Genauso, wie wir auf uns selbst aufpassen und für uns sorgen, können wir das für unsere Familie tun und damit den Großbrand schon im Keim ersticken. Wie das geht, verrät Familientherapeut Malte Leyhausen in seinem Buch "Familie ist nichts für Feiglinge".
Die Familie ist ein wichtiger Anker
Für 93 Prozent der Deutschen ist die Familie einer der wichtigsten Anker für ihr seelisches Wohlbefinden. Wenn's rund läuft zumindest. Aber mal ehrlich, wo läuft es schon immer rund? Wie auch, wenn verschiedene Individuen mit unterschiedlichen Tagesabläufen aufeinander treffen, birgt das natürlich die Gefahr, dass es auch mal hitzig wird. Das gilt für die Kinder genauso wie für Erwachsene. Es ist schließlich auch nicht so easy zwischen Wäschebergen, Schulstress, Arztterminen, Wocheneinkauf und Job die Laune am Anschlag des Wohlfühlbarometers zu halten und jeden Tag strahlend den Alltag zu wuppen und dabei möglichst allen gerecht zu werden. Ein Wunschtraum, denn: Das wünschen wir uns vielleicht alle, lässt sich in der Realität aber einfach nicht umsetzen.
Neue Chancen auf gute Laune zulassen
"Es ist unmöglich, seine Familie restlos vor Krankheiten zu schützen, Abgrenzungen zu verhindern, jeden zufriedenzustellen, Konflikte unterm Teppich zu halten und jeden Tag als Event zu inszenieren", sagt auch Familientherapeut Malte Leyhausen. Was man aber im Kleinen tun kann, um miese Stimmung abzufedern und auch nach einem richtig ätzenden Tag noch mit einem guten Gefühl und der Gewissheit ins Bett zu gehen, dass morgen ein neuer Tag und damit eine neue Chance auf gute Laune kommt, das verraten wir hier.
Seelische Hausapotheke für Familien: 5 Selbstfürsorgen-Ideen
1. Dankbarkeitstagebuch
Ja, wir wissen es: Immer wenns doof läuft, kommt irgendwer mit diesem Dankbarkeitskram um die Ecke. Zu Recht! Einfach, aber effektiv: Jeden Abend vor dem Einschlafen notiert jedes Familienmitglied drei Dinge in ein Heft oder in eine App (z. B. "Dankbarkeit Tagebuch"), für die es an diesem Tag dankbar ist. Man muss es nur tun, und nach ein paar Tagen zeigen sich auch die ersten positiven Effekte. Belegt übrigens auch eine Studie, dass ein Dankbarkeitstagebuch die Zufriedenheit mit dem Leben und der Familie deutlich erhöht (Seligman 2005).
2. Grübeln auf Zeit
Und? Heute schon ein paar Runden auf dem Grübelkarussell gedreht? Zeit, das Ding anzuhalten, nur wie? Wenn die Gedanken kreisen und kreisen, hat Malte Leyhausen den Grübelsack in petto.
"Zur Vorbereitung vor dem ersten Einsatz werden tagsüber typische Grübelgedanken auf jeweils einen Zettel geschrieben. Die Zettel füllt man in ein Säckchen oder einen Umschlag. Sobald abends das Grübeln im Bett losgeht, steht man auf und geht mit seinem Grübelsack an einen besonders unangenehmen Ort wie die Rumpelkammer oder die Kellertreppe. Hier müssen eine halbe Stunde lang die Gedanken auf den Zetteln durchgegrübelt werden. Nach den 30 Minuten fragt man sich, ob es wirklich genug ist oder eine weitere halbe Stunde nötig wäre. Erst nach reiflicher Überlegung, ob ausreichend gegrübelt wurde, darf man ins kuschelige Bett zurückkehren. Nur Mut! Die Linderung tritt meist erst ein, wenn der Grübelsack einige Abende im Einsatz war."
3. Jammern, aber nach Regeln
Jammern ist auf Dauer echt schwer zu ertragen und macht richtig miese Laune, aber manchmal brauchen wir das einfach. Daher empfiehlt Leyhausen drei Hausmittel gegen das Jammern, damit sich bloß niemand ansteckt.
- Der Jammer-Wecker: Sobald das Haus betreten wird, darf jeder 20 Minuten jammern. Timer stellen nicht vergessen und dann ist auch wirklich Schluss!
- Der Jammer-Sessel: Wenn 20 Minuten einfach nicht reichen, schlägt Leyhausen den Sessel vor, auf dem nach Belieben gejammert werden darf, allerdings nur, wenn man dabei den auserkorenen Sessel nicht verlässt. Möglicherweise wird auch das irgendwann langweilig.
- Das Jammer-Fasten: Es wird ein Tag festgelegt, an dem nicht gejammert werden darf. Verstöße werden mit einem Euro für das Jammer-Sparschwein geahndet. Und von dem zusammengejammerten Geld kann man sich als Familie dann was Schönes gönnen.
4. Lieblingsbox mit Erinnerungen
Der erste Strampler, das erste selbstgemalte Kunstwerk, die ersten ausgefallenen Milchzähne, der erste selbst geschriebene Brief: All diese Dinge bergen Erinnerungen. Jedes besondere Ereignis in der Familie verdient ein Symbol oder kleines Erinnerungsstück, das in einer schönen Box für jedes Kind, aber auch jedes Elternteil aufbewahrt werden kann. Und nicht nur die schönen Momente gehören dort hinein, auch für die traurigen dürfen darin Platz haben. Symbolisch etwas in eine Kiste zu legen, hilft einerseits damit abzuschließen, andererseits macht es auch sehr viel Spaß, sich noch mal gemeinsam an die tollen Momente zu erinnern – vor allem wenn der Tag sonst ziemlich mies war.
5. Wünsche formulieren, statt Streit zu provozieren
Kennt man: Man ist genervt, weil wieder irgendwas rumliegt, der Fernseher zu laut ist oder, oder, oder. Schnell werfen wir uns gegenseitig unsere Fehler an den Kopf, und aus einer Mücke wird ein Elefant. Der Trick dabei ist: Wünschen statt vorwerfen. Denn wenn wir mal genau hinsehen, verbergen sich hinter den Vorwürfen, die wir unseren Kindern oder Partner:innen vorhalten, meist unsere persönlichen Bedürfnisse. Doch die kann man uns nicht von den Augen ablesen. Klar formuliert – ohne Vorwurf – kommen wir hier viel schneller und gelassener ans Ziel und zusammen.

Der Autor Malte Leyhausen, Jahrgang 1968, studierte Erziehungswissenschaft, Germanistik und Politik (Staatsexamen) in Heidelberg. Seit 2008 unterstützt er Familien als Systemischer Therapeut und Berater (SG). Zudem sammelte er langjährige Erfahrungen als Trainer für persönliche Kompetenzen, unter anderem im Rahmen der Ausbildung von Glückslehrer:innen. In der Inklusionsarbeit förderte er fünf Jahre lang Schüler:innen im Autismusspektrum. Seit 2018 coacht er im öffentlichen Auftrag arbeitslose Jugendliche. Malte Leyhausen publizierte bereits pädagogische Sachbücher zu den Themen Prokrastination, Paarbeziehung und Unterrichtsmethoden für das Schulfach Glück. Der Autor lebt in Seeheim-Jugenheim an der hessischen Bergstraße und ist Patchwork-Vater von zwei Kindern.

Mit seinem Buch "Familie ist nichts für Feiglinge" bietet Malte Leyhausen eine Alternative zu unrealistischen Patentrezepten für das Familienglück. Leserinnen und Leser erhalten mit diesem Buch vielmehr Hilfe zur Selbsthilfe, indem sie zu einem Blick hinter den Spiegel der eigenen Erwartungen eingeladen werden. Wie entstehen ihre Ansprüche an sich selbst und an ihre Angehörigen? Mit welchen Stellschrauben können sie ihre Selbstwirksamkeit steigern?
Erschienen ist das Buch im Edigo Verlag für 16,50 €.