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Was für mich – der Mami DIY Blog Ein Fall für zwei. Oder: Wie das so ist, wenn das zweite Kind kommt

Blog Claudi Was für mich DYI Das Zweite
© Claudia Schaumann
Beinahe hätte ich dem Briefträger die Brust gegeben. Hätte nicht viel gefehlt, ehrlich. Ich hatte gerade meinen zweiten Sohn bekommen, ihn gefühlt immerzu an der Brust. Und dann klingelte es und der Briefträger kam und reichte mir die Hand, wollte mir gratulieren...

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Ich hatte auch meinen ersten Sohn voll gestillt, aber beim ersten Kind liegt man dabei ja in der Regel zwischen Decken und kuscheligen Stillwürsten, mit Gläsern voll mit Stilltee in Ruhe auf dem Sofa. Und macht bereits „Psst!“ wenn der Mann bloß fragt, ob man vielleicht auch noch ein alkoholfreies Weizen möchte. Beim zweiten Kind macht man dabei Wäsche, spielt mit Bauklötzen, buddelt in der Sandkiste, wartet an der Aldikasse. Oder macht dem Briefträger die Tür auf. Ich zumindest. Mein Zweiter wollte quasi immer an die Brust - vielleicht weil er eigentlich nie in Ruhe dort liegen konnte. Es gab da ja noch Kind Nummer eins. Und der wollte eigentlich alles. Außer ´das Baby´an Mamas Busen sehen.

Ja, ich fand bisher keine Zeit so anstrengend, wie das erste halbe Jahr mit zwei kleinen Kindern. Ich nenn es mal Zweikind-Kampfzone. Abends habe ich völlig fertig nach dem mal besser, mal schlechter überlebten Mama-Kinder-Manöver auf dem Sofa gelegen und gedacht: „Wie bitte überstehe ich bloß den nächsten Tag...“ Falls ich nicht vor Erschöpfung geweint habe. Oder geschlafen. Immer und immer wieder hab ich mich gefragt, wie das bloß Familien mit noch mehr Kindern machen.

Manchmal war ich richtig wütend auf den Ersten. Auch auf den Papa. Der konnte ausgerechnet in dieser Zeit beinahe nie da sein, weil er gerade unser Haus und seine Kanzlei aufbaute. Ach was, wütend auf alle. Auf die Welt. Ich hätte schreien können: „Lasst mich doch einfach mal mit meinem Baby in Ruhe. Das ist doch mein Baby. Das hab ich doch grad bekommen. Mein süßes Baby. Das will ich jetzt stillen, küssen, trösten, bekuscheln und vor allem in Ruhe bewundern können.“ Leider geht „in Ruhe“ nicht mehr, wenn man zwei hat.

Ich hatte auch ständig ein schlechtes Gewissen, weil mein Großer zu dieser Zeit nichts mehr wollte als seine Mama. Mir kam er plötzlich so groß vor. Seine Hände, die sich an meinen Arm klammerten. Und erst seine Windeln. Dabei war er damals ja auch noch so klein. Das denke ich vor allem jetzt, wenn ich mir die alten Fotos ansehe. Einmal lag er mittags in seinem Bett und sollte schlafen. Ich hörte ihn durch die leicht geöffnete Tür schreien und weinen und wimmern: „Wir wollen das Baby wegschmeißen.“ Da weinte ich mit und dachte: „Was hab ich ihm da bloß angetan?“

Ich ging hin und nahm ihn auf den Schoß und wiegte ihn und versuchte nebenbei dem Baby, das ebenfalls schrie, die Brustwarze in den Mund zu schieben. Ziemlich krumm saß ich da, wie so oft in diesem Jahr, und streichelte die beiden liebsten kleinen Menschen auf der Welt. Bis der Große den Kopf des Kleinen mit seiner kleinen Faust wegstieß. Er schrie. Der Kleine schrie. Ich schrie.

Ich bin Einzelkind und fand das immer blöd. Für mich war klar, dass ich mehrere Kinder möchte. Meine Kinder, dachte ich, werden auf jeden Fall Freunde. Dicke Freunde. Zwei Brüder, Seite an Seite, wie in der Johnny Walker Werbung. Und die beiden hauten sich die Köpfe ein. Zumindest einer.

Meine Hebamme war es, die mir, völlig verheult, irgendwann sagte: „Du kannst nicht erzwingen, dass Geschwister Freunde werden. Du kannst dein Bestes geben. Aber du kannst es nicht erzwingen.“ Ich zog seufzend den Heule-Schnutt hoch und fragte: „Und was ist das Beste?“ Sie lächelte: „Für beide so gut es geht da sein. Und für dich.“

Ich hab nie wieder so oft gesagt: „Warte mal kurz!“ wie in diesem Jahr. Und es gehasst. Ich hatte nie wieder so schlimme Rückenschmerzen vom Krummsitzen. Und vom doppelten Tragen. Ich hatte nie wieder so ein schlechtes Gewissen, wenn ich das Baby manchmal schweren Herzens kurz  schreiengelassen habe, mit puckernder Stillbrust und Kopf- und Bauchschmerzen, weil der Große schließlich nicht immer warten konnte.

Und dann plötzlich. Ein Wochenende in Berlin. Der Kleinere war knapp eins, konnte sich gerade aufrichten. Der Größere war gerade drei. Da standen meine beiden in Schlafanzug und Schlafsack im milchigen Morgenlicht am Ferienwohnungs-Fenster, Seite an Seite und schauten hinaus. Der Große sagte etwas, der Kleine lachte darüber. Ich lächelte. Ich schluckte. Bis heute macht mich wenig so glücklich, wie meine Kinder miteinander lachen zu sehen. Ich weiß dann: Es war die ganze Mühe wert.

Ich glaube nicht, dass es immer so anstrengend sein muss wie bei mir. Manche Kinder sind ganz sicher weniger eifersüchtig, oder sie sind es später. Dennoch finde ich den Sprung von einem auf zwei Kinder am Gewaltigsten überhaupt. Da ist plötzlich ein Multitasking, eine Aufmerksamkeit, eine Organisiertheit und eine Lockerheit gefragt, die ich zumindest erst üben musste. Witzigerweise wird es danach einfacher. Das ist wie jonglieren, habe ich mal irgendwo gelesen. Der Anfang ist hart, aber wenn man es erstmal kann, ist es eigentlich egal, ob noch ein oder zwei oder drei Kugeln dazukommen. Dann läufts... Bei meinem dritten Sohn fand ich das erste halbe Jahr wunderbar.
 

Hier ein paar Tipps, um den Alltag mit zwei Kinder zu jonglieren

    ⁃    Bitte den Ordnungs- oder Ernährungsanspruch für eine Weile hinten anstellen. Dann sind die Fenster halt dreckig und es gibt mal zwei Tage Tiefkühlpizza: Hauptsache Mama bleibt bei Laune.
    ⁃    Andere Mütter treffen. Kaum zu glauben: Aber ein Nachmittag mit zwei kleinen Kindern unterwegs ist oft so viel erträglicher und weniger anstrengend als mit ihnen allein zu Hause.
    ⁃    Stillzeit nutzen: Das große Kind nicht wegschicken, sondern dabei gemeinsam Bücher lesen oder auch mal eine schöne DVD gucken. So habe ich es mit den beiden Großen bei meinem Dritten gemacht und es waren die gemütlichsten Zeiten überhaupt.
    ⁃    Es klingt so ausgelutscht, aber es stimmt: Trotz allem versuchen, es zu genießen. Mit jedem Kind vergeht die erste Zeit schneller. Gefühlt ein paar schlaflose Nächte - und sie sind groß.

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