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Familienkolumne Geht der Trend zum dritten Kind?

Mutter mit drei Töchtern
© galina_kovalenko / Adobe Stock
Wenn man sich so umguckt auf dem Spielplatz oder auf Instagram, scheint es, als entschieden sich immer mehr Eltern für ein drittes Kind. Ist das schon ein Trend? 

Der Fußballstar Lukas Podolski hat es, die Influencerin Anne Wünsche und das Model Chrissy Teigen auch: ein drittes Kind. Was früher vielleicht einen komischen Beigeschmack hatte, ist mehr als salonfähig geworden. Der Gedanke an ein drittes Kind vermittelt für viele heute etwas von sinnlicher Fülle und Lebenslust. Gibt es hier einen gesellschaftlichen Wertewandel?

Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes, das 2022 einen Anstieg der Geburten dritter Kinder in Deutschland meldete, scheinen einen solchen zu bestätigen – sind aber für sich genommen nicht aussagekräftig (siehe Interview). Die Kritik an der ursprünglich geplanten Kindergelderhöhung nur für das erste und zweite Kind ist zumindest ein Hinweis dafür, dass sich in der Familienpolitik der Wind dreht. Die Ampel-Regierung reagierte prompt. Seit Januar 2023 gibt es für jedes Kind je 250 Euro monatlich. Eine gute Nachricht für alle Familien.

Ein Konflikt zwischen Kopf und Herz

Das Einkommen, die Infrastruktur und die Psychologie beeinflussen den Wunsch nach einem dritten Kind, klar. Und wie eine skandinavische Studie zeigt, auch das Geschlecht der ersten beiden Kinder. Skandinavien gilt zwar als eine Region, in der Gender-Gerechtigkeit weitgehend zum Alltag gehört. Und dennoch ist auch hier vielen Eltern nicht egal, welches Geschlecht ihr Nachwuchs hat. Zwischen all den gesichteten (und auch manchmal widersprüchlichen) Studien und Daten fiel eine Tendenz auf: Skandinavische Eltern, die bereits zwei Kinder gleichen Geschlechts hatten, wünschten sich verstärkt ein drittes Kind – wohl in der Hoffnung, dieses hätte dann ein anderes Geschlecht als die ersten beiden.

Vom Wunsch zur Realität ist es aber noch ein Sprung. Wenn es ums dritte Kind geht, geraten Kopf und Herz schnell miteinander in Konflikt. Brauchen wir dann eine größere Wohnung, ein neues Auto? Können wir unsere Jobs behalten? Haben wir noch Zeit für uns selbst? Diese und ähnliche Fragen werden in Internet-Foren leidenschaftlich diskutiert. Seit 2021 haben Cornelia Dittrich, 40, und ihr Mann Clemens, 41, ein drittes gemeinsames Kind, den kleinen Johann. Wir haben nachgefragt: Wie seid ihr zu einer Entscheidung gekommen? "Wir hatten einfach das Gefühl, an unserem Tisch ist noch ein Platz frei. Und in unseren Herzen auch. Seit Johann da ist, fühlen wir uns tatsächlich komplett."

Für Cornelia Dittrich spielt da auch die eigene positive Kindheitserfahrung hinein. Sie selbst hat zwei Geschwister und profitiert, wie sie sagt, bis heute davon. "Da wir entschieden haben, dass wir beide berufstätig bleiben wollen, achten wir darauf, den Mental Load gerecht zu verteilen. Wir planen zum Beispiel auch Zeit ein, die jeder von uns nur mit einem der Kinder verbringt. Damit die sich nicht nur als Team wahrnehmen, sondern auch mal die volle Aufmerksamkeit bekommen."

Für alle, die noch hin und her überlegen – "Trauen wir uns jetzt oder nicht?" –, hat der Psychologe Hans-Otto Thomashoff eine passende Antwort: "Entscheidungen werden in unserem Denken eindeutig überbewertet. Nicht die Entscheidung selbst, sondern das, was wir aus ihr machen, ist entscheidend."

Frankreich fördert

Kindergeld wird hier erst ab dem zweiten Kind bezahlt. Und durch ein sogenanntes Familiensplitting erfolgt eine steuerliche Begünstigung von Familien mit zwei und mehr Kindern.

China lockert

Die Chinesen werden immer älter. Schon 2015 nahm die Regierung deshalb Abstand von ihrer Ein-Kind-Politik. Seit Mai 2021 dürfen Eltern auch drei Kinder bekommen.

Phänomen der Mittelschicht?

Eine Einschätzung zum dritten Kind von Prof. Dr. Anne-Kristin Kuhnt, Junior-Professorin für Demografie an der Universität Rostock

ELTERN: Frau Kuhnt, das Statistische Bundesamt meldete einen Anstieg bei den Geburten dritter Kinder in Deutschland. Ist das der Beweis für einen neuen Trend? Die Deutschen verabschieden sich vom gängigen Zwei-Kind-Modell?

Anne-Kristin Kuhnt: Wenn man von einer Trendwende spricht, muss man einen Referenzzeitpunkt festlegen. Anfang der 1970er-Jahre haben noch etwa 30 Prozent der Frauen in Deutschland drei oder mehr Kinder zur Welt gebracht. Heute sind es etwa 17 Prozent. Wenn man die 30 Prozent als Referenz heranzieht, sind wir weit von einem neuen Trend zum dritten Kind entfernt. Zudem muss man differenzieren, in welcher Bevölkerungsgruppe sich angeblich etwas verändert. Schließlich hat man im katholischen Süden oder auf dem Land schon immer mehr Kinder bekommen. Auch Deutsche mit eigener Migrationserfahrung haben größere Familien. Sie meinen die deutsche Mittelschicht, nehme ich an.

Genau, hier scheint ein drittes Kind gerade zum neuen Statussymbol zu werden. Ist das so?

Es mag so eine gefühlte Evidenz geben, aber da Sie mich als Wissenschaftlerin fragen: Die Daten reichen nicht aus, um das zu bestätigen. Es werden ja keine Fragen zu den Gründen der dritten Schwangerschaft gestellt.

Was wissen wir denn?

Wir wissen, dass es gerade einen kleinen Anstieg im Vergleich zu den vergangenen Jahren bei der Geburt dritter Kinder gibt. Ob dies eine generelle gesellschaftliche Trendwende weg von der Zwei-Kind-Norm darstellt, wissen wir jetzt aber noch nicht. Das wird sich erst zukünftig zeigen. Wir wissen auch, dass von allen kinderreichen Personen fast drei Viertel eine mittlere oder hohe Bildung aufweisen. Damit kann man Kinderreichtum aktuell als ein Phänomen der Mittelschicht beschreiben. Ob das dritte Kind jedoch als Statussymbol angesehen wird, wissen wir ebenfalls nicht. Es wäre aber interessant, das in zukünftigen sozialwissenschaftlichen Befragungen zu erheben.

Haben auch Corona und die Lockdowns einen Babyboom ausgelöst? Eine Rückbesinnung auf die größere Familie?

Das ist eher Spekulation. Aktuelle internationale Studien zeigen, dass es in den meisten Ländern aufgrund der Corona-Pandemie weder einen Babyboom noch eine Stagnation bei den Geburten gegeben hat. Kurzfristige Veränderungen in den Geburtenzahlen können eher darauf zurückzuführen sein, dass Corona einfach das Timing der Geburten verändert hat. Eltern haben vielleicht den Beginn der Pandemie abgewartet und Schwangerschaften lieber erst mal verschoben. Andere Eltern haben die Krise für eine vorgezogene Schwangerschaft genutzt, die vielleicht erst später geplant war. Es handelt sich aber nicht zwingend um zusätzliche Kinder, die aufgrund der Pandemie geboren wurden. Allerdings hat Familie noch immer einen hohen Stellenwert – insbesondere unter Jugendlichen, wie zum Beispiel Ergebnisse der Shell-Jugendstudie zeigen. Dies könnte ein Anhaltspunkt dafür sein, dass zukünftig womöglich wieder mehr Kinder in Familien geboren werden.

ELTERN

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