Dein Kind ist krank, aber du hast keine Wahl und musst heute zur Arbeit. Immerhin bist du nicht allein und der:die Partner:in kann zu Hause bleiben und sich um das Kind kümmern. Und trotzdem: Auf der Arbeit quälen dich Schuldgefühle. Wie kannst du dein Kind nur allein zu Hause lassen? Ist dein Job wirklich so viel wichtiger als deine eigene Familie? Was für eine Mutter bist du denn?
Kommen dir diese Gedanken bekannt vor? Dann bist du damit womöglich nicht allein, wie eine Studie kürzlich feststellte, die sich mit Schuldgefühlen von arbeitenden Elternteilen auseinandersetzte. Das Spannende dabei ist allerdings, dass es eher die Mütter sind, die ein schlechtes Gewissen quält.
Geschlechterstereotype haben auch heute noch große Macht
Wie sich Geschlechter zu verhalten haben, ist eine Vorstellung, die tief in unserem Bewusstsein eingebrannt ist: Zwar sind in der heutigen Zeit Frauen auf dem Arbeitsmarkt gut vertreten und auch in Bezug auf das Verständnis und die Bedeutung von Care-Arbeit hat sich eine Menge getan. Doch auch im 21. Jahrhundert wird die Kinderbetreuung und Haushaltsaufgaben noch immer größtenteils von Frauen übernommen, wie mehrereStudien zeigen. Und wie schon in den letzten Jahrzehnten, ist es auch bis heute noch der Vater, der mehr verdient und die meiste Zeit außer Haus arbeitet.
Die soziale Rollentheorie besagt, dass die Gesellschaft unterschiedliche Erwartungshaltungen an Männer und Frauen hat: Während Attribute wie Warmherzigkeit und Fürsorge eher Frauen zugeschrieben werden, sollen Männer eher aggressiv und stark sein. Sicherlich: In vielen Haushalten dieser Zeit haben Klischees wie diese keinen Platz mehr, doch die besagte Studie zeigt deutlich, wie stark die "verinnerlichten Geschlechterstereotype" auch heute noch in den Köpfen der Menschen verankert sind – und wie gerade Mütter darunter zu leiden haben.
Die "Working Mom" und die Schuld
Die teilnehmenden Männer und Frauen der Studie wurden vor ein fiktives Szenario gestellt, das in der Einleitung dieses Artikels beschrieben wurde: Sie haben ein krankes Kind zu Hause und müssen zur Arbeit, der:die Partner:in bleibt daheim und kümmert sich um das Kind. Die Teilnehmer:innen mussten dann angeben, inwieweit sie mit traditionellen Geschlechterstereotypen übereinstimmen, die Frauen in der Familie und Männer auf der Arbeit sehen.
Im Durchschnitt fühlten sich die befragten Mütter schuldiger als die Väter. Die männlichen Teilnehmer hatten auch umso weniger Schuldgefühle, je mehr sie den traditionellen Geschlechtervorstellungen zustimmten. Eine zweite Studie, an der nur Frauen teilnahmen, kam zu dem Ergebnis, dass diese sich an den Tagen, an denen sie länger arbeiten mussten, besonders schuldig fühlten. Logischerweise war das Ergebnis bei den Frauen in Bezug auf die traditionellen Geschlechterstereotype genau andersherum: Je mehr die Frauen diesen zustimmten, desto schlechter fühlten sie sich, weil sie arbeiteten.
"Unsere Forschung zeigt, dass diese Geschlechterstereotypen nicht nur die Bewertung anderer prägen, sondern auch die Gefühle der Eltern selbst in Bezug auf ihre Entscheidung für die Familie und den Beruf", erklärt Lianne Aarntzen, die Hauptautorin der Studie. "Um die Gleichstellung der Geschlechter bei den Arbeits- und Familienrollen zu erreichen, ist es ein wichtiger erster Schritt, den geschlechtsspezifischen Aspekt der Schuldgefühle zu beseitigen, wenn die Arbeit der Eltern mit ihren Erziehungsaufgaben kollidiert."
Verwendete Quellen: dailymail.uk.com, bpspsychub.onlinelibrary.wiley.com, semanticscholar.org, epws.org, psycnet.apa.org