogar den Haushalt, auch wenn ich Hausfrau bin.

Mein Mann übernimmt gerne Nachtschichten, besonders wenn ich gerade wieder einen Schub habe. Und er kümmert sich am Wochenende reizend um die Zwillinge, unternimmt alleine mit ihnen etwas, wenn ich Ruhe brauche

Ich fühle mich oft ausgegrenzt

Und außerhalb meiner Familie? Ich fühle mich aus der Gesellschaft ausgegrenzt, weil es häufig heißt, kranke Leute dürfen oder sollen keine Kinder bekommen. Aber vielleicht ist genau das die Medizin die jemand braucht, der krank ist. Kinder machen das Leben lebenswerter.

"Mama kann nicht gut toben"

Sabine Rufin*, zwei Kinder, leidet an Fibromyalgie

Ich habe Fibromyalgie, eine Art Weichteilrheuma. Sie tritt bei mir schubweise auf und zum Teil habe ich schon beim Eincremen nach dem Duschen höllische Schmerzen. Auch viele Bewegungen fallen mir schwer. Die Diagnose habe ich mit 24 Jahren bekommen. Da meine Mutter auch daran leidet, konnte ich mich gezielt testen lassen. Fibromyalgie ist leider noch nicht so recht anerkannt. Sie tritt bei mir verstärkt auf, wenn ich Stress habe (ich bin Lehrerin...). Auf Medikation in Form von Psychopharmaka verzichte ich aber bislang, da mich meine Familie auffängt.

In der ersten Schwangerschaft ging es mir gar nicht gut, ich hatte starke Schmerzen und heftige Stimmungsschwankungen. Dennoch: Die Geburt habe ich ohne jegliche Schmerzmittel überstanden, sodass ich das zweite Kind sogar im Geburtshaus entbunden habe. Hier hatte ich die nötige Ruhe, mich nur auf die Geburt zu konzentrieren, ohne Angst.

Ich genieße das Leben mit Kindern sehr

Die Fibromyalgie wirkt sich leider auch auf das Stillen aus, bei unserer Tochter Finja (heute 4) war das die Hölle! Jetzt ist Sohn Justus (3 Monate) da und mit der Betreuung meiner Hebamme habe ich meine Beschwerden weitestgehend im Griff, ich stille Justus voll (und fast schmerzfrei!) und genieße das Leben mit jetzt zwei Kindern sehr.

Unsere Finja hat schon früh gelernt, dass Mami einfach nicht gut mit ihr toben kann. Dafür ist Papa da. Wir nutzen unsere Zeit intensiv mit Malen, Basteln, Kochen, Backen und anderen Dingen, die ich kann. Finja ist sehr feinfühlig und merkt, wenn es mir nicht gut geht. Beide Kinder sind mein ganzer Stolz, wir halten fest zusammen!

Mein Fels in der Brandung

Mein Mann ist mein Fels in der Brandung! Was ich in der Kindererziehung nicht kann, erledigt er und er merkt inzwischen auch, wenn es mir nicht gut geht. Dann nimmt er zum Beispiel die Kinder und lässt mir ein heißes Bad ein, damit ich etwas zur Ruhe komme.

Ich finde nicht gut, dass gerade Krankheiten, die nicht "gesellschaftlich anerkannt" sind, es einem schwer machen, Anerkennung zu finden. Ich werde von vielen Ärzten nicht ernst genommen und auch die erste Hebamme hat mein Leiden komplett ignoriert.



*Name von der Redaktion geändert

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