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ELTERN-Studie 2022 Was bewegt Familien in Krisenzeiten?

ELTERN-Studie 2022: Familie legt Hände aufeinander
© StockMediaProduction / Adobe Stock
Was bewegt Familien in Krisenzeiten, und was gibt ihnen Halt? Genau das wollten wir wissen und haben zusammen mit dem Forschungsinstitut mindline media eine repräsentative Studie durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen: Auch in stürmischen Zeiten finden Familien einen starken Anker.

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne: Wir halten ihn fest in unseren Armen, umwickeln ihn mit einer Decke und hoffen, darin könnte eine Superkraft stecken. Ein Umhang, der diesen zauberhaften und doch so zerbrechlich wirkenden Anfang schützt vor der Welt da draußen. Vielleicht ist dieser Wunsch, diese bedrohlich wirkende Welt so weit wie möglich draußen zu halten, heute stärker denn je. Denn wenn sich eine Krise an die nächste reiht, wo gibt es dann noch Halt?

Doch Krisen beschwören nicht nur Sturm und raue See herauf. Sie schärfen auch Konturen und damit den Blick fürs Wesentliche. Sie legen die Quellen frei, aus denen wir Kraft schöpfen können. Denn es sind die Widrigkeiten, die uns überhaupt erst wachsen lassen. Auch das lernen wir, wenn wir unseren Anfang aus den Händen geben, ihn selbst die Welt erobern lassen. Dann wird er zuerst hinfallen, im wahrsten Sinne also den Halt verlieren, ehe er wirklich sicher stehen kann. Krisen, so schmerzhaft sie sind, haben ihren Sinn.

Was Familien ins Wanken bringt und sie wieder aufrichtet, verraten uns die Antworten von 1 049 Müttern und Vätern, die im Mai 2022 an unserer repräsentativen Befragung teilgenommen haben.

Corona, Krieg und Klimawandel

Welchen Einfluss haben Krisen auf euer Lebensgefühl?

Ein paar dunkle Töne sind hinzugekommen in unserem sonst so bunten Familienleben. Jedes zweite Elternteil in unserer Befragung gibt an, sich heute mehr Sorgen zu machen als noch vor zwei, drei Jahren. Die Verunsicherung unter den Eltern ist insgesamt groß – vor allem bei den Themen Krieg (75 Prozent gaben an, dieses Thema verunsichere sie), wirtschaftliche Entwicklung (73 Prozent) und Zukunftschancen der eigenen Kinder (71 Prozent). Die Corona-Pandemie tritt dabei mit 41 Prozent der Nennungen fast schon in den Hintergrund.

Doch was heißt das nun? Dass die Unsicherheiten größer geworden sind, ist angesichts der drei aktuellen Mega-Krisen Corona, Krieg und Klimawandel wenig überraschend – oder doch? Die Zahl habe sie schon erstaunt, sagt Dr. Inga Laß vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung. Die Wissenschaftlerin weiß: Einstellungen ändern sich nur langsam. Darum würde sie die 49 Prozent, die sich nach zwei Jahren mehr sorgten, durchaus als hoch einordnen.

Was in der Befragung noch auffällt: Die vergangenen Jahre scheinen besonders bei den Müttern Spuren hinterlassen zu haben. Sie sind gegenüber den Vätern allgemein stärker verunsichert, besonders aber in Bezug auf die Zukunftschancen ihrer Kinder, beim Thema Krankheiten, bei der Corona-Pandemie und wenn es um die persönliche finanzielle Lage geht. Dabei zeigte die Forschung schon vor der Pandemie: Mütter fühlen sich grundsätzlich deutlicher stärker belastet als Väter. Corona wirkt hier allerdings als Verstärker. Andere Studien verdeutlichen ebenfalls, dass vor allem bei Müttern die Lebenszufriedenheit während der Pandemie deutlich gesunken ist.

In einkommensschwachen Familien ist die Verunsicherung der Eltern durchweg am größten. Am meisten sorgen sie sich um die persönliche finanzielle Lage (82 Prozent), aber auch andere Themen verunsichern diese Eltern stärker, etwa wenn es um die Zukunftschancen ihrer Kinder geht (78 Prozent), um Herausforderungen bei der Kindererziehung (63 Prozent) oder um Engpässe in der Versorgung (68 Prozent), zum Beispiel bei Lebensmitteln. Niedriges Einkommen ist also ein Risikofaktor für unser Wohlbefinden. Wohlstand kann hingegen vor bestimmten Sorgen schützen. Krieg und die wirtschaftliche Entwicklung in der Gesellschaft betreffen aber trotzdem alle.

Und solche Krisen könnten uns in Zukunft zu weiteren Zugeständnissen zwingen. Darum wollten wir wissen, worauf Eltern am ehesten verzichten könnten, ohne direkt an Lebensqualität einzubüßen. Für zwei Drittel der Eltern sind Flugreisen und Shoppingtouren entbehrlich. Auf Lebensmittel von Übersee könnte jeder Zweite verzichten.

Und nicht nur dunklere Töne haben sich dazugemischt. Wir sehen auch satte, helle Farben. Denn die Ergebnisse lassen sich auch so lesen: Neben der einen Hälfte, die sich heute mehr Sorgen macht, sehen wir auch die andere Hälfte. 51 Prozent der befragten Eltern machen sind trotz Corona, Krieg und Klima nicht mehr Sorgen als zuvor. Und die Befragung zeigt auch: Die Wertschätzung dafür, wie gut es einem selbst geht, und für den familiären Zusammenhalt sind bei vielen Menschen (43 Prozent) stärker geworden.

Wohnen: Große Familie, große Sorgen

Bestimmte Probleme werden bei Familien mit drei oder mehr Kindern noch drängender, Beispiel Wohnraum: Während 43 Prozent aller befragten Eltern die Situation auf dem Wohnungsmarkt verunsichert, waren es bei kinderreichen Familien schon mehr als jeder Zweite (56 Prozent).

Haus im Grünen und Homeoffice

Wie wollt ihr wohnen und arbeiten?

Vielleicht ist es der Wunsch nach Idylle, den wir in der Befragung sehen: Beim Thema "Wohnen" hat ein grünes Umfeld oberste Priorität (54 Prozent) bei den befragten Eltern. Kulturelle Angebote, die eher in Großstädten zu verorten sind, gaben gerade einmal 14 Prozent als besonders bedeutsam an. Eine nette Nachbarschaft und viel Platz folgen auf der Wunschliste. Fast ebenso wichtig wie das grüne Umfeld sind nahe gelegene Einkaufsmöglichkeiten und Betreuungs- beziehungsweise Bildungseinrichtungen, die die Kinder zu Fuß erreichen können. Je jünger die Kinder sind, desto wünschenswerter ist eine kurze räumliche Distanz zur Kita oder zur Schule sowie zu den Großeltern.

Mit der Pandemie hat sich auch das Arbeiten verändert. Vier von zehn Müttern und Vätern haben oder hatten in den letzten Jahren die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, was sich wiederum deutlich auf das Familienleben ausgewirkt hat – im Guten wie im Schlechten. Fangen wir mit dem Guten an: Das Homeoffice hat mehr Flexibilität in den Familienalltag gebracht, den familiären Stellenwert und die Beziehungen gestärkt, und es spart den Eltern wertvolle Zeit. Drei Viertel der befragten Väter gaben an, mehr Haus- und Familienarbeit zu übernehmen, seit sie im Homeoffice arbeiteten. Die meisten Väter (71 Prozent) wollen zukünftig auch noch mehr Zeit in die Familie investieren und sind bereit, auch Nachteile im Job hinzunehmen. Doch wird das auch so kommen?

Sozialwissenschaftlerin Inga Laß, die speziell auch zu den Auswirkungen von Homeoffice forscht, sieht durchaus Potenzial: "Das Homeoffice wird in deutlich größerem Umfang bleiben als vor der Pandemie. Und das birgt natürlich Chancen für die Väter, wie zum Beispiel eingesparte Pendelwege und flexiblere Arbeitszeiten. Viele Väter würden gern mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen." Tatsächlich sagten bei unserer Befragung über 90 Prozent der über 45-jährigen Väter, ihre Beziehung zu den Kindern sei durch das Homeoffice enger geworden. Corona könnte in diesem Punkt also positive Effekte verstärken.

Nicht so gut daran: Trotz aller Vorzüge hat die Homeoffice-Situation in vier von zehn Familien zu mehr Streit geführt – das wiederum vor allem bei jüngeren Eltern, die ja auch meist jüngere, betreuungsintensive Kinder haben und denen die Trennung von Job und Familie naturgemäß schwerer fällt. Auch das findet Forscherin Laß wenig verwunderlich. Es sei ein Irrglaube, dass man Homeoffice und Kinderbetreuung zeitgleich vereinbaren könne. Damit sich Eltern auf den Job zu Hause konzentrieren können, brauche es eben ein funktionierendes und verlässliches Betreuungssystem dahinter.

Vorzüge ungleich verteilt

64 Prozent der Höhergebildeten konnten das Homeoffice nutzen, aber nur 24 Prozent der Menschen mit geringerem Bildungsabschluss.

Kita, Schule, Medien

Unterstützen sie euch?

Ein verlässliches Betreuungssystem, genau das ist es, was für Eltern besonders wichtig ist. Unsere Befragung zeigt: Kita, Schule und Hort sind eine wichtige Stütze und für die Familie unentbehrlich. 85 Prozent der Eltern sagen, eine verlässliche Kinderbetreuung sei notwendig, um den Familienalltag überhaupt stemmen zu können. Auch für die Entwicklung des Kindes spielen die Betreuungseinrichtungen nach Meinung der Eltern eine wichtige Rolle. Fast alle Mütter und Väter (94 Prozent) finden, Kinder brauchen Kita und Co, um Sozialverhalten zu lernen.

Schauen wir genauer hin, wird es noch interessanter: Denn acht von zehn Elternteilen (vorrangig Mütter) sind der Meinung, Kinder sollten in den ersten zwei, drei Jahren von einem Elternteil betreut werden und generell nicht den ganzen Tag in der Kita verbringen.

Wer den gesellschaftlichen Diskurs der vergangenen Jahre verfolgt, könnte sich fragen: Sind wir nicht längst weiter? Wirken hier immer noch die alten Rollenbilder ein – die gute Mutter bleibt beim Kind? Vielleicht aber sind diese Ergebnisse auch Ausdruck dessen, dass wir gar nicht unbedingt weiter sein wollen. Dass die bisherigen Antworten auf die Frage, wie wir Arbeit und Familie zusammenbringen, unbefriedigend waren. Denn offensichtlich wollen Eltern Kinderbetreuung, nur nicht um jeden Preis. Über die richtigen Rahmenbedingungen für Betreuung müssen wir also noch weiter verhandeln. Klar ist aber: Die Beziehung zwischen Eltern und Kind ist bedeutsam.

Wenn es um Medienkonsum und Familie geht, werden in den öffentlichen Diskussionen meistens die Probleme besprochen. Tatsächlich aber haben Medien auch eine unterstützende Funktion. Technische Angebote wie Messenger helfen vielen Familien (80 Prozent) beispielsweise, um Kontakt zu Großeltern, Verwandten und Freunden zu halten. Sieben von zehn Elternteilen finden, gute Medienangebote unterstützen sie dabei, Themen anschaulich und kindgerecht zu erklären.

Trotzdem sehen Eltern auch Nachteile. So geben mehr als die Hälfte (65 Prozent) der befragten Mütter und Väter an, dass zu viel Medienkonsum den Familienzusammenhalt schwächt.

Familienpolitik: Wie sieht's bei den Nachbarn aus?

Werden Familien in unseren europäischen Nachbarländern von der Politik besser unterstützt? Soziologin Laß hilft noch einmal bei der Einordnung: "Was die rein monetäre Unterstützung von Familien angeht, da steht Deutschland im Vergleich gar nicht so schlecht da." Doch in anderen Bereichen sei das anders: "Weitere Potenziale sehe ich in Deutschland vor allem im Bereich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, etwa im weiteren Ausbau der Kinderbetreuung auch mit Ganztagsangeboten und einem guten Personalschlüssel. Auch ein weiterer Ausbau der Vätermonate beim Elterngeld könnte die Vereinbarkeit fördern."

Werte und Wertschätzung

Was wünscht ihr euch – vom Staat und für eure Kinder?

Deutlich mehr Unterstützung, das ist es, was Eltern sich wünschen. Große Bedeutung hat die finanzielle Versorgung: Knapp drei Viertel der Befragten, die finden, dass Eltern mehr unterstützt werden müssten, wünschen sich mehr Geld für Familien. Ebenfalls sehr wichtig wären mehr Flexibilität im Job, mehr Verständnis für die Bedürfnisse von Eltern und Kindern und Rücksicht vom Arbeitgeber für berufstätige Eltern. Schwangere scheinen dagegen mehrheitlich zufrieden zu sein mit der Hilfe, die sie vom Staat erhalten. Sechs von zehn Schwangeren finden, Eltern bekommen in Deutschland genügend Unterstützung durch den Staat, die Gesellschaft und den Arbeitgeber. Eltern wünschen sich eine Politik, die Familien stärkt. Aber was wünschen sie ihren Kindern? Auch das haben wir Mütter und Väter gefragt. Und wir sehen: Eltern scheinen ihre Kinder gut eingebettet wissen zu wollen in dem sozialen Gefüge, in das sie hineinwachsen und das ihnen später im Leben selbst Halt geben könnte.

Denn ein starkes Selbstbewusstsein, eine gute Bildung und Vertrauen in den Rückhalt der Familie sind die drei wichtigsten Dinge, die Eltern ihren Kindern vor allem mitgeben möchten. Mit etwas Abstand folgen gute Umgangsformen, Optimismus, Toleranz und Einfühlungsvermögen. Durchsetzungsstärke spielt mit 28 Prozent eher eine untergeordnete Rolle. Allerdings ist sie Vätern wichtiger als Müttern. Die Ergebnisse zeigen auch, dass sich die Wertvorstellungen je nach Bildungsstand unterscheiden können.

Rituale

49 Prozent der Familien, denen Rituale Kraft geben, haben feste Gewohnheiten beim Bringen und Abholen der Kinder.

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