Neben mir im Bett liegt eine müffelnde Wurst. Und ich muss sagen, ich schlafe nicht besonders gut neben etwas, das stinkt. Das war schon immer so, dazu musste ich nicht erst schwanger werden. "Du brauchst in den letzten Monaten unbedingt ein Stillkissen", hatte meine Freundin Monika gesagt. Ich vertraue ihr blind, denn sie hat vier Kinder und weiß, wie man sich bequem bettet, wenn einem der Bauch langsam den Ausblick auf die untere Körperhälfte versperrt. Aber dann sagte sie den Satz, den man im Laufe einer Schwangerschaft immer weniger gern zu hören bekommt: "Du kannst meines haben."
Weil man ja nicht undankbar sein will, bin ich mittlerweile im Besitz eines 13 Jahre alten, gefährlich aussehenden Heizstrahlers, einer fast durchgekrabbelten Krabbeldecke, auf der sich so ziemlich alle waschmittelresistenten Flecken dieses Universums versammelt haben, und eines Stillkissens, das den Geruch eines leicht schimmeligen Dachbodens auf ewig verinnerlicht hat.
Vererbte Babysachen und weise Ratschläge kann man nie genug bekommen, hatte ich zunächst gedacht. Heute weiß ich: Doch, man kann.
Ich kann nichts dafür, dass ich gleich zwei Geburtsvorbereitungskurse besuchen musste. Ich bin ganz sicher, dass ich dem Herrn, der mich geheiratet hat, rechtzeitig den Wochenendtermin mitgeteilt hatte. Ich bin allerdings auch ganz sicher, dass meine Bank letzte Woche mutwillig meinen Pin-Code verändert hat und der Abgabetermin für diesen Text eine Woche später war, als es mir die Redaktion jetzt weismachen will. "Typische Schwangerschaftsdemenz", lautet Monikas Diagnose. Darauf würde auch hindeuten, dass ich kürzlich versucht habe, mit der Fernbedienung des DVD-Recorders ein Taxi zu rufen und eine halbe Stunde lang mit der Mülltüte, die ich hatte entsorgen wollen, in der Hand spazieren gegangen war.
Wie auch immer, den ersten Geburtsvorbereitungskurs besuchte ich also allein. "Ich mache euch jetzt mal vor, wie Wehen klingen", warnte uns die ansonsten zauberhafte Hebamme. "Nur damit die Männer wissen, was geräuschemäßig auf sie zukommt." Was soll ich sagen? Nach der Darbietung - mindestens so gekonnt wie der vorgespielte Orgasmus in "Harry und Sally" - saß ich da, wie vom Donner gerührt und ungelogen den Tränen nahe. "Ich hätte dann doch gern einen Kaiserschnitt", sagte ich erschüttert in die Stille, die nach den letzten gellenden Schreien der Hebamme eingetreten war.
Na ja, so ist eben der Lauf der Natur", versuchte mich Caroline, die Schwangere neben mir, zu trösten. Caroline, die mich von Anfang an verunsicherte mit ihren ständigen Stretchübungen, bei denen sie ihre Füße hinter ihren Ohren versteckte. Caroline, die eine Hausgeburt in einem eigens angemieteten Planschbecken machen und außer Himbeerblättertee während der Geburt nichts Schmerzlinderndes zu sich nehmen will.Wohingegen ich mir den Zugang für das Schmerzmittel ja am liebsten sicherheitshalber schon jetzt zwischen die Rückenwirbel legen und sämtliche Anästhesisten des Krankenhauses mit Delikatesskörben und Geldgeschenken bestechen würde. Ganz besonders nach diesem Wehen-Schauspiel erschien mir eine frühzeitige Narkose Gold wert.
Das war doch bloß vorgemacht", sagte Karsten auf der Gummimatte mir gegenüber. Karsten, der nach jedem Satz der Hebamme wissen wollte, ob es dazu denn auch eine repräsentative Statistik gäbe.
Was heißt hier "nur vorgemacht"? Der Abschied von Winnetou, der Tod des englischen Patienten, die schlimme Erkrankung von Sisi waren ja schließlich auch "nur vorgemacht" - aber als leidlich fantasiebegabter Mensch geht einem das natürlich trotzdem und auch über Jahre hinweg sehr nahe.
In Kurs Nummer zwei gab es dann gleich mehrere Gelegenheiten, meinen Mann und mich selbst an einen anderen Ort zu wünschen. Bei der Wehenübung "Apfelschütteln" zum Beispiel, bei der ich meine Mitarbeit verweigerte: Die Dame lehnt vornüber gebeugt an der Wand, ruft beim Ausatmen laut "Aaaaah", während der dazugehörige Herr ihr kräftig an beiden Pobacken rüttelt. Nein, liebe Leserin, das habe ich mir nicht ausgedacht aus billiger Effekthascherei. Lieber auch erspart hätte ich uns den Anblick der Geburtszange. Ich verstehe nicht, warum in Zeiten, wo jeder Auspuff von hoch bezahlten Designern entworfen wird, medizinisches Gerät aussehen muss, als habe sich seit dem frühen Mittelalter keiner mehr um eine Weiterentwicklung bemüht.
Pro Stunde öffnet sich der Muttermund etwa einen Zentimeter", lernten wir von der Kursleiterin.Woraufhin ein Typ neben mir murmelte: "Muttermund tut Wahrheit kund." Har, Har. Bei dem Spaßvogel handelte es sich leider um meinen eigenen Mann - ich denke, die Geburtszange sowie die neu erlernten Begriffe "Milchstau", "Kindspeck" und "Käseschmiere" vernebelten ihm noch den Verstand.
Das Blöde am Kinderkriegen ist - ähnlich wie beim Autokauf, beim Plätzchenbacken und beim Liebeskummer -, dass es unendlich viele Experten gibt, die einen wohlmeinend mit Ratschlägen versorgen. Lammfell, Dammmassage, Gebärhocker, Wunschkaiserschnitt, Stammzellen aus dem Nabelschnurblut, Erstausstattung: zu diesen Themen gibt es mindestens zwei sehr glaubhaft klingende, sich aber komplett widersprechende Meinungen. Und wenn man dann ordentlich verwirrt ist, kommt garantiert einer daher, der sagt: "Vertraue auf deinen Instinkt."
Ich habe jetzt beschlossen, in erster Linie meiner Hebamme zu vertrauen. Eine sehr patente Dame, der ich bereits bei der ersten Untersuchung mein Herz zu Füßen legte, als sie von meiner durchtrainierten Bauchmuskulatur sprach. "Frauen, die allzu genau Bescheid wissen, machen es sich nicht unbedingt leichter", hat sie gesagt. Meine Hebamme gibt mir aber das Gefühl, dass alles gut wird. "Wie eine Geburtszange aussieht und wie sie funktioniert, oder wie eine heftige Wehe klingt, braucht keine Schwangere vorher zu wissen." Ein wirklich weiser Rat - der in meinem Fall leider zu spät kam.
Heute werde ich zur Feier des Tages - beim Ultraschall sah mein Junge endlich mal nicht aus wie einer Geisterbahn entlaufen - tatsächlich auch mal meinem ganz und gar schwangeren Instinkt vertrauen. Ich denke, auf dem Dachboden müsste sich durchaus noch Platz finden für ein stinkendes Stillkissen.
Hier geht es zu Teil 4.
Teil 3 Der letzte Schrei: Wehentöne!
Für Ildiko von Kürthy ist sie gekommen, die Zeit, in der einem jeder gute Ratschläge schenkt und gebrauchte Babysachen. Und es ist Zeit für den Geburtsvorbereitungskurs - eine echte Grenzerfahrung. Lagebericht aus dem achten Monat.