Keine Zeit für Sex?
"Wenn Paare mehr als drei Monate nicht miteinander schlafen, sollten sie sich fragen, was bei ihnen nicht stimmt." So ähnlich formulierte es neulich mal wieder ein Experte in einer großen Frauenzeitschrift. Botschaft verstanden: Nur andauernder Supersex ist normal. Meine Ehe muss demnach am Ende sein, denn Martin und ich haben schon sechs Monate nicht miteinander geschlafen. Mindestens.
Lieber Experte, na und? Ich liebe meinen Mann trotzdem. Und er mich. Es ist eben so, dass wir zurzeit gar keinen Sex haben können. Wir haben keine Zeit. Sollen wir es etwa morgens machen, während ich Max wickle, gleichzeitig Sophie für die Schule wach rüttle und drei Arten von Heißgetränken koche? Oder lieber abends, wenn die Monster endlich zähnegeputzt im Bett liegen?
Wenn die Lust sich aus dem Staub macht
Es gibt Zeiten, da machen Couchkissen unglaublich an. Und wenn man sich himmlische Ruhe ersehnt, sollte man sie doch ohne schlechtes Gewissen genießen dürfen. Es stimmt, ich habe im Moment nicht so viel Lust wie früher. Als wir 22 waren, versprachen Martin und ich uns gegenseitig, uns sofort zu trennen, wenn wir uns irgendwann nicht mehr attraktiv für einander stylen und weniger als einmal in der Woche Sex haben. Aber wie hätten wir da wissen können, dass nicht äußerlicher Verfall unser Feind ist, sondern veränderte Rollen in der Beziehung?
Jetzt bin ich eben kein kokettes Mädchen mehr, sondern eine organisierwütige Mutter. Und Martin ist ein Vater in Elternteilzeit, der gelegentlich in Jogginghosen herumschlurft und noch vor wenigen Monaten Fläschchen geschüttelt hat. Beides sehr unsexy - aber unser Leben. Und irgendwie genau das Leben, das ich mir mit 22 für meine Zukunft gewünscht habe.
Spaß haben ist jetzt wichtiger
Okay, das mit dem Sex hatte ich so nicht erwartet. Wir tun es selten. Letztes Jahr vielleicht fünfmal, zuletzt nach dem Sommerurlaub. Aber wir haben eine Menge Spaß! Unser Humor hat sich mit den Kindern prächtig entwickelt. Ehrlich, wer nicht lachen will, kann das Thema Kinder lassen. Sophie hat uns neulich mit meinen Lippenstiften eine Actionfassung von Rotkäppchen vorgespielt. Wir haben uns weggeschmissen. Und Max räumt jetzt immer die untere Etage des Sofatischs leer, damit er wie ein Höhlenforscher zwischen den Platten robben kann. Notfalls, bis er einschläft. Der Anblick hat mich drei Bürotage lang bei Laune gehalten.
Überhaupt, wie der Kleine mich anschmust. Wie süß er ist, wenn er mit seinen Ärmchen meine Beine umschlingt, mich mit großen Augen anlacht. Wie lieb ich ihn habe. Und Sophie auch. Sorry, ich bin vergeben – an meine Kinder. Da kann ich einfach nicht mit einem anderen rummachen, mir fehlt einfach der Kopf dafür. Und wenn ich sehe, wie Martin Sophie durchkitzelt oder mit Klimperwimpern von ihr angeflirtet wird, weil sie etwas will, weiß ich, dass ich nicht die Einzige bin, die einen anderen hat.
Stimmt etwas mit uns nicht?
Klar nölen Martin und ich uns an: Wann kann ich dich mal wieder spüren? Wann beachtest du mich? Mach dich doch mal schön! Ich bin eh schon impotent, haha. In solchen Momenten fragen wir uns, was mit uns nicht stimmt. Richtig aufregen können wir uns aber nicht. Wir ahnen, dass diese Durststrecke nicht unser Untergang sein wird.
Immerhin teilen wir die Erinnerung an all den guten, aufregenden, zärtlichen Sex, den wir bisher hatten. Wir haben schließlich nicht zufällig geheiratet, sondern weil wir uns verstehen. Auch im Bett. Das ist gerade schwer. Aber deshalb muss man doch nicht gleich die ganze Partnerschaft infrage stellen! Wer weiß, was noch kommt. Best Ager haben tollen Sex, versichern Experten. Wir wären echt blöd, das nicht abwarten zu können.
Uns stehen noch Sternstunden bevor.