Das Positive am Schwangersein ist ja, dass man keine Langeweile mehr hat. Egal, wie lange du auf der Zulassungsstelle sitzt, um deinen schnittigen Zweisitzer ab- und einen behäbigen Fünftürer anzumelden, der aussieht wie eine Aubergine auf Rädern. Egal, wie lange du an der Kasse, auf dem U-Bahnhof oder an der Wursttheke stehst: Für uns werdende Mütter gibt es keine vertane Zeit mehr. Denn, so habe ich es im Geburtsvorbereitungskurs gelernt, "einen Beckenboden kann man überall trainieren".
Kein Mensch, so versicherte uns die Hebamme, bekäme was davon mit. Das stimmt nicht ganz. Ich habe mich schon manches Mal gefragt, warum viele Schwangere gerade in Warteschlangen so ein seltsam konzentriert- verkniffenes Gesicht machen ...
Manchmal dünsten sie dabei auch noch irgendwas Unappetitliches aus! Das hat aber nichts mit dem Beckenboden zu tun, sondern, wie ich inzwischen weiß, mit den Kohlblättern im Büstenhalter. Die sollen den Milchfluss anregen, und einige Übereifrige stopfen sich das Gemüse wohl schon vor der Geburt in die Dessous.
Der neunte Monat ist keine gemütliche Zeit, das muss man ganz klar so sagen. Wenn dir etwas runterfällt, überlegst du sehr gut, ob du es aufhebst, oder ob es bis nach der Niederkunft liegen bleiben kann. Das nächtliche Umdrehen im Bett ist eine aufwendige Aktion, die gut geplant werden will. Nach dem Essen kommt es regelmäßig zu unschönen Revierkämpfen zwischen Pizza und Baby, und deinen Füßen kannst du jetzt für geraume Zeit "Lebt wohl!" sagen.
Das Ungemütlichste am Endspurt, liebe Freundinnen und Freunde, die ihr keine Jeans mit Gummibund und Drei-Mann- Blusen tragen müsst, seid allerdings ihr! Wir Hochschwangeren haben uns nämlich einen letzten Rest Eitelkeit bewahrt. Und schätzen Äußerungen wie "Irre, das werden bestimmt zwei!" oder "Hoppla, das kann ja wohl jeden Moment losgehen!" oder "Wahnsinn, bekommst du gleich ein ganzes Eigenheim?" überhaupt nicht. Haltet euch zurück mit Scherzen, was meinen Körper betrifft!
Ich weiß sehr gut, dass ich schon mal besser ausgesehen habe. Ich weiß auch sehr gut, dass von nun an nichts mehr wie früher sein wird und ich den Typen aus meinem Unterleib mein Leben lang an der Backe habe und nie (!) wieder loswerde!
Und bitte, bitte, liebe Freundinnen, erzählt mir keine Geburtsgeschichten! Auf einmal kennt jede eine, bei der die Narkose nicht gewirkt hat, eine, die nach 36 Stunden Wehen dann doch einen Kaiserschnitt bekommen hat, und eine, die zwei Jahre nach der Geburt immer noch inkontinent war und nur auf weichen Gummibällen sitzen konnte.
Die Bemerkung, dass in dem Augenblick, in dem man sein Kind in den Armen hält, alles vergessen ist, tröstet auch nicht. Ist doch eindeutig gelogen! Denn wenn ihr alles vergessen hättet, könntet ihr uns ja nicht mit euren Schauergeschichten erschrecken: "Nach 22 Stunden war die Saugglocke eine Offenbarung, obwohl ich dachte, es zerreißt mich!" Mein Mann kam neulich grün im Gesicht nach Hause,weil ihm ein Kumpel beim späten Getränk zugeraunt hatte: "Das Geräusch des Dammschnittes werde ich nie vergessen."
Ich selbst erlebte wenig später Schreckliches in der Geburtsklinik.Während ich auf meinen Akupunktur-Termin wartete, schlenderte ich arglos an den Kreißsälen vorbei. Selbst durch die geschlossenen Türen drangen Geräusche zu mir, die mich an den Film "Blutrausch im Mädchenpensionat" erinnerten. Ich finde, Gebärende sollten sich etwas zusammenreißen, weil sie nie wissen können, wer gerade draußen vorbeikommt und wen sie mit ihrem Gekreische womöglich fürs ganze Leben traumatisieren.
Ich weiß ja nicht, ob es anderen auch so geht, aber angesichts dieser Aussichten habe ich mich vermehrt mit dem Thema "Wunsch-Kaiserschnitt" beschäftigt. Eine geräuscharme und zeitlich überschaubare Angelegenheit. Es wird schon seinen Grund haben, dachte ich mir, warum immer mehr Frauen freiwillig per Kaiserschnitt entbinden - besonders so schöne und reiche Leute wie Claudia Schiffer, Angelina Jolie und meine Bekannte Sandra O. "Es gibt keinen Orden fürs natürliche Gebären", sagt Sandra. "Mir graut es davor. Bin ich deswegen ein schlechterer Mensch? Eine Operation ist planbar, und das Risiko ist nicht höher als bei einer spontanen Geburt. Also habe ich mich für einen Kaiserschnitt entschieden. Außerdem hatte ich keinen Bock, nachher eine gullydeckelgroße Vagina zu haben."
Gullydeckel? Kreisch! Meine dezenten Umfragen zu diesem Thema haben mich jedoch beruhigt. Sandra O. ist hoffentlich einer Fehlinformation zum Opfer gefallen. Kein Gullydeckel in meinem näheren und weiteren Umkreis.
Ich finde ja, dass die Möglichkeit, sich entscheiden zu können, manchmal ein fragwürdiger Luxus ist. Nicht genug, dass man sich heute entscheiden darf, ob man überhaupt ein Kind bekommen will. Dann darf man sich auch noch entscheiden, wie man es bekommen will. Ab und an wünsche ich mir, nicht die Wahl zu haben. Kein Für und Wider abwägen zu müssen bei einer Sache, die ich so wenig beurteilen kann.
Was kommt auf mich zu? Was sind das für Schmerzen? Werde ich sie ertragen können? Werde ich mich lebenslang für einen Feigling halten, wenn ich mich ohne Not für einen Kaiserschnitt entscheide? Welche Schokoladensorte gehört in meinen Klinikkoffer? Ist es normal, Angst vor der Geburt zu haben? Und wenn ja, wie viel Angst ist normal? Schrecklich diese Fragen, auf die es keine Antworten gibt!
Manchmal verwünsche ich meinen Sohn, der seit seiner Zeugung in vortrefflicher Geburtsposition liegt. "Es tut mir leid, aber bei Ihnen spricht medizinisch nichts für einen Kaiserschnitt", hat mein Arzt bei der letzten Untersuchung gesagt. Es ist ihm nicht entgangen, dass ich eher zu den Angsthasen als zu den Naturburschen zähle.
Inzwischen habe ich mich zu einer Entscheidung durchgerungen: ein klares "Jein" zur spontanen Geburt. Ich war schon immer ein großer Freund der Zwischenlösung. Erst mal versuchen, was "natürlich" geht, die eine oder andere Wehe persönlich kennenlernen, die eigenen Stärken und Schwächen einschätzen und dann, im Härtefall, nach Narkosemittel und moderner Medizin krakeelen. Ein schöner Kompromiss, wie ich finde.
Schneiden kann man jederzeit", sagt meine pragmatische Hebamme. "Und nun hören Sie auf, sich verrückt zu machen." Damit fang ich jetzt gleich an.Wenn mir jetzt einer mit dem Satz "Raus kommen sie immer" kommt, erschlage ich ihn. Und zwar mit dem Kohlkopf, den ich gerade gekauft habe.Wegen Milchfluss und so. Ich sag mal: Schaden kann’s ja nicht.
Hier geht es zu Teil 5.
Teil 4 Wehen aushalten? Klares Jein!
Im neunten Monat ist Ildiko von Kürthy bestens gerüstet für die Geburt. Schließlich kennt sie alle Horrorgeschichten aus den Kreißsälen dieser Welt. Und das Geheimnis der Kohlblätter im BH ...