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Studie Die deutsche Angst vorm Kinderkriegen

Perfekte Mutter sein und gleichzeitig total gelassen wirken. Das Kind in den Mittelpunkt stellen und dabei die Beziehung zum Partner nicht vernachlässigen. Das Thema Kinderkriegen ist für die meisten Frauen heute mit vielen Unsicherheiten und Ängsten verknüpft. Sie wünschen sich eine Entlastung - vor allem von dem Ideal der perfekten Mutter. Eine aktuelle Studie zum Thema gibt Einblick in die Situation der Frauen im Jahr 2010.

Wunsch: Gelassenheit - Realität: Perfektionsdruck

Studie : Die deutsche Angst vorm Kinderkriegen
© Graham Heywood

Der schöne Schein trügt. Viele deutsche Mütter sind verunsichert, fühlen sich oft genug überfordert und sehen sich einem permanenten Perfektionsdruck ausgesetzt. Zwar tragen 78 Prozent der befragten Frauen Gelassenheit als große Vision beim Thema Kinderkriegen und Kinderhaben vor sich her, doch nur 44 Prozent fühlen sich beim Thema Kinder wirklich entspannt. Tief in ihnen brodeln elementare Verlustängste und eine tiefe Unzufriedenheit. Sie sehen sich dem Druck ausgesetzt, als Mutter stets "funktionieren2 zu müssen und sich von ihrer inneren Zerrissenheit zwischen liebender Mutter und attraktiver bzw. erfolgreicher Frau nichts anmerken lassen zu dürfen. Kinderkriegen ist in Deutschland keine Selbstverständlichkeit mehr.

Was wünschen sich Frauen, woran zweifeln sie?

In einer tiefenpsychologischen Studie hat sich das Kölner rheingold Institut* jetzt ausführlich mit den deutschen Mamas beschäftigt. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass zahlreiche Mütter vom gesellschaftlichen Anspruchs-Ideal der entspannten Mutter weit entfernt sind. Gelassenheit bleibt für die Frauen ein unerfüllter Wunsch.

Kinder als Kostenfaktor und Kostbarkeit

Die fehlende Gelassenheit spiegelt sich auch in den Ängsten der Frauen wider. Sowohl die Angst, durch eigene Kinder finanziell und somit sozial abzusteigen als auch die Unsicherheit, vom Partner verlassen zu werden und sich dann als alleinerziehende Mutter durchs Leben schlagen zu müssen, treiben die Frauen um. Konkret empfinden 58 Prozent der befragten Frauen Kinder als Kostenfaktor, den man sich leisten können muss, 42 Prozent verbinden mit dem Mutterwerden sogar konkrete finanzielle Sorgen und Ängste. Andererseits empfinden die Mütter ihre Kinder als Kostbarkeit (61 Prozent), die wie eine Art Rohdiamant geschliffen werden muss. Und dazu ist ein entspannter Umgang nach Auffassung der Mütter eine wichtige Voraussetzung. Die angestrebte Entspanntheit ist für die Mütter aber enorm anstrengend. Zumal sie damit ihre Unsicherheiten und Sorgen nur oberflächlich verdecken.

Eine Mutter wird geboren, die Frau stirbt?

Auch die Sorge, mit einem Kind nicht mehr Frau sondern nur noch Mutter zu sein, soll durch die ganz betonte Entspanntheit überdeckt werden. Für Frauen aber wird mit der Geburt eines Kindes auch die Mutter geboren, die Frau in ihnen hingegen droht zu kurz zu kommen. Dieser Identitätswechsel bereitet den Frauen Schwierigkeiten, sie verhalten sich wie multiple Persönlichkeiten. Einerseits möchten sie voll und ganz Mutter sein, andererseits aber auch als Frau keine Veränderungen zulassen und die attraktive Lebenspartnerin bleiben, die selbstständig ihren Weg geht, so als hätte sie gar kein Kind. Dies führt zu Rechtfertigungszwängen, denn die Mütter von heute wollen weder als Glucke ihrer Kinder gelten, noch als Rabenmutter ihre Brut vernachlässigen. Sie wollen sich selbst verwirklichen, aber keinesfalls zu egoistisch einer eigenen Selbstgestaltung folgen. Dass das mit dem Partner alles nicht so einfach ist, gesteht jede zweite Frau offen ein: Rund 50 Prozent geben an, dass das Kind in der Beziehung im Mittelpunkt stehe und die Partnerschaft in den Hintergrund rücke.

Kinderkriegen soll wieder "normal" werden

Kinderkriegen ist nach Meinung der Mütter von heute nicht mehr selbstverständlich, nicht mehr "völlig normal". Genau das aber war es für Frauen einmal und sollte es, so die Ergebnisse der Studie, nach Meinung der Frauen auch wieder werden. Die heutige Generation Mütter verteidigt ihre gewählte Mütterrolle vehement, es werden sogar regelrechte Feindbilder aufgebaut. Die alten Mütter mit Perfektionszwängen gegen die jungen, spontanen Mütter; die arbeitenden Mütter gegen die Vollzeitmamas. Die jeweils anderen Mütter werden mehr oder minder glaubhaft verurteilt, sie sehen sich in der Not, das eigene, selbst gewählte Bild stets verteidigen und gerechtfertigen zu müssen.




*Im Auftrag von Milupa

Die Angst, nicht mehr attraktiv zu sein

Schon bei der Frage, Mutter werden zu wollen, oder nicht, geraten viele Frauen in einen ernsthaften Konflikt. Auch hier reagieren sie zunächst äußerlich gelassen, um dem Ideal zu entsprechen. Kinderkriegen bedeutet für die Frauen aber Festlegung und Unfreiheit sowie Verlust und Auflösung des eigenen Ichs. Viele Frauen haben Angst vor der Unsicherheit, nicht zu wissen, was auf sie zukommt. Sie wollen sich nicht in Perfektionszwänge drücken lassen, geraten aber nach der Geburt unweigerlich hinein. Frauen von heute möchten sich gemeinsam mit dem Partner austoben, den Partner für sich haben und nicht mit einem Kind teilen. Sie wollen von ihm als Frau, nicht als Mutter gesehen werden.

Auf das Muttersein ganz verzichten, wollen sie allerdings auch nicht, denn verpassen möchten diese essentielle Option nur die wenigsten. 83 Prozent der befragten Frauen empfinden Muttersein als "wunderschön" oder aber "bereichernd" (76 Prozent). Die Frage des richtigen Zeitpunkts führt allerdings schnell zur nächsten inneren Zerrissenheit, die ebenfalls ganz erheblich von gesellschaftlichen Zwängen beeinflusst wird. Auch hier fühlen sich viele Frauen durch den Perfektions- und Erwartungsdruck ihres gesellschaftlichen Umfeldes fremdbestimmt und unmündig.

Mütter fühlen sich und ihre Probleme ignoriert

Doch was hilft den Frauen aus dieser verfahrenen Situation? Was wünschen sich junge Mütter, wie glauben sie, kann ihnen geholfen werden? Insgesamt ist der Wunsch nach einer kinderfreundlichen Umgebung, die das Kinderkriegen und Kinderhaben in Deutschland wieder selbstverständlicher macht, ein zentraler Wunsch der Mütter. Frauen wollen wieder das Gefühl bekommen: "Mütter und Kinder, ihr seid willkommen." Die heutigen Mamas wünschen sich aber auch konkrete Kleinigkeiten wie Kinderstühle in Restaurants, mehr öffentliche Wickeltische oder gesponserte Spielplätze. Oder aber einfachere Wiedereinstiegsmöglichkeiten in den Job, bessere Teilzeitregelungen oder vermehrte Kinderbetreuungsangebote.

Der Traum vom entspannten Muttersein

Der eigentliche Kern aber, der zu einer wirklichen Entlastung der Mütter führen würde, ist die Änderung des eigenen Selbstverständnisses, der eigenen Ansprüche und Ideale. Das sehen die Mütter auch selbst, sie spüren, dass es ihre eigenen Ansprüche sind, die sie in die Zerrissenheit treiben. Und dass sie diese vor allem selbst aber auch mit Unterstützung der Gesellschaft ändern können. Weniger Strenge zu sich selbst, wäre hier für die Mütter weniger anstrengend. Dies kann nach Auffassung der Mütter aber nur durch eine Änderung des gesamten Mütterideals gelingen, da ansonsten der Zwang zur demonstrativen Gelassenheit zu groß ist.

Trend weg von der perfekten Mutter

Eine spürbare Entlastungsfunktion hätte hier nach Meinung der Frauen zum Beispiel ein Mutterbild, welches auch unperfekte Mütter positiv und liebevoll darstellt. Das Mütterbild muss nach Auffassung vieler Frauen revolutioniert werden, fanden die Kölner Forscher in der Studie heraus. Ähnlich wie den Trend weg vom Wunsch nach dem perfekten Körper (Dove-Kampagne), wünschen sich die Mütter einen Trend weg von der perfekten Mutter. Und hin zur individuellen, selbstbestimmten Frau und Mutter, die ihren eignen Weg geht und auf ihr Bauchgefühl hören kann und darf.

Frauen suchen nach Fürsprechern

Das Kinderkriegen muss, so die Frauen in der Untersuchung, in Deutschland wieder normal und unspektakulär werden. Der Mut zum Unperfekten sollte dem Perfektionszwang entgegengesetzt werden, Mütter suchen Fürsprecher, die sie in diesem unbewusst geäußerten Wunsch unterstützen. Interessant war für die rheingold-Forscher hierbei vor allem, dass die Mamas von heute ungestützt weit mehr Vertrauen in Unternehmen wie Pampers, Ikea oder Milupa haben, als in die deutsche Politik. Unternehmen sollten sich stark machen für Mütter, so ein Ergebnis der Studie. Nach Meinung der Mütter zum Beispiel mit Projekten und Kampagnen, die einen inneren Haltungswechsel der Gesellschaft zum Anspruch an Mütter bewirken. Erst dann könne die bis jetzt meist nur demonstrative Entspanntheit auch wirklich wieder zu echter Gelassenheit werden.

Studienfakten

Für die Studie "Kinderkriegen in Deutschland" wurden im Herbst 2010 insgesamt über 1.000 Frauen interviewt - Mütter von Babys bis 12 Monate, Schwangere und junge Frauen mit und ohne Kinderwunsch. Im tiefenpsychlogischen Teil der Untersuchung wurden 70 Frauen in jeweils zweistündigen Tiefeninterviews von Psychologen des rheingold-Instituts befragt, um auch die unbewussten Einflussfaktoren bestimmen zu können und ein klares Bild von der Situation der Mütter in Deutschland zu erhalten.

Was sagen Sie zu den Ergebnissen der Studie?

Jetzt ist Ihre Meinung gefragt: Was halten Sie von den Ergebnissen der Studie? Erkennen Sie sich in den Aussagen der befragten Mütter wieder? Oder halten Sie das Gesamtbild für überzogen? Posten Sie Ihre Meinung in Form eines Kommentars unter diesen Artikel

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