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Teil 13 Buddha mit Gottschalk-Löckchen

In ihrem Sohn erkennt Ildiko von Kürthy immer öfter sich selbst. Das macht sie nervös. Ein Lagebericht aus dem siebten Monat mit Kind

Jetzt ist die Sache eindeutig. Da nutzen kein Leugnen und kein Schönreden mehr. Es gibt eine sehr betrübliche Tatsache, das Wesen meines Sohnes und einige Bereiche seines Körpers betreffend, die ich lernen muss zu akzeptieren. Lassen Sie es mich hier ohne Umschweife sagen: Mein Sohn kommt stellenweise sehr nach mir. Und zwar an Stellen, bei denen ich es mir nicht ausdrücklich gewünscht habe.

Nehmen wir zum Beispiel seine kräftigen Oberschenkel. Oder die knubbligen Knie. Gut, vielleicht wächst sich das noch zurecht. Was bleiben wird, ist das Leberfleckchen an seinem unteren Rücken. Sieht ein wenig so aus, als hätte er sich in etwas Unappetitliches reingelegt. Schon mehrfach versuchten wohlmeinende, meist etwas kurzsichtige Fremdmütter, den vermeintlichen Schmutz mit Feuchttüchern von seinem Körper zu rubbeln.

Die wenigen Haare meines Sohnes haben eine Tendenz zur Lockenbildung am Hinterkopf, besonders bei hoher Luftfeuchtigkeit. An einem schwülen Sommertag sehen Mutter und Sohn Kürthy gerne aus wie unsachgemäß gerupfte Küken mit einer Dauerwelle, die zu lange eingewirkt hat. Mein Sohn ist derzeit blond, so wie ich früher auch.

Das ist bedauerlich, aber ich hoffe, das ändert sich noch im Laufe der ersten Jahre. Denn Männer mit blonden Locken haben es nicht leicht im Leben. Sie sehen aus wie Thomas Gottschalk, die Mädchen laufen ihnen in Scharen nach und fi nden sie "süüüß!", und auf Partys müssen sie sich von beschwipsten Frauen Fragen gefallen lassen wie: "Sag mal, Engelchen, hast du etwa auch blonde Schamhaare?" Und wenn blonde Männer ergrauen, sieht das immer irgendwie so aus, als würden sie verschimmeln.

Ach, Sie meinen, es sei etwas früh, sich darüber Sorgen zu machen? Von wegen! So 30, 40 Jahre sind schnell vergangen. Am liebsten würde ich ja auch jetzt schon die Schnittchen vorbereiten, die ich meinem Jungen in kurzen Abständen und ohne anzuklopfen in sein Zimmer bringen werde, sobald er mit seinem ersten Damenbesuch darin verschwindet.

Aber sei’s drum. Schenkel, Haare, Pigmentierung - das alles sind Äußerlichkeiten, auf die man ja bekanntermaßen ohnehin nicht so viel Wert legen soll.

Allerdings: Auch die Persönlichkeit meines Kindes trägt einige Züge, für die ich verantwortlich bin. Er ist beispielsweise kein Freund übergroßer Anstrengung. "Halt ihm doch was vor die Nase, was ihn interessiert - dann wird er schon loskrabbeln." So lautete der Rat meiner resoluten PEKiP-Gruppenleiterin.

Ich versuchte, ihn mit bunten Tüchern, Bauklötzen und pädagogisch fragwürdigem Plastikspielzeug zu locken. Aber mein Sohn interessiert sich nicht für Dinge, die außerhalb seiner Reichweite liegen oder deren Erreichen mit für ihn unakzeptabler Mühe verbunden ist.

Er ist, um es freundlich auszudrücken, mehr so der gemütlich-bedächtige Typ. Während mehr als die Hälfte der Kinder in seiner Gruppe schon krabbelt oder robbt, um die Welt zu erkunden, wartet mein Kind unaufgeregt in entspannter Bauchlage so lange, bis etwas Interessantes so nah an ihm vorbeikommt, dass es nur die Hand danach ausstrecken muss.

Das ist doch ein sehr effizientes Verhalten", versuchte mich Silke H. zu trösten, während ihr Blick stolz ihrer Tochter folgte. Die krabbelte gerade mit 120 Stundenkilometern an meinem faulen Sohn vorbei und verpasste ihm dabei einen lässigen Tritt. Was ihn allerdings auch nicht interessierte. "Ist doch toll, der Junge ist Natur-Buddhist!", so die Diagnose der Patentante, die sich allerdings überhaupt nicht mit Kindern auskennt. "Die spricht ja schon in ganzen Sätzen", sagte sie neulich anerkennend zur Mutter einer Sechsjährigen.

Bewegungstalent ist ja größtenteils genetisch veranlagt", meinte die PEKiP-Chefin. Ich murmelte beschämt was von "Ehrenurkunde bei den Bundesjugendspielen 1981" und wedelte mit einer roten Fliegenklatsche vor der Nase meines Sohnes herum. Ich schubste ihn von hinten, zog von vorn. Nichts. Der rührte sich nicht vom Fleck.

Hatte sich offensichtlich gerade gedacht, "Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?", und sich in das Studium seiner Hände vertieft. Die hat man ja immer dabei - und damit sind sie das ideale Spielzeug für die gemächliche Persönlichkeit. Die Leiterin der Gruppe sagte beschwichtigend: "Wahrscheinlich kann er etwas anderes besonders gut", und ließ mich zurück.

Was hätte ich da sagen sollen? "Na ja, klar, er macht in seinem Jurastudium schöne Fortschritte"? Meine Freundin Monika, die vier Kinder hat, riet mir dringend, nicht nervös zu werden. "Beim dritten Kind habe ich das Vergleichen und Spekulieren endgültig aufgegeben. Manche krabbeln mit sieben, manche mit zehn Monaten. Andere wiederum krabbeln überhaupt nicht, sondern stehen irgendwann auf und gehen los. Es gibt solche, die sehen mit einem halben Jahr aus wie kleine, dicke verwarzte Kröten und tragen 18 Jahre später einen Lackledermini von Prada auf dem Cover der amerikanischen Vogue. Mein jüngster Sohn sagte bis zu seinem zweiten Lebensjahr nur ein Wort, und zwar 'Kaka'. Mittlerweile ist er acht und belästigt mich nahezu rund um die Uhr mit seinem riesigen Wortschatz. Also, reg dich ab. Es gibt keinen Grund, nervös zu werden, nur weil das eigene Kind behäbiger oder verpickelter ist als der Rest der Krabbelgruppe."

Mein Sohn hat keine Pickel!", rief ich. "Die kommen noch", sagte Monika. Seit diesem Gespräch gehe ich viel lockerer in meine PEKiP-Gruppe. Bin jetzt genauso entspannt wie mein Sohn, blicke buddhistisch auf das Treiben und streiche ihm milde lächelnd über die Gottschalk-Frisur.

Keine Vergleiche", lautet von nun an die Devise, an die ich mich halte. Fast immer. Weil, mir ist etwas sehr Beruhigendes aufgefallen, und ich werde nicht müde, die anderen Mütter darauf hinzuweisen: Mein Sohn hat unendlich schöne und lange Wimpern. Und die sind viel länger als die der anderen Kinder! Ätsch. - Was für Wimpern! Von mir hat er die allerdings nicht. streng zu mir in der letzten Stunde.

Hier geht es zu Teil 14.

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