Artikelinhalt
Im Herbst und Winter haben vor allem Familien mit kleineren Kindern mit langwierigen Erkältungen und Atemwegsinfekten zu kämpfen. Umso beunruhigender, dass seit Monaten Fiebersäfte und Antibiotika für Kinder knapp sind. Doch nun könnte sich die Situation erneut verschärfen, wenn mit den sinkenden Temperaturen die Infektionszahlen steigen und damit auch der Bedarf an entsprechenden Arzneimitteln.
Ein Problem, mit dem Eltern bereits im letzten Jahr konfrontiert wurden. Fieber- und Hustensäfte waren Mangelware und so schwer zu bekommen, dass mitunter mehrere Apotheken abgeklappert werden mussten, um die Medizin für die kranken Kinder zu bekommen.
Warum gibt es Lieferengpässe bei den Medikamenten?
Vor allem die überdurchschnittlich vielen RSV-Infektionen hatten zu einer erhöhten Nachfrage vor allem nach fiebersenkenden Mitteln und Antibiotika geführt, die nicht kompensiert werden konnte. Die Gründe hierfür liegen einerseits in den erhöhten Infektionszahlen in Folge des Aufholeffekts nach Corona. Das bedeutet: Weil Kinder durch die Corona-Maßnahmen weniger in Kontakt mit Atemwegserregern gekommen sind, infizieren sie sich nun wieder häufiger und benötigen Medikamente. Aber auch die Abwanderung von Produktionsstätten nach Indien und China sowie durch den Ukrainekrieg unterbrochene Lieferketten sind Gründe für solche Engpässe.
„Lieferengpässe können allgemein ganz unterschiedliche Ursachen haben“, heißt es vom BfArM wie das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) zitiert. Zum Beispiel Produktionsprobleme, "wenn Herstellungsprozesse aufgrund von Qualitätsproblemen umgestellt werden, Ware nicht freigegeben werden kann oder wegen einer gestiegenen Nachfrage die Kapazitäten erhöht werden müssen“. Auch wenn nur wenige Hersteller über einen bestimmten Wirkstoff oder ein bestimmtes Zwischenprodukt verfügen, ist das ein Risiko, das Versorgungsengpässe zur Folge haben kann.
Welche Medikamente sind aktuell betroffen?
Welche Medikamente für Kinder konkret betroffen sind und in diesem Herbst und Winter eventuell knapp werden könnten, hat das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in einer Dringlichkeitsliste veröffentlicht. Darunter unter anderem das Breitbandantibiotikum Amoxicillin, aber auch die schmerz- und fiebersenkenden Arzneimittel Ibuprofen und Paracetamol sowie Salbutamol, das zur Therapie bei Asthma eingesetzt wird.
Gibt es Alternativen, wenn ein Medikament nicht lieferbar ist?
Sind Fiebersäfte für Kinder nicht lieferbar, wird empfohlen, auf andere Darreichungsformen wie Zäpfchen oder Tabletten auszuweichen. Einige Apotheken stellen außerdem selbst Fiebersäfte für Kinder her, die sich in Qualität und Wirkstoffen nicht von den Fertigprodukten unterscheiden, wohl aber im Geschmack, weshalb sie von Kindern möglicherweise nicht so gern eingenommen werden.
BeiAntibiotika sieht es jedoch weniger gut aus, da sich diese Medikamente nicht so leicht ersetzen lassen, sodass möglicherweise auf eine weniger wirksame Alternative umgeschwenkt werden muss.
Sollten Eltern Vorräte anlegen?
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) rät davon ab, Medikamente zu hamstern, wenn niemand krank ist. Einen kleinen Vorrat als Hausapotheke anzulegen, halte er aber für sinnvoll, alles darüber hinaus für kontraproduktiv. Wenn es zu einer schweren Infektwelle komme, dann werde die Bundesregierung zusätzliche Importe ermöglichen, versprach Lauterbach nach dem Spitzentreffen mit Vertreterinnen und Vertretern der Ärzte- und Apothekerschaft sowie Pharmaunternehmen, wie der NDR berichtet.
Was wurde bisher gegen die angespannte Versorgungslage getan?
Im Juni dieses Jahres hatte die Bundesregierung als Reaktion auf die Situation des letzten Winters das "Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln“ (ALBVVG) beschlossen.
Um den deutschen Markt für die Konzerne attraktiver zu machen, will das Gesetz beispielsweise die Fest- und Rabattverträge für Kinderarzneimittel abschaffen, wodurch Pharmakonzerne ihre Preise nun erhöhen könnten und die Krankenkassen diese trotzdem übernehmen müssten. Außerdem verpflichtet das Gesetz, Vorräte von mehreren Monatsmengen für vielgenutzte Medikamente anzulegen.
Kritiker fragen sich jedoch, wie diese Vorräte angelegt werden sollen, wenn schon jetzt nichts übrig bleibt und die Hersteller weltweit an ihre Limits geraten.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zeigt sich jedoch zuversichtlich: "Wir werden deutlich besser dastehen“, versicherte er gegenüber dem ARD-"Morgenmagazin“. Zu der Kritik an seinem Gesetz erklärt er: Es brauche noch ein bisschen Zeit, bis das Gesetz greift. Man wolle die Produktion zurück nach Deutschland bringen, aber ein Werk zu bauen brauche seine Zeit.
Quelle: rnd.de, BfArM.de, ndr.de, ARD Morgenmagazin vom 14.9.