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"Einfach Nina" Dieser Film zeigt den schweren Weg eines trans Kindes zur eigenen Identität

In "Einfach Nina" weiß das titelgebende Mädchen, wer sie ist. Nur glaubt ihr kaum jemand
In "Einfach Nina" weiß das titelgebende Mädchen, wer sie ist. Nur glaubt ihr kaum jemand.
© JPRFphotos / Adobe Stock
In "Einfach Nina" möchte die achtjährige Nina einfach nur sie selbst sein. Und stößt damit bei den Erwachsenen auf viele Widerstände.

Im Film "Einfach Nina", der seine Premiere bei dem 30. Filmfest Hamburg feierte, stellt sich das titelgebende Mädchen mit einer Selbstverständlichkeit und Leichtigkeit mit genau diesen Worten ihrer irritierten Mutter Simone vor. Denn bis zu jenem Tag kannte Simone ihr Kind als "Niklas" – und als Jungen. Der Film erzählt den Weg von Nina – einem trans Kind, das sich seiner eigenen Identität vollkommen klar ist und genau deswegen immer wieder vor allem bei den Erwachsenen aneckt.

"Einfach Nina" zeigt, wie überfordert viele Eltern mit dem Thema Trans sind

Zu Anfang sieht Simone die Geschlechtsidentität ihrer Tochter eher als Phase, als "Spiel", das sie ausprobieren möchte. Doch als Nina dann im Kleid in die Schule gehen möchte, wird es der Mutter zu viel und sie meldet ihre Tochter kurzerhand krank. Sie versucht zu Beginn, auf das "Spiel" mit Nina einzugehen, doch als beide zusammen Kleider kaufen und eine Kundin ihren "Sohn" als Tochter bezeichnet, überkommt Simone Wut. Unter Tränen erklärt sie Nina, dass sie acht Jahre lang einen Sohn hatte, der nun einfach weg sei. Dass sie Zeit bräuchte, sich damit zu arrangieren.

Die Antwort ihres Kindes ist so einfach: "Aber ich bin doch da."

Ninas Vater Martin tut sich besonders schwer mit Ninas Identität. Beim Besuch einer Psychiaterin kommt die Wut in ihm hoch: Er hat fürchterliche Angst davor, dass seinem "Sohn" der Penis abgeschnitten wird. Dass die Veränderungen, die Nina sich wünscht, unumkehrbar seien. Die aufklärenden Worte der Psychiaterin, dass die Hormonbehandlung rückgängig gemacht werden könne und das medizinische Eingriffe ohnehin erst ab dem 18. Lebensjahr eine Möglichkeit seien, prallen an ihm ab. So sehr verrennt er sich im Laufe des Films in seiner Angst, dass er damit fast seine Familie aufs Spiel setzt.

Der Film zeigt, welche gesellschaftlichen Hürden junge trans Personen zu überwinden haben

Der Film zeigt die Reaktionen unterschiedlicher Generationen auf Ninas Geschlechtsidentität: Da sind zum einen die gleichaltrigen Kinder, die anfangs unsicher sind, als ihre Klassenlehrerin Nina als "irgendwie neue" Mitschülerin vorstellt. Doch schnell ist diese Unsicherheit verflogen – ganz anders ist es bei den Eltern der Kinder, die das Ganze "seltsam" und "nicht normal" finden. Ein Elternpaar beruft einen Elternabend ein, weil sie es nicht tolerieren können, dass ein "Junge" mit ihrem Mädchen in der Umkleide ist und dieselbe Toilette verwendet.

Der Film greift damit ein gern angebrachtes Argument von manchen Menschen beim Thema trans auf: dass (gerade) die Aufnahme von trans Frauen in Toiletten für cis Frauen (also Menschen, die bei der Geburt als Frau kategorisiert wurden) eine Gefahr darstelle. Hierdurch werden allerdings Menschen, die schutzbedürftig sind, unter Generalverdacht gestellt, übergriffige Handlungen an anderen durchführen zu wollen. Dabei sind trans Personen eher die Opfer als die Ausüber:innen von Gewalttaten, wie der Lesben- und Schwulenverband zusammenfasst. 

Erst spät merkt Martin, was er seinem Kind antut.

Auch Ninas Eltern tun sich anfangs schwer mit der Geschlechtsidentität ihrer Tochter. Gerade Martin kann lange Zeit nicht akzeptieren, dass er keinen Sohn hat, sondern eine Tochter. Erst als ein trans Mann und Mitarbeiter des (im Film fiktiven, aber in der Realität beispielsweise als Bundesverband Trans* existierenden) Trans-Netzwerks ihn darauf aufmerksam macht, dass er sein Kind für immer verlieren könnte, beginnt er, umzudenken. Nina bietet ihm sogar an, weiterhin "den Niklas zu spielen", schließlich habe sie ihn schon jahrelang gespielt und könne ihn auch ein bisschen weiterspielen – erst da merkt Martin, was er seinem Kind antut.

Wieso darf Nina nicht sie selbst sein?

Es ist erfrischend zu sehen, wie sicher sich Nina in ihrer Identität ist und mit welcher Leichtigkeit sie Gendergrenzen durchbricht. Und es ist herzbrechend, wie ihre eigenen Eltern, ihr Bruder und andere Erwachsene mit ihrer Identität umgehen. "Wieso?", fragt man sich als zuschauende Person. Wieso kann Nina nicht einfach sein, wer sie ist? Wem schadet sie damit? Wieso darf sie nicht die Kleidung tragen, in der sie sich wohlfühlt? Wieso darf sie auf einmal nicht mehr mit ihrer besten Freundin spielen, die sie versteht und sie unterstützt? Wieso verstehen ihr Bruder, ihr Vater und so viele andere Menschen nicht, dass ihr Name nicht Niklas ist? Wieso brauchen Erwachsene so viel Zeit, um sich an solche Dinge zu gewöhnen?

Nein, das bist du nicht, du bist doch ein Junge, du kannst gar nicht wissen, dass du etwas anderes bist, du bist doch noch ein Kind!

Kaum, dass Nina sie selbst sein möchte, bekommt sie von allen Seiten zu hören: Nein, das bist du nicht, du bist doch ein Junge, du kannst gar nicht wissen, dass du etwas anderes bist, du bist doch noch ein Kind! Doch wer hat damals Nina, als die anderen sie noch Niklas nannten, ihre Identität abgesprochen? Wer sagte zu ihr: Nein, du bist vielleicht kein Junge, das kannst du doch gar nicht wissen, ob du nicht doch etwas anderes bist, du bist doch noch ein Kind! 

Es scheint so klar, dass ein Junge ein Junge ist und ein Mädchen ein Mädchen, wenn medizinisches Personal nach der Geburt einen Blick auf die Genitalien wirft und ein Kreuz in eine Tabelle setzt. Doch wenn das Kind sagt: "Nein, das bin ich nicht", dann wird aus Verunsicherung Überforderung und aus Hilflosigkeit oft Wut und/oder Ablehnung.

Nach dem Abspann kommen die Drehbuchautor:innen auf die Bühne. Menschen und Geschichten hätten sie zu "Einfach Nina" inspiriert. Menschen wie die beste Freundin einer Autorin, die bereits mit vier Jahren wusste, dass sie ein Mädchen ist – auch wenn die anderen, die das noch nicht wussten, einen Jungen in ihr sahen. Diese Menschen existieren. Sie existierten schon immer. 

Als Eltern ist es an uns, unser Kind zu unterstützen

Als Martin das Neugeborenenarmband von Niklas vergraben will, um sich von seinem Sohn zu verabschieden, muss Simone mit Tränen in den Augen lachen. "Dein Kind liegt oben", sagt sie nur – und sagt damit alles. Für die beiden ist es unheimlich schwer, sich von ihrem Sohn zu verabschieden. Aber ihre Tochter – ihr Kind – ist noch da. Vielleicht ist das die wichtigste Erkenntnis eines Elternteils: dass sie ihr Kind nicht verloren haben an dem Tag, an dem dieses seine Geschlechtsidentität gefunden hat. Im Gegenteil: Nun ist ihr Kind wirklich da. Und Eltern tun das, was sie schon immer getan haben: Sie stehen ihrem Kind bei.

Verwendete Quellen: filmfesthamburg.de, lsvd.de

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