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Familienpolitik "Die FDP würde das Betreuungsgeld abschaffen!"

Was brauchen Familien wirklich? Warum die Kehrtwende beim Betreuungsgeld? Diesen und weiteren Fragen stellte sich die familienpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Miriam Gruß, bei ihrem Besuch in der ELTERN-Redaktion.

Kein gängiges Lebensmodell

"Im Gegensatz zu unserem Koalitionspartner haben wir ein sehr weites Familienmodell", setzt Miriam Gruß einen Seitenhieb auf die aktuelle Diskussion um die starre Haltung von CDU und CSU zur Gleichstellung der so genannten Homo-Ehe. "Für die FDP ist Familie, wo Menschen generationsübergreifend füreinander Verantwortung übernehmen". Deshalb wolle die Partei auch kein Lebensmodell bevorzugt fördern, sondern Wahlfreiheit und Chancengleichheit für alle ermöglichen.

Miriam Gruß selbst geht da schon mal mit gutem Beispiel voran - auch ihr eigenes Lebensmodell ist in Deutschland noch immer alles andere als gängig: 2005 wurde die heute 37-Jährige in den Bundestag gewählt. Damals schrieb sie noch an ihrer - dann nicht mehr fertiggestellten - Promotion, ihr Mann arbeitete als selbstständiger Finanzberater. Nachdem sie verschiedene Betreuungsformen für ihren mittlerweile achtjährigen Sohn ausprobiert hatten, gab ihr Mann vor drei Jahren schließlich seine Berufstätigkeit auf. Seitdem ist Miriam Gruß als Mitglied des Bundestages, familienpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion sowie als Generalsekretärin der bayerischen FDP die Alleinverdienerin in der Familie.

Sie weiß also, wovon sie spricht, wenn es um gleichberechtigte Partnerschaften, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder überkommene Rollenmuster geht. Und das zeigt sich auch in der Diskussion mit der ELTERN-Redaktion.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf - reine Privatsache?

Freimütig bekennt die Politikerin, dass es für sie durchaus eine Herausforderung gewesen sei, als Frau die Rolle des Familienernährers und damit die finanzielle Verantwortung zu übernehmen. Ein solches Modell stelle die Gesellschaft wie auch das einzelne Paar noch immer vor Herausforderungen. Aber: "Kinder profitieren meiner Erfahrung nach davon, wenn der männliche Part präsent ist."

Überhaupt sieht Miriam Gruß im Abbau von Stereotypen und Geschlechterklischees den einzigen Weg zu einer wirklichen Gleichberechtigung von Mann und Frau - in der Partnerschaft wie auch in der Arbeitswelt. Wie in der FDP üblich, steht sie einem zu starken Einfluss des Staates dabei grundsätzlich skeptisch gegenüber. Das gilt natürlich auch für eine Frauenquote. Allerdings gibt auch Gruß auf Nachfrage zu, dass eine zeitlich befristete Quote für Frauen in Führungspositionen unter Umständen doch der einzige Weg sein könnte, die Entwicklung zu beschleunigen. Dennoch gelte nach wie vor: "Die FDP möchte so wenig staatliche Einmischung wie möglich. Klar, in der Sozialpolitik ist das nötig, etwa beim Kinderschutz - aber nicht bei einer familienfreundlichen Unternehmenskultur."

Auch gebe es viele positive Beispiele von Firmen, die mit Betriebskindergärten und flexiblen Arbeitszeitmodellen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern würden - auch wenn hier vor allem kleinere Betriebe noch Nachholbedarf hätten.

"Letztlich haben wir die Gleichberechtigung der Frauen erst dann erreicht, wenn es für einen Personaler egal ist, ob ein Mann oder eine Frau vor ihm sitzt", ist Miriam Gruß überzeugt. Im Klartext: Wenn auch Männer Teilzeit arbeiten, in Elternzeit gehen oder sich eine berufliche Auszeit nehmen, um die alte Mutter zu pflegen. In dieser Frage zeigte sich die Familienpolitikerin durchaus aufgeschlossen, politische Rahmenbedingungen zu schaffen - etwa, indem das Elterngeld jeweils sieben Monate an Väter und Mütter ausgezahlt würde: "Das ist eine Frage der Finanzierung, aber die FDP ist dafür offen."

Wichtig sei jedoch, in der Diskussion um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht nur die Bedürfnisse der Eltern, sondern auch die der Kinder zu berücksichtigen. Doch könne kein Gesetz allen Bedürfnissen gerecht werden. Deshalb müssten Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Bedingungen miteinander aushandeln. "Und hier sind wir in Deutschland auf dem richtigen Weg", findet Miriam Gruß.

Familienpolitik wieder in den Fokus rücken

Überhaupt stellt Miriam Gruß der schwarz-gelben Familienpolitik der letzten Legislaturperiode insgesamt ein gutes Zeugnis aus. Sie ist überzeugt: "Familien brauchen Zeit, Geld und Infrastruktur". All das hätte die Koalition ermöglicht. So hebt sie neben dem - allerdings schon von der großen Koalition zuvor beschlossenen - Ausbau der Kinderbetreuung vor allem die Einführung des Kinderschutzgesetzes Anfang 2012 hervor. Erstmals gebe es in Deutschland ein solches Gesetz - und zwar eines, das nicht nur Wert auf Schadensbegrenzung lege, sondern auf Drängen der FDP auch etwa mit den Familienhebammen vor allem die Prävention stärke.

Weitere Erfolge seien die Erhöhung des Kindergeldes und des Kinderfreibetrages gewesen. Auch für die Unterstützung von ungewollt kinderlosen Paaren hätte sich vor allem die FDP stark gemacht. Hier wünschte sich Miriam Gruß jedoch noch deutlich mehr Unterstützung durch die Bundesländer.

Trotzdem forderte die FDP-Politikerin: "Ich will, dass in Deutschland wieder mehr über Familienpolitik diskutiert wird!" In anderen Ländern sei das längst der Fall. Auch hätte die von Gruß ausdrücklich gelobte vorherige Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen deutlich mehr Debatten angestoßen als ihre Nachfolgerin Kristina Schröder (beide CDU). "In den letzten drei Jahren ist es still um dieses Thema geworden", bedauert Gruß.

Was will die FDP in Sachen Familienpolitik?

Eine klare Linie, wohin die FDP in Sachen Familienpolitik steuert, konnte oder wollte aber auch Miriam Gruß nicht aufzeigen. Allerdings bat sie um Verständnis: Bevor sie einzelne bestehende Maßnahmen bewerte oder neue konzipiere, wolle sie zunächst die endgültige Evaluation der ehe- und familienpolitischen Leistungen abwarten.

Erste Ergebnisse dieser vom Bundesfamilienministerium selbst in Auftrag gegeben Untersuchung hatte vor einigen Wochen der "Spiegel" veröffentlicht. Als relativ unwirksam wurde dabei unter anderem das Ehegattensplitting bewertet. Auch Gruß verdeutlichte die Skepsis ihrer Partei gegenüber diesem Instrument: "Die FDP in Bayern ist für die Abschaffung des Ehegattensplittings." Ob ein Familiensplitting jedoch eine Alternative sei, ließ sie offen.

Betreuungsgeld: Ja, nein, vielleicht?

Ähnlich vage äußerte sich Miriam Gruß zu dem heftig umstrittenen Betreuungsgeld. Die FDP hatte dieses bekanntlich lange abgelehnt, es aber letztlich doch mit beschlossen. Offensichtlich nach wie vor mit Bauchschmerzen: "Wenn es nach uns geht, schaffen wir das wieder ab", erklärte Gruß zunächst.

Nach einem Hinweis auf das in den Foren auf Eltern.de jedoch auch häufig zu findende Lob des Betreuungsgeldes zeigte sie sich jedoch flexibel: "Wir müssen abwarten, wie das Instrument wirkt. Wenn es funktioniert und von den Familien akzeptiert wird, werden wir es natürlich beibehalten." Die positive Einstellung vieler Eltern gegenüber dem Betreuungsgeld ist für Gruß ein Indiz dafür, dass in vielen Familien der Wunsch nach Entschleunigung und Ruhe herrsche, Karriere sei eben für die meisten doch nicht alles.

Bereits zu Gast in der ELTERN-Redaktion: Dorothee Bär (CDU/CSU)

Bereits zu Gast in der ELTERN-Redaktion: Dorothee Bär (CDU/CSU)

Im Wahljahr lädt ELTERN die familienpolitischen Sprecher aller Bundestagsfraktionen zu Redaktionsgesprächen ein. Bereits vor Miriam Gruß zu Gast: Dorothee Bär, familienpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von CDU und CSU. Wie sie die familienpolitischen Pläne der Union skizzierte, können Sie hier noch einmal nachlesen.

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