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Jannike Stöhr Träum weiter! Wie du mit kleinem Kind deine berufliche Erfüllung lebst

Jannike Stöhr: Eine junge Frau steht mit ausgebreiteten Armen auf einem Berggipfel
© inigolaitxu / Adobe Stock
Sie testete in kurzer Zeit 30 Berufe – und schrieb ein Buch darüber. Vier Jahre später wurde Jannike Stöhr Mutter. Und fragte sich: Wie kann ich auch mit einem kleinen Kind meine berufliche Erfüllung leben? Ihre Erfahrungen gibt sie als Coachin weiter.

Jannike Stöhr, 36, hatte alles: einen sicheren Job als Personalerin in einem Automobil-Konzern. Und genügend Geld. 2014 kam der Wendepunkt. Ihr Vater, in dessen Fußstapfen sie beruflich getreten war, starb. Und sie gab alles auf – den Job, die Wohnung, ihren Besitz. Warum? Um den eigenen Traumjob zu finden. In dem Jahr, in dem sie 30 Berufe ausprobierte, hat sie vor allem eines gelernt: "Man kann nur dann eine erfüllte Karriere haben, wenn man die eigenen Gefühle ernst nimmt – und Schritt für Schritt seiner Intuition folgt." Heute hat Jannike Stöhr eine eigene Coaching-Firma.

Eltern Family: Jannike, bevor du deinen Sohn bekommen hast, hast du dein "30 Jobs in einem Jahr"-Projekt durchgezogen – und dafür deine feste Stelle in einer Personalabteilung aufgegeben …

Jannike Stöhr: Ich war damals in einer Sinnkrise. Ich wollte nicht nur fürs Geld arbeiten, nicht irgendeine Karriereleiter hinauf – ich war auf der Suche nach meiner Berufung. Ich habe mich dann zum Beispiel als Tierpräparatorin ausprobiert, als Opern-Agentin und Freizeitpark-Betreiberin. Immer jeweils eine Woche lang.

Die eigene Berufung finden, das wollen viele andere auch. Sogar – oder gerade – dann, wenn man ein kleines Kind zu Hause hat. Was gibt es da für Möglichkeiten? Kannst du Jobs nennen, die deiner Erfahrung nach besonders geeignet sind?

So nach dem Motto "Tiere zu präparieren lässt sich wunderbar mit dem Muttersein verbinden"? Nein, so arbeite ich nicht mit meinen Klientinnen und Klienten. Sie sollen ja nicht zur Stelle passen, sondern umgekehrt – die Stelle zu ihnen. Deshalb frage ich nach: Was sind deine Werte? Deine Interessen? Was sind deine natürlichen Stärken? Und damit meine ich keine erlernten Fähigkeiten, bei denen man zwar gute Arbeitsergebnisse erzielt, aber unheimlich viel Energie lässt. Ich meine Dinge, die leichtfallen und Energie geben.

Zum Beispiel?

Manche Menschen lieben es zu organisieren oder zu strukturieren. Andere, mit Kindern zu spielen und ihnen das Gefühl von Geborgenheit zu schenken. Wiederum andere haben ein ausgeprägtes Vorstellungsvermögen. Man kann damit anfangen, eine Liste dieser Stärken aufzuschreiben. Nur für sich – ohne Zensur. In meinem Traumjob-Experiment habe ich gelernt: Es braucht den Realitätscheck. Denn ich weiß nur, wie sich eine Arbeit tatsächlich anfühlt, wenn ich Sachen ausprobiere. Manches erfüllt mich in der Realität längst nicht so, wie erwartet. Andere Tätigkeiten dagegen überraschen mich positiv. Oder ich entdecke eine neue Stärke an mir. Ich muss das spüren – gute Ratschläge nützen da wenig.

Träume sollte man in der Realität ausprobieren, sagst du. Was, wenn man jetzt familiär bedingt nur wenig Zeit für kreative Experimente hat?

Ausprobieren kann ich auch im ganz Kleinen. Niemand muss wie ich 30 Jobs in einem Jahr testen. Ich kann auch tageweise hospitieren, kleine Projekte angehen oder Dienstleistungen im Freundeskreis anbieten.

Woran denkst du da?

Vielleicht sind Freunde begeistert von der Homepage, die man selbst gestaltet hat. Von der Art, wie man sich kleidet oder seine Wohnung einrichtet. Zieht jemand im Bekanntenkreis um, könnte ich testweise meine Unterstützung als Einrichtungsberaterin anbieten. Dabei kann ich schauen: Wie gehe ich vor? Was braucht mein Gegenüber? Und vor allem: Macht es mir wirklich Freude? Schon ist man mittendrin.

Angenommen eine Mutter von drei kleinen Kindern findet nach einigem Probieren heraus, dass sie am liebsten mit einer Band durchs Land tingeln möchte … wie geht sie dann weiter vor? Aus, der Traum?

Als Musikerin oder Tour-Managerin? Wenn sie es darstellen kann, dann wunderbar! Ich schaue mit meinen Klientinnen und Klienten allerdings immer auch auf die Bedürfnisse. Sollte diese Frau gleichzeitig viel Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen, dann würde ich mit ihr ihre Idee genauer analysieren. Was genau reizt sie? Das Unterwegs-Sein? Oder doch eher die Musik oder die Zugehörigkeit zu einer Gruppe?

Die beiden letzteren Punkte ließen sich nämlich auch anders realisieren.

Wer Kinder hat, hat meistens auch ein Vereinbarkeitsthema. Du arbeitest heute als Coachin. Wie hast du mit deinem Mann die Modalitäten für deine Berufstätigkeit ausgehandelt?

Schon früh in unserer Beziehung habe ich ihm gesagt, dass eine Familie für mich kein Muss ist. Falls wir uns aber für ein Kind entscheiden sollten, wäre ich nur dabei, wenn wir alle Verpflichtungen fifty-fifty aufteilen. Nur auf die Mutterrolle beschränkt zu sein – das wäre für mich einfach nicht infrage gekommen. Obwohl es natürlich auch völlig in Ordnung ist, wenn andere Frauen genau darin ihren Lebenssinn entdecken.

Wie hat dein Mann reagiert?

Es war ihm anzumerken, dass er etwas anderes erwartet hatte, nämlich dass ich mich größtenteils um unser Kind kümmern würde. Er musste eine Nacht drüber schlafen, dann hat er eingewilligt.

Nur eine Nacht?

Mehr oder weniger, er hat sich ziemlich schnell entschieden. Mein Mann ist älter als ich – und er hat deutlich mehr verdient. Das Verdienst-Argument kam natürlich auch, es ist ja öfter so, dass Männer mehr verdienen. Mein Gegenargument war, dass ich meinen eigenen Verdienst nur dann steigern kann, wenn ich dranbleibe an meiner Karriere – nicht, wenn ich aufhöre zu arbeiten. Das mal so deutlich auszusprechen und auch finanzielle Verantwortung zu übernehmen, hat meinen Fokus noch einmal geschärft.

Und wie ging’s weiter?

Ich bin schwanger geworden, habe unseren Sohn bekommen. Das war schön – ich hatte aber auch Angst, dass mein Leben jetzt vorbei ist. Das Berufliche zumindest. Obwohl das Baby ja nicht überraschend gekommen ist, haben mich die ersten drei Schwangerschaftsmonate in eine depressive Phase gestürzt. Das hat sich nach Ablauf des ersten Trimesters wieder gegeben. Inzwischen läuft’s, unsere Absprachen funktionieren. Mit nur ganz wenig Streiterei übrigens. Auch weil wir zu Hause ein System haben, das genau festlegt, wann wer arbeitet oder sich ums Kind kümmert. Inzwischen ist unser Sohn in der Kita, aber wenn er mal krank ist, macht immer derjenige das Back-up, der laut Plan keinen Arbeitstag hat. Auf diese Weise muss ich auch nie Termine absagen. Und unser Kind hat einen Vater, der präsent ist. Den hatte ich zum Beispiel nicht.

Und auf der beruflichen Seite? Was hat sich da seit der Geburt verändert?

Früher habe ich viele Spaß-Projekte gemacht, die mir nicht unbedingt Geld eingebracht haben. Weil ich als Mutter auch Zeit mit meinem Sohn verbringen will, musste ich meine Arbeitsweise verändern und die Wirtschaftlichkeit in den Fokus rücken. Ich habe mein 1:1-Coaching in ein Online-Programm umgewandelt, in dem ich Menschen auf ihrem Weg zu beruflicher Erfüllung begleite. Das gibt mir zudem die Möglichkeit, die Menschen länger und intensiver zu unterstützen, statt nur punktuell. Dafür habe ich mich dann auch mit Online-Marketing beschäftigt. Es ist ja nicht so, dass man Kurse anbietet und alle kommen einfach vorbei. Da durfte ich viel lernen. Aber meine Mitverantwortung für das Familieneinkommen und mein Wunsch, berufliche Erfüllung auch als Mutter zu leben, haben mir den Fokus und die Energie gegeben.

Viele Frauen plagt auch das schlechte Gewissen, wenn sie als Mütter weiterhin ambitioniert arbeiten wollen. Die Erwartungen der eigenen Familie und der Gesellschaft spielen immer noch eine Rolle.

Ich messe meiner Arbeit eine hohe Bedeutung bei, und sie ist für mich eine Möglichkeit, wirksam zu sein. Den eigenen Bedürfnissen Raum zu geben, das finde ich wichtig. Dabei sehe ich mich auch in der Vorbildfunktion für meinen Sohn. Ich möchte ihm vorleben, die Verantwortung für das eigene Wohlbefinden zu übernehmen. Aus dieser Kraft heraus kann ich dann auch wieder viel besser für meine Familie da sein.

Jetzt seid ihr beide Freelancer, du und dein Mann, und müsst euch nur miteinander absprechen. Wie können Mütter und Väter eine glückliche Work-Life-Balance hinkriegen, wenn sie fest angestellt sind? Viele Eltern sehen sich ja gar nicht in der Position, beim Arbeitgeber Forderungen zu stellen. Falls finanzielle Engpässe entstehen, haben sie einfach Angst davor, ihren Job zu verlieren.

Es geht aus meiner Sicht nicht um Forderungen, sondern darum, zu prüfen, welche Möglichkeiten es gibt, Arbeit und Familie zu vereinbaren. Gerade an solchen Wendepunkten im Leben wie bei der Familiengründung dürfen wir uns noch einmal überlegen, was wir wirklich wollen im Leben. Der amerikanische Psychologe Martin Seligman unterscheidet zwischen Job, Karriere und Berufung. Will ich nur irgendwo meine Miete verdienen? Oder von Sprosse zu Sprosse die Leiter hoch, selbst, wenn es nicht meine eigene ist? Oder mich tatsächlich selbst verwirklichen?

Eine meiner Klientinnen ist Mutter geworden, und plötzlich wollte sie sich nicht mehr beruflich verändern, weil das Kind ihre Prioritäten verschoben hat. Wenn man aber beides will – Kind und berufliche Selbstverwirklichung –, dann sollte man auch nach Wegen suchen, beides zu vereinbaren. Und natürlich dafür einstehen.

In meinem Umfeld gibt es viele Mütter, die auf Yoga, Coaching oder kreative Basteleien umsteigen – fast alles Jobs, die nicht viel Geld bringen. Und sich ohne finanzielles Back-up durch den Partner nicht machen ließen.

Deswegen ist der Blick auf die Wirtschaftlichkeit auch so wichtig. Welche Ressourcen und welches Geschäftsmodell braucht es, um rentabel zu arbeiten? Eine Freundin von mir hat zur Geburt ihres ersten Kindes einen Etsy-Shop eröffnet, in den mittlerweile auch ihr Mann und ihr Bruder mit eingestiegen sind. Klar, es gibt auch andere Geschichten. Auch meine Selbstständigkeit lief nicht ohne Rückschläge ab. Wichtig ist, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren und dranzubleiben. Es finden sich immer Lösungen.

Mit welchen Tricks kriegen deine Klienten denn die Kurve? Motivieren sie sich mit Mantren?

Nichts gegen Mantren. Ich setze aber lieber auf gute Strategien, Geschäftskonzepte und überzeugende Bewerbungen.

Angenommen, du wärst nicht Mutter eines Dreijährigen, was würdest du heute beruflich machen?

Ich liebe meinen Job. Es läuft, ich habe inzwischen sogar ein tolles Team, das mich unterstützt. Ich würde genau das machen, was ich tue – nur eben in Vollzeit.

Mutter sein und einen Job finden, der wirklich zu den eigenen Fähigkeiten passt: Jannike Stöhr hilft Frauen, diesen Wunsch zu realisieren

Etwas mehr, bitte?

Jannike Stöhrs Podcast "Kopf • Herz • Erfolg" liefert Ideen und Anregungen – für alle, die auf der Suche nach dem beruflichen Glück sind! Ihr Buch "Das Traumjob-Experiment: 30 Jobs in einem Jahr" ist bei Eichborn erschienen, 15,99 Euro.

Und auch hier berichten Menschen praxisnah aus dem Berufsleben: whatchado.com

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