Nicht schwanger war ich 38 Jahre meines Lebens. Ich sah bloß leider so aus.
Aufgrund einer etwas ungünstigen Veranlagung, die meine Körpermitte betrifft, fragten mich seit meinem 30. Lebensjahr weibliche Teile meines Bekanntenkreises gern mit mildem Lächeln und tiefer gelegter Stimme: "Hast du ein süßes Geheimnis?"
Ich reagierte darauf etwas gallig - bestand mein süßes Geheimnis doch in der Regel aus einer Pizza mit doppelt Käse am Vorabend in Kombination mit der bereits erwähnten genetischen Prädisposition.
Ein wenig bedauerlich war es dann schon, dass ich ausgerechnet zu einem Zeitpunkt den Urintest erfolgreich bestand, als ich gerade abgenommen und endlich mal einen im weitesten Sinne flachen Bauch hatte. Ob ich schwanger sei, traute sich dann leider keiner mehr zu fragen. Bis zum fünften Monat hielt man mich für ein bedauernswertes Opfer des Jo-Jo-Effekts.
Na ja, ich will da nicht nachtragend sein. Zumal ich selbst mein Kind zunächst mit einer Magen-Darm-Grippe verwechselt habe und mir in den ersten vier Monaten immer nur bei den Vorsorgeuntersuchungen wirklich schwanger vorkam.
Mit einem Mal entwickelte ich Verständnis für Tom Cruise, der sich gleich ein eigenes Ultraschallgerät gekauft hatte, um die Schwangerschaft seiner Frau täglich und persönlich zu überwachen. "Ach ja, immer diese Starallüren", hatte ich den armen Mann noch leichtfertig vorverurteilt - aber da kannte ich noch nicht die Erleichterung, mit der man alle vier Wochen den kleinen, immer noch total unförmigen Klumpen auf dem Bildschirm anbetet. Und obschon ich es ganz bestimmt nicht tun wollte, belästigte auch ich kinder- und taktlose Freunde mit Bildern aus meinem Unterleib.
Guckt mal, die kleinen Füße! Allerliebst, oder?"
Welche Füße?"
Da, am unteren Ende des Embryos!"
Welcher Embryo?"
Ernüchternd.
Selbst in Gesprächen mit meiner besten Freundin Monika, die mühelos vier Kinder in pädagogisch sinnvollen Abständen zur Welt gebracht hat, stieß ich nicht immer auf Verständnis.
Moni, es wird ein Junge!"
Das tut mir Leid."
Wieso? Die Hauptsache ist doch, das Kind ist ..."
Jetzt hör bloß auf mit diesem Hauptsache-gesund-Quatsch. Natürlich ist ein kranker Junge schlimmer als ein gesunder Junge. Aber am besten ist nun mal ein Mädchen. Du wirst mir zustimmen, sobald du das Kinderzimmer und die Erstausstattung kaufen gehst. Für Jungs gibt es nur hellblau gestreifen Mist mit Piraten oder Dinosauriern drauf. Außerdem feiern Söhne später Weihnachten immer mit der Familie ihrer Frau und nie bei dir."
Ich versuchte einen Themenwechsel.
Guck mal hier, das Ultraschallbild. Mein Arzt hat gesagt, der Kleine hätte genau mein Profil. Ich finde, da ist was dran, oder?"
Dann hätten meine vier Kinder auch alle dein Profil. Die sahen genauso aus."
Als Erstgebärende ist man eben leicht zu begeistern - und zu verunsichern. Jedes Ziehen im Unterleib, jedes Seitenstechen, jedes Sodbrennen, jede Übelkeit: alles mittelschwere Sensationen. Und wenn es mal nirgends wehtut, ist das erst recht ein Grund zu allerhöchster Alarmbereitschaft.
Ich selbst war zutiefst beunruhigt, weil ich mich in den berüchtigten ersten drei Monaten kein einziges Mal übergeben musste und keine Stimmungsschwankungen hatte. Dabei hatte ich doch mein ganzes Leben lang erhebliche Stimmungsschwankungen gehabt!
Mein Mann hingegen war hingerissen von meinem Zustand, sagte, so unkompliziert habe er mich noch nie erlebt, und dass er nichts dagegen hätte, wenn ich unser Kind übertragen würde - bloß so ein, zwei Jahre.
Ich hatte nix. Es war schlimm. Am liebsten wäre ich ständig zum Arzt gerannt und hätte mich mit dem Aufschrei "Hilfe, ich hab keine Beschwerden!" auf den Untersuchungsstuhl gestürzt. Zusätzlich entmutigten mich unappetitliche Diskussionen in Internet-Schwangeren-Foren zu Themen wie "Vermehrter Ausfluss - wer noch?" oder "Meine Brüste sind kurz vorm Platzen! Normal?"
Ohne hier unnötig ins Detail gehen zu wollen: Ich muss leider sagen, dass zu einem Zeitpunkt, wo alle von meiner Schwangerschaft wussten, mein Busen so ziemlich der Einzige war, der noch nichts davon mitbekommen hatte und sich entsprechend unbeeindruckt zeigte. "Auf Brüste ist überhaupt kein Verlass", erklärte mir Moni. "Meine dusseligen Dinger sind erst überhaupt nicht gewachsen. Nach den Geburten sind sie mir dann fast um die Ohren geflogen. Und jetzt sehen sie aus wie leere Sunkist-Tüten." Auch nicht wirklich ein Trost.
Ich fand es von Anfang an enorm, wie selbstverständlich und selbständig ein Körper so eine Schwangerschaft bewerkstelligt. Abgesehen von der Einnahme von Folsäuretabletten und der regelmäßigen Zupfmassage - mit der ich vorsichtshalber praktisch unmittelbar nach der Zeugung begonnen habe, denn mein Bindegewebe ist nicht das allerzuverlässigste - geschieht alles von ganz allein und natürlich.
Und was ist heute schon natürlich? Das ist eine gewaltige und irritierende Erfahrung für einigermaßen moderne Frauen, die es gewohnt sind, Einfluss zu nehmen, selbst zu bestimmen, und bei denen das einzig "Natürliche" ihr Make-up und die bernsteinfarbenen Strähnchen im Haar sind.
Auf einmal kannst du deinen Bauch bei wichtigen Verabredungen nicht mehr einziehen, wirst in der Sonne nicht braun, sondern bekommst an den unmöglichsten Stellen Sommersprossen. Du weinst beim "Traumschiff" und musst den neuen "Harry Potter" beiseite legen, weil du dich dabei entsetzlich gruselst.
In dieser verdammt wichtigen und großen Angelegenheit Schwangerschaft bleibt dir nichts anderes übrig, als dich einfach deinen Hormonen hinzugeben, der Biologie zu vertrauen und dir selbst staunend auf den Bauch zu glotzen und das, was darin geschieht, für ein einzigartiges Wunder zu halten.
Pfff, von wegen einzigartig! Pro Minute werden auf der Welt etwa 154 Kinder geboren. Da ist es ja schon etwas albern, wie sich die ganzen Schwangeren ständig beseelt über ihre Leiber streicheln, in stündlichem Abstand ihren Umfang messen und ständig "Eine kleine Nachtmusik" in Konzertlautstärke hören, um dem Fötus den Zugang zur klassischen Musik zu erleichtern.
Ich bin jetzt im sechsten Monat und versuche, mich nicht verrückt zu machen. Es war peinlich genug, als ich bereits in der 13. Woche fest davon überzeugt war, mein Kind deutlich zu spüren.
Ich glaube, meines ist ganz besonders aktiv", sagte ich nicht ohne Stolz.
Quatsch", antwortete Monika, die Grausame. "Habe ich beim Ersten auch gedacht. Und dann war’s bloß ein verklemmter Pups."
Die Vorstellung, dass ich mich minutenlang zärtlich mit einer Blähung unterhalten hatte, beschämte mich.
Also Leute, lässig bleiben. Alles ganz natürlich. Alles nichts Besonderes. Außer vielleicht bei mir.
So, ich muss los, "Eine kleine Nachtmusik" besorgen.
Hier geht es zu Teil 2
Teil 1 Und immer ganz lässig bleiben
Ihr fester Vorsatz war, sich nicht verrückt zu machen. Schwanger sein ist ja nun echt nichts Besonderes, findet Ildiko von Kürthy. Mit einer Ausnahme: Man ist es selbst. Lagebericht aus dem sechsten Monat.