Früher war alles klar: Man war katholisch oder evangelisch, besuchte an den hohen Fest- und Feiertagen den Gottesdienst, ging nachmittags zum Religionsunterricht und irgendwann zur Konfirmation oder Firmung. Heute sitzen Eltern in der Küche und zerbrechen sich den Kopf darüber, was in Sachen Glauben für ihr Kind wichtig ist. Soll man abends beten? Wie über Gott reden, wenn man selbst nicht an ihn glaubt? Soll Boris in den katholischen Unterricht gehen oder doch lieber in den Ethikunterricht? Zu dem netten, aber konservativen Pfarrer oder zu dem jungen, modernen?
Oft hapert es schon an Grundkenntnissen
Zumindest in einem Punkt sind sich die meisten Eltern einig: Ihrem Kind sollte der kulturgeschichtliche Hintergrund des jüdisch-christlichen Abendlandes vertraut sein. Sonst wird es schwierig, eine gotische Kathedrale zu verstehen. Aber Heranwachsenden hapert es heute schon an Grundkenntnissen.
Einen ethischen Leitfaden vorgeben
Auch wenn manche Eltern der Institution Kirche skeptisch gegenüberstehen und keine Religionszugehörigkeit für ihr Kind wünschen, so wollen sie es doch dazu befähigen, ethisch geleitete Entscheidungen zu treffen. Der Lehrer und Rabbiner Steven Carr Reuben hat Lebensregeln erstellt, die ihre Wurzeln in unserer Kultur und in den Zehn Geboten haben und ein Leitfaden sein können, egal, welcher oder ob man einer Konfession angehört:
- "Erkenne die Freiheit als ein menschliches Grundrecht an."
- "Richte dich nicht nach Werten, die deiner Würde als Mensch schaden."
- "Sei verlässlich."
- "Nimm dein Leben in die Hand und erfülle es mit Sinn."
- "Respektiere deine Familie."
- "Achte das Leben."
- "Bemühe dich um liebevolle, vertrauensvolle Beziehungen zu anderen."
- "Stiehl nicht."
- "Lüge nicht."
- "Sei dankbar für das, was du hast."
Die wichtigsten Geschichten und Rituale vermitteln
Neben diesen ethischen Lebensregeln sollten Kinder die wichtigsten Geschichten aus dem Alten und Neuen Testament kennen: die Schöpfungsgeschichte, die Zehn Gebote, das Leben von Abraham, Moses und Jesus und die Auferstehung. Auch die wichtigsten Feiertage und Riten der anderen Weltreligionen – Judentum, Islam, Buddhismus und Hinduismus – sollten ihnen vertraut sein.
Was bedeuten die Feiertage?
Vielleicht denkst Du anders darüber, aber in einer multikulturellen Gesellschaft ist die Vermittlung religiöser Kenntnisse nicht allein Aufgabe von Kindergarten und Schule, sondern auch von uns Eltern. Das Eingebettetsein in die Jahreszeiten mit ihren Fest- und Feiertagen gibt Kindern Sicherheit und Geborgenheit durch einen zuverlässig wiederkehrenden Rhythmus. Erst kommt Erntedank, dann Sankt Martin, Advent und Weihnachten. Das Jahr beginnt mit den Heiligen Drei Königen, danach kommt Fasching, dann Ostern und schließlich Pfingsten.
Gemeinsam feiern
Sinnvoll ist das Feiern von Festtagen allerdings nur, wenn die Sache nicht in Konsum- und Geschenkorgien ausartet. Wesentlicher als irgendetwas zu kaufen, ist die gemeinsame Vorbereitung religiöser Feste. Dazu gehören vor allem Geschichten und Lieder und die Einladung von Freunden, Verwandten und Nachbarn. Ein offenes Haus nimmt übrigens viel von der bedrückenden Langeweile, die manche mit Feiertagen verbinden.
Sich von anderen Traditionen inspirieren lassen
Lass Dich ruhig auch von anderen Traditionen inspirieren. Feier Weihnachten wie in Skandinavien am Morgen des 25. Dezember. Oder wie in Frankreich bei einer Mitternachtsmesse mit anschließendem Restaurantbesuch (dafür begeistern sich besonders Teenager). Entzünde ein Osterfeuer aus alten Gartenabfällen, in dem symbolisch verbrannt wird, was einem auf der Seele liegt. Nichts fördert den Respekt vor anderen Religionen und Traditionen so sehr wie gemeinsam zu feiern oder zu beten. Besuch einmal einen jüdischen Gottesdienst. Wenn Du unsicher bist, ruf vorher bei der Gemeinde an. Es gibt christlich-jüdische Gesellschaften, die gemeinsam Ostern und Pessach ausrichten und zusammen Advent und Chanukka feiern.
Rege an, dass in Kindergarten oder Grundschule auch jüdische und muslimische Feiertage begangen werden. Bei all dem geht es nicht um religiöses Allerlei, sondern um Vielfalt und durchaus auch um die Erfahrung, dass nicht jedes Kind und jedes Elternpaar in gleicher Weise an allem beteiligt ist, also um Respekt und Toleranz.
Zeige Deinem Kind, wie schön die Welt ist
Versuch, Deinem Kind die Vorstellung eines liebenden Gottes mit auf den Weg zu geben, indem Du zeigst, wie schön diese Welt ist. Dazu gehört, den Tag mit seinem Kind friedlich und heiter ausklingen zu lassen. Mit einem Gebet oder Lied ("Der Mond ist aufgegangen", "Weißt du, wie viel Sternlein stehen?"). Bemerkungen, wie "Kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort" sollte man vermeiden. In unseren Ohren mögen sie harmlos klingen, in einer Kinderseele ziehen vielleicht düstere Wolken auf. Gott sollte weder eine Quelle der Angst sein, noch ein Instrument der Kontrolle ("Gott weiß, wenn du lügst"). Völlig in Ordnung ist es dagegen, Gott mit Sinn für Spaß darzustellen. Wenn es donnert, kann man beispielsweise sagen: "Jetzt kegelt der Himmelsvater mit seinen Engeln."
Wie sieht Gott aus?
Oft wollen Kinder im Vorschulalter wissen, wie Gott aussieht. Am besten, man gibt dann die Frage zurück: "Was meinst du denn?" Die meisten Kinder stellen sich Gott als alten, weißhaarigen Herrn vor. Dagegen ist gar nichts einzuwenden. Allerdings leuchtet schon Fünf- und Sechsjährigen ein, wenn man erklärt: "Gott hat keine bestimmte Gestalt, weil sich sonst Menschen, die beispielsweise keine weiße Haut haben, ausgeschlossen fühlen würden." Weniger leicht ist es, Worte dafür zu finden, warum es Krieg, Gewalt, Hunger, Krankheit und Naturkatastrophen gibt, da Gott doch gut ist.
Warum lässt Gott das zu?
Ab Vorschulalter verstehen Kinder allmählich, was damit gemeint ist, dass Gott den Menschen die Freiheit geschenkt hat, sich zwischen Gut und Böse entscheiden zu können. Allerdings ist es auch keine Schande, zu gestehen, dass man nicht weiß, warum ein Kind an Krebs sterben musste oder ein Erdbeben eine ganze Stadt zerstört hat.