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TEil 12 Entscheidend ist, was hinten rauskommt

Ab jetzt wird Brei gefüttert. Und damit sind die Zeiten vorbei, als Windelwechseln noch eine freudige und nahezu geruchlose Angelegenheit war. Lagebericht aus dem sechsten Monat mit Baby.

Für mich ist es ein großer Tag. Dieser zarte, reine, kleine Körper, dieses überirdische, von allem Weltlichen bisher unberührt gebliebene Wesen, diese unbefl eckte Speiseröhre, dieser engelhaft sauber strahlende Darm - das alles wird heute entweiht. Es ist ein Tag des Abschieds.

Nun ja, ich könnte es natürlich auch weniger pathetisch formulieren, etwa so: Mein Junge wird heute sechs Monate alt und bekommt zum ersten Mal Brei. Bio- Kürbisbrei, um genau zu sein. Selbstverständlich nicht selbst gekocht. Für mein Baby nur das Beste! Ich traue meinen Kochkenntnissen nicht über den Weg, in Sachen Kürbisgemüse geht meine Erfahrung gegen null, und ich möchte meinen Sohn nicht bei seiner ersten Begegnung mit einem Nahrungsmittel jenseits der Muttermilch für immer traumatisieren.

Ich meine, man muss sich das mal vorstellen: Da hat einer sein Leben lang nur Muttermilch gesüffelt, schön fein körperwarm, immer nett verpackt, immer frisch direkt rein ins Minimaul - und mit einem Mal gibt es Kürbis vom Löffel. So roh und derb, so profan und unvermittelt. Ach, mein armer kleiner Engel!

Ich versetzte mich in die Lage meines Babys, dieses überirdischen, unbefleckten ... na, Sie wissen schon, und nähere mich ihm mit Respekt, gespielter Lässigkeit und einem breigefüllten Löffel in meinen schweißnassen Händen. Will noch beruhigende Worte formulieren, ein ablenkendes Liedchen anstimmen - da ist es bereits passiert. Schlurp! Dieses Kind schaufelt den Brei in sich hinein, als würde es sich seit seiner Geburt auf den Tag freuen, an dem es endlich mal was Ordentliches zu Essen gibt. Eigentlich kränkend Mutter und Muttermilch gegenüber.

Die Patentante meint, das würde sie überhaupt nicht wundern. Zurückhaltung beim Essen sei in der Tat das Letzte gewesen, womit sie bei einem Kürthy-Kind gerechnet hätte. Ich solle bloß mal an den zweiten Geburtstag des Nachbarsjungen Liam N. denken, als ich den Kindern in wenigen Minuten sämtliche frisch gebackenen Waffeln weggefressen hätte. Oder an die Hochzeit von Herman S., bei der ich den Großteil des Abends am Nachspeisenbuffet verbracht hätte. Von meinem Vater erzählt man sich, er habe sich nachts regelmäßig in die Küche geschlichen, um dort Nutella direkt aus dem Glas zu konsumieren. Es stimmt schon, wir Kürthys sind gute Esser.

Mein Sohn war jedenfalls derart begeistert, dass er sich kurz nach seiner ersten Mahlzeit zwei Zähne zulegte, um für die Delikatessen dieser Welt frühzeitig gerüstet zu sein. Damit ist er in seinem Krabbelkurs der Erste mit Zähnen. Ich weise oft und gerne darauf hin, auch um von den immer noch zahlreichen kahlen Stellen auf seinem Kopf abzulenken.

Generell, so hat sich mittlerweile herausgestellt, bevorzugt mein Sohn große Portionen. Gesunde Sachen wie etwa Hirsebrei nimmt er nur zu sich, wenn sie mit sehr viel süßem Obst getarnt werden. Gemüse pur lehnt er ab. Spuren dieser Abneigung fi nden sich auf dem Sofa, dem hellen Teppich und auf dem Smokinghemd meines Mannes.

Es scheint ein Gesetz zu sein, dass Babys sich besonders gern dort übergeben, wo man die Speisereste am besten sehen kann. Bei meinem Sohn habe ich sogar den Eindruck, dass er regelrecht darauf wartet, dass man ihn mal zufällig über das einzige helle Stückchen Teppich im ganzen Haus hält oder ihn sein Vater, auf dem Weg zu einer Hochzeit, noch mal kurz auf den Arm nimmt. "Hui, ein Smokinghemd, da kotze ich doch gleich mal drauf!", scheint Baby zu denken, und freut sich dann auch sehr über den fl uchenden Papa, die hektische, mit Lappen ungeschickt hantierende Mutter und das hübsche kürbisfarbene Muster. Das kürbisfarbene Lätzchen, beinahe unnötig zu erwähnen, bleibt hingegen oft tagelang unbefleckt.

Fleisch findet mein Sohn übrigens das Allergrößte. Dieses Kind entwickelt sich bedauerlicherweise immer mehr zu einem allen Klischees entsprechenden Mann: Ein Fleischfresser mit Haarausfall, Bauchansatz und fragwürdigem Frauengeschmack, der beim Anblick eines Balles durchdreht. Denn es gibt nur eins, was meinen Sohn mehr fasziniert als bunte Bälle: wasserstoffblonde Frauen mit großen, blauen Augen, Riesenbrüsten, langen Beinen und Haaren bis zum Hintern. "So was kennt er von zu Hause nicht", meinte der Patenonkel uncharmant, als mein Sohn eine seinem Geschmack entsprechende Kellnerin belästigte.

Und als uns Lisa N. besuchte, eine lebendige Barbie-Puppe, war der kleine Macho völlig aus dem Häuschen und kurz davor, das Laufen zu erlernen, bloß um irgendwie auf Lisas Schoß zu gelangen. Es war mir peinlich, denn die Patentante ohne Barbie- Schema saß gänzlich unbeachtet und deutlich beleidigt daneben.

Doch zurück zum Thema Nahrungsaufnahme und einer damit zusammenhängenden unbequemen Wahrheit, die Sie bedenken sollten, bevor Sie die Pille absetzen. Solange man ein Kind stillt, ist der Windelwechsel eine harmlose, nahezu geruchlose Angelegenheit. Sobald aber zum ersten Mal Fleisch den jungfräulichen Darm passiert hat, ist diese Idylle Vergangenheit. Mich traf diese Erkenntnis unvermittelt, und man sah, wie ich mich keuchend und grünlich und einer Ohnmacht nahe zur Mülltonne vorm Haus schleppte, um die kontaminierte Windel dort außerhalb des Wohnbereiches zu entsorgen. Gleichzeitig mit einem Kind sollten Sie sich also einen gut schließenden Windeleimer anschaffen.

Und wo wir gerade so schön beim Thema Exkremente sind: Neulich saß ich bei einem Fest an einem Tisch mit mir unbekannten Ehepaaren. Was uns verband, waren Kinder im Alter zwischen null und drei Jahren, und das Interesse, die folgende Frage zu klären: Wie nennt ihr die Kacke eurer Kinder? Irgendjemand hatte dieses bescheuerte Thema aufgebracht, ich glaube, es war ich. Aber die Tischgesellschaft war mit Begeisterung und Elan darauf eingestiegen.

Puh puh puh!", rief Sören L. in die Runde, er ist Chef einer renommierten Werbeagentur.
Stinkistink!", konterte Unternehmenssprecher Markus M., "oder Pupsipup. Je nach Geruch und Konsistenz."
Fuffi!", zwitscherte Karen, die gerade ihren Doktor in Biophysik gemacht hat. "Fuffi?", fragte daraufhin Sören erstaunt, "so heißt unser Babysitter."
Da haben wir doch sehr gelacht. Bis jemand meinte: "Wir sagen einfach Kacke." Das war mein Mann. Die Runde verstummte verblüfft, und der Ober, der gerade die Suppenteller abräumte, fragte, ob die Vorspeise nicht in Ordnung gewesen sei. Wir konnten den Mann beruhigen.

Ich möchte Ihnen raten: Wenn Sie kein Kind haben, dann setzen sie sich beim Essen nicht zu Eltern. Guten Appetit.

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