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Strategische Inkompetenz "Kümmere du dich mal, du kannst das besser" – so wehrst du dich dagegen

"Mach du das mal": Wie du dich gegen strategische Inkompetenz wehrst
Strategische Inkompetenz: "Komm, mach du das mal" als Dauerstrategie
© pavel_shishkin / Adobe Stock
Menschen vermeiden unerwünschte Aufgaben mit strategischer Inkompetenz – und laden sie kurzerhand auf andere ab. So kannst du dich dagegen wehren.

Während der Begriff "strategische Inkompetenz" vielleicht nicht vielen etwas sagt, dürfte so ziemlich jeder Mensch ihr schon häufiger im Leben begegnet sein. Oder vielleicht bist du selbst auch ein:e Praktizierer:in. Denn sie wird genutzt, um unliebsame Aufgaben an andere Menschen abzugeben – ohne das klar zu kommunizieren.

"Kannst du nicht auf das Kind aufpassen? Du machst das doch viel besser." oder "Magst du dich um die Einkäufe kümmern? Ich weiß immer nicht, wo ich was finde und was wir brauchen." Sätze/Aussagen wie diese sagen das eine, meinen aber eigentlich: "Ich habe keine Lust, das zu machen, also lade ich es bei dir ab." Das kann eine (lange) Zeit lang gutgehen. Bis sich die Person, die ständig zu den Aufgaben, die sie ohnehin erledigt, noch zusätzliche Dinge aufgehalst bekommt, komplett ausgenutzt und ausgebrannt fühlt. Wie kannst du strategische Inkompetenz erkennen und – viel wichtiger – wie kannst du dich dagegen wehren? Das haben wir in diesem Artikel zusammengefasst.

Strategische Inkompetenz ist ein Versagen, das immer gelingt

"Strategic incompetence" wurde als Begriff bereits im Jahr 2007 vom "Wallstreet Journal" etabliert – auch wenn das Phänomen sicherlich so alt ist wie die Menschheit. Es handelt sich nicht, wie der Begriff vielleicht andeutet, um eine Strategie, die scheitert. Vielmehr, erklärt der Autor im Artikel, handelt es sich um "ein Versagen, das immer wieder gelingt".

Es geht hierbei im Kern darum, eine ungewünschte Aufgabe an eine andere Person abzugeben. Das kann aus unterschiedlichen Gründen passieren, die nicht einmal zwingend eine bösartige Intention haben müssen. In einem Interview mit der "Zeit" spricht Psychologin und Verhaltenstherapeutin Nadine Rheindorf von einer automatisierten Handlung. "Oft ist es eben erlerntes Verhalten, das man gar nicht unbedingt reflektiert", sagt die Psychologin.

Vor allem ist hierbei der passiv-aggressive Part das Problem: Die Person kommuniziert nicht, dass sie eine bestimmte Sache – wie zum Beispiel den Abwasch – nicht machen möchte, weil man einfach keine Lust hat oder gar unsicher ist, etwas falsch zu machen und kritisiert zu werden. Rheindorf erklärt letzteren Grund so: "Wenn ich etwas noch nie gemacht habe, ist die Gefahr groß, dass ich beim ersten Mal Fehler mache oder sogar scheitere. Um sich davor zu schützen, kritisiert zu werden, hilft es, es gar nicht erst zu versuchen."

Wenn niemand mehr an Tom glaubt – auch nicht er selbst

Die Person, die stetig strategische Inkompetenz anwendet, baut für ihr Umfeld eine immere größer werdende Toleranz für die eigene vermeintliche Unfähigkeit auf. "Ach, Tom bekommt das nie hin mit dem Einkaufen" ist in diesem Beispielfall schon gar keine Kritik mehr. Hierbei handelt es sich in gewisser Weise um "Erwartungsmanagement" wie es von Unternehmen verwendet wird. "The Guardian" beschreibt das dann so: "Wenn du zufriedene Kund:innen haben willst, ist es ratsam, so zu handeln, dass du sie befriedigst. Es ist aber genauso ratsam, auf ihre Kriterien für Zufriedenheit zu achten (und sie im besten Fall zu deinen Gunsten zu beeinflussen)."

Bedeutet: Wer regelmäßig strategisch inkompetent handelt, der:die wird von anderen Menschen für bestimmte Aufgaben gar nicht mehr herangezogen. Die Wohnung ist unfassbar dreckig? Tja, Tom ist leider nicht besonders gründlich beim Saubermachen, da muss man am Ende eh nochmal drüber – lieber gleich selbst machen. Jemand muss auf das Kind aufpassen? Als das Tom das letzte Mal gemacht hat, lief das Kind den ganzen Tag mit voller Windel durch die Gegend und hat nur Schokolade gegessen. Also: Lieber selbst machen und eben nebenbei noch putzen. 

Tom kann sich freuen, denn niemand erwartet von Tom irgendetwas. Doch das wird bei Tom dazu führen, dass er selbst irgendwann auch nichts mehr von sich erwartet – oder sich irgendetwas zutraut.

Die andere Person macht es mal eben selbst – bis das auch nicht mehr geht

Für die andere Person ist diese Strategie natürlich auch nicht von Vorteil: Entweder kann sie darauf bestehen, dass Tom seinen Aufgaben nachkommt. Das ist eine anstrengende Rolle und selbst, wenn Tom die Aufgabe widerwillig erfüllt, muss sie damit rechnen, dass es "schuldrig" gemacht wurde ("Ach so, du wolltest, dass ich die Wäsche nicht nur wasche, sondern auch noch aufhänge?") oder so schlecht, dass man selbst noch einmal ran muss ("Wie, ich sollte den Boden mit warmen Wasser wischen?").

Es scheint einfacher, die Aufgabe von Anfang an selbst zu erledigen – so erspart man sich die Konfrontation und muss am Ende nicht der:die "Böse" sein. Die Person nämlich, die immer "so hohe Ansprüche" hat, bei der alles "perfekt" sein muss. Oder, um sich eines Gender-Klischees zu bedienen – die "meckernde Mutti“, die sich in alles einmischt, alles besser kann und der es niemand recht machen kann. Für alle Beteiligten wird es spätestens dann zum Problem, wenn diese Person irgendwann nicht mehr die Kraft dazu hat, es "mal eben schnell selbst" zu machen. Dann nämlich, wenn sie tagtäglich nicht nur die eigenen Aufgaben, sondern auch obendrauf die der anderen Person mit erledigt.

So kannst du dich gegen strategische Inkompetenz wehren

Es ist nur logisch, dass in einer Beziehung jede Art von Aufgaben nach den individuellen Stärken und Schwächen aufgeteilt sind – im besten Mal möglichst fair. Bei strategischer Inkompetenz geht es auch nicht darum – vielmehr wird die eine Person von einer anderen ausgenutzt. Egal, ob beabsichtigt oder nicht. Dieses Ungleichgewicht kann sich über kurz oder lang sehr negativ auf die Beziehung auswirken. Bevor es dazu kommt, hier ein paar Tipps, wie du mit strategischer Inkompetenz umgehen kannst:

  • Offene Kommunikation ist der erste und wichtigste Schritt: Sag deinem:deiner Partner:in, wie für dich die Situation ist, was das mit dir macht und vor allem warum es so nicht weitergehen kann.
  • Achtung: Hierbei soll es nicht darum gehen, einer anderen Person die alleinige "Schuld" zuzuweisen. Alle Beteiligten sind mit dafür verantwortlich, dass eine Situation so ist, wie sie ist. Und genauso sind alle mitverantwortlich, dass sie sich wieder ändert.
  • Schreibt getrennt voneinander alles auf, was ihr als Aufgaben habt (z.B. im Haushalt, auf der Arbeit, in der Erziehung). Seid beide sehr genau und notiert jede "Kleinigkeit".
  • Geht gemeinsam die Listen durch und besprecht, wie ihr die Zuständigkeiten (neu) aufteilen wollt.
  • Das meint vor allem auch: Die Person, die für eine Aufgabe verantwortlich ist, sollte nicht ständig daran erinnert werden müssen.
  • Nach ein paar Wochen setzt ihr euch noch einmal zusammen und besprecht, wie gut (oder nicht so gut) das geklappt hat und warum.

Verwendete Quellen: wsj.com, zeit.de, theguardian.com, tiktok.com, theeverymom.com

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