Jetzt ist es an der Zeit, sich um zwei Dinge verstärkt zu kümmern. Erstens: um den Erhalt von Freundschaften zu kinderlosen Menschen. Zweitens: um die Verwandlung der eigenen Wohnung in eine kindersichere Zone.
Unter rein ästhetischen Gesichtspunkten handelt es sich hierbei nicht um eine positive Veränderung. Sowohl Mütter als auch Immobilien neigen dazu, sich durch die Anwesenheit eines Babys in praktische, durchdachte Zonen zu verwandeln, bei denen auf unnötigen oder gar gefährlichen Schnickschnack wie Halsketten, Ohrringe, Bodenvasen und fein geschliffene Kristallglaskerzenständer auf kniehohen Wohnzimmertischen verzichtet wird.
Es ist nämlich so, dass der kniehohe Mensch generell nicht an für ihn vorgesehenem Spielzeug interessiert ist. Man kann zum Beispiel davon ausgehen, dass ein Kind, das sich in einem Raum mit sechs Teddybären, einer Kugelbahn, zwei Bobbycars und einem schweineteuren, nagelneuen Mobiltelefon mit integrierter Tausend- Megapixel-Kamera befi ndet, sich auf der Stelle auf das Handy stürzen und ausprobieren wird, wie bruchsicher das Display ist.
Die besonders neunmalklugen unter den Eltern - zu denen gehöre ich - rennen dann augenblicklich zum nächstgelegenen Babymarkt, um dort ein Babyhandy zu kaufen. Bunt, strapazierfähig, und wenn man auf die Taste mit dem Hörer drückt, dann sagt es "Hallo" oder "Dingeldingelding". Mein Sohn schenkte der Telefonattrappe gerade mal eine halbe Minute Aufmerksamkeit. Dann durchschaute er das Ablenkungsmanöver, bedachte mich mit einem Blick voller Verachtung und robbte anschließend würdevoll, aber zügig auf die Stereoanlage zu.
Wenn man also nicht den ganzen Tag "Stopp Baby, Finger weg!" schreien, sich panisch zwischen Treppenabsatz und Kind schmeißen und Schmuckstücke sowie technisches Gerät zu teuren Reparaturen bringen will, bleibt einem nichts anderes übrig, als sich selbst und die Wohnung kindgerecht zu gestalten.
Lassen Sie mich an dieser Stelle kurz etwas über Tür- und Treppenschutzgitter sagen: Sollten Sie irgendwelche Probleme beim Zusammenbauen oder Anbringen dieser Sicherheitsvorrichtungen haben, dann fragen Sie auf keinen Fall mich um Hilfe. Und meinen Mann auch nicht. Ich hatte ja bereits auf seinen Abschluss in Literaturwissenschaften und die entsprechenden handwerklichen Unfähigkeiten hingewiesen. Es macht mich skeptisch, wenn ich in Gebrauchsanweisungen Begriffe lese wie: "kinderleicht" oder "mit wenigen einfachen Handgriffen zu montieren". Ich habe schon Stunden mit angeblich "kinderleicht" zu montierenden Selbstbaumöbeln verbracht, eines von ihnen steht immer noch auf dem Dachboden. Ein trauriger Bretterhaufen, aus dem nie auch nur annähernd das geworden ist, was es "mit wenigen einfachen Handgriffen" angeblich hätte werden können.
Unsere Tür- und Treppenschutzgitter wurden jedenfalls von einem Fachmann befestigt. Mir selbst hätte ich in dieser Angelegenheit nicht über den Weg getraut, und eine von mir gesicherte Treppe halte ich für tausendfach gefährlicher als eine gänzlich ungesicherte.
Ich fühlte mich jedenfalls enorm erleichtert beim Anblick der diversen Gitter. Ich atmete auf, mein Sohn war gerettet. Tags darauf kam der kinderlose Marcel N. zu uns zu Besuch, und nun komme ich zu Punkt eins meiner Ausführungen zurück. Mir liegt viel an der Freundschaft zu Menschen ohne Kinder. Ehrlich. Aber es ist nicht immer einfach. Ich bemühe mich schon redlich, ziemlich wenig und nur auf einigermaßen aufrichtige Nachfragen über mein Baby zu sprechen. Alles, was die Konsistenz seiner Exkremente, sein engelsgleiches Äußeres und seine fraglos überwältigende Intelligenz betrifft, lasse ich ganz weg. Ich habe kein Foto von ihm als Bildschirmschoner oder auf dem Handy- Display, und ich verschicke nur selten ungefragt Videosequenzen als E-Mail-Anhang, auf denen mein Sohn einfach nur so rumliegt und faszinierend grunzt.
Ich erinnere mich noch gut daran, wie es war, kein Kind zu haben. Es war herrlich - solange mich nicht Eltern mit den länglichen und angeblich total lustigen Anekdoten ihres Nachwuchses gelangweilt haben: "Jetzt rat mal, was die Gwendolyn gestern gemacht hat!?"
Aber heute leide ich manches Mal unter der Rüpelhaftigkeit der Menschen, die keine Eltern sind. Ist es wirklich nötig, lieber Marcel N., meine Wohnung mit "Mensch, ist das jetzt ein Hochsicherheitstrakt?" beziehungsweise mit "Ach, hier wird also die Serie 'Prison Break' gedreht" zu begrüßen? Und ich weiß selbst, dass der Flachbildfernseher einen Gutteil seiner Würde verloren hat, seit er teilweise von der lustigen Krabbellandschaft mit Knisterfolie, Spiegel und tanzender Giraffe verdeckt wird. Ich liebe auch sehr die Leute, die mir mahnend zuraunen: "Du, du hast da einen Fleck."
Ach was. Ich habe ständig irgendwo einen Fleck - wenn ich Glück habe. Meistens habe ich aber 18 Flecken unterschiedlichster Herkunft, hier etwas Pastinake, da ein bisschen Nasenblut, sowohl über Hemd als auch über die Hose verteilt. Der Höhepunkt aber war Daniel P., der neulich seinen Besuch ankündigte. "Komm doch eine halbe Stunde früher", sagte ich, "dann ist mein Sohn noch wach, und du kannst ihn sehen." Die Antwort: "Warum? Ich weiß doch, wie er aussieht, du hast mir erst neulich Fotos geschickt."
Es ist nun mal so: Leute, die gewohnt sind, sich in ganzen und verständlichen Sätzen zu unterhalten, empfi nden ein Kleinkind nicht als anregenden Gesprächspartner. Sie sehen die Schönheit nicht, die in einer gut gefüllten Windel verborgen liegt. Sie hören nicht die holde Melodie hinter dem schmetternden Bäuerchen, und sie empfi nden es nicht als pädagogisch wertvolles Geräusch, sondern schlicht als ohrenbetäubenden Lärm, wenn dein Kind mit einer Blechdose auf Steinböden haut.
Auch wenn es wehtut, man muss sich als Mutter immer wieder klarmachen: Ein Baby ist für andere kein interessanter Mensch. Und, nein, dazu gibt es keine Ausnahme. Fast keine.
Hier geht es zu Teil 16.
Teil 15 Mein Leben im Babyknast
Zu Hause bei Ildiko von Kürthy geht im Moment Zweckmäßigkeit vor Schönheit. Eine Phase, die alte Freundschaften auf die Probe stellt. Lagebericht aus dem neunten Monat mit Kind.