Das Baby schreit, Essen kocht über, die Dreijährige kippt sich Saft über die Hose, und klar, da klingelt auch noch das Handy. Und zwar alles auf einmal. Wer kleine Kinder hat, muss Multitasking beherrschen. So richtig. Leider fehlt mir diese Fähigkeit aber komplett. Ich kann mich immer nur auf eine Sache konzentrieren.
Aber weil wir als Eltern quasi nie nur eine Sache machen, läuft es bei mir regelmäßig aus dem Ruder: Während ich ein glitschiges Baby in die Badewanne halte, stempelt die Große Einhörner aufs Parkett. Während ich durch den Großstadtverkehr havariere, quengeln Baby, Navi und Kleinkind durcheinander, und ich höre nur entfernt irgendwas von "abbiegen" und "Mamaaa, Pippi!". Beim Basteln in der Kita suche ich hektisch die Nadel, während irgendjemand über mein Baby hüpft, die Große den Glitzerstoff zerschnippelt und die Mama neben mir nett quatschen will. Schwirrt in solchen Situationen eigentlich nur mir der Kopf?
Ich beschließe, jemanden zu fragen, der es wissen muss: Dr. Tim Raettig forscht an der Universität Würzburg zu Multitasking und hat selbst zwei kleine Kinder. Schon sein erster Satz beruhigt mich: "Man kann nicht gleichzeitig hoch konzentriert zwei unterschiedliche, kognitiv fordernde Tasks erledigen." Okay, klingt schon mal gut. "Aber es gibt Menschen, die eine Präferenz dafür haben, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun. Diese Menschen sind aber nicht besser beim Multitasken, sie sind davon nur weniger gestresst."
Kann man Multitasking lernen?
Aha. Also, Herr Raettig, wie kann ich das lernen? Ich erfahre, dass Multitasking nicht nur bedeutet, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun, sondern auch schnell zwischen ihnen hin und her zu wechseln: "Alltagssprachlich spricht man auch von Multitasken, wenn man beim Abendbrot ständig zwischen Essen, Brotschmieren und Unterhalten wechselt. Dabei macht man selten Dinge wirklich gleichzeitig, es kommt einem aufgrund der schnellen Wechsel aber so vor. Gerade Unterbrechungen wirken sich stark negativ auf die Leistung aus."
Aber weil man halt nicht viel daran ändern kann, dass Kinder einen ständig unterbrechen, hat Raettig einen Tipp: Möglichst nicht gleich alles stehen und liegen lassen, sondern erst eine Aufgabe abschließen. Also in meinem Fall: erst Essen vom Herd nehmen, dann Baby auf den Arm und dann die Hose ausziehen. Hatte das Handy geklingelt? Egal. Und es helfe, erklärt Raettig weiter, möglichst Aufgaben miteinander zu kombinieren, von denen man mindestens eine "im Schlaf" beherrsche. Windelwechseln zum Beispiel, denke ich stolz. Ich wickle easy-peasy das Baby und kann der Großen gleichzeitig erklären, dass sie bitte sofort die Seife wieder von ihrer Zahnbürste waschen soll.
Gut, dass ich nur zwei Kinder habe! "Wie schafft man drei?", frag ich eine Freundin, die gerade ihren dritten Sohn bekommen hat. "Man schafft es nicht!", schreibt sie zurück und schickt ein Foto eines völlig verwüsteten Kinderzimmers. Und auch das ist wissenschaftlich total in Ordnung: "Man sollte seine Erwartungen niedrig halten, sich nicht zu viel vornehmen und gnädig mit sich sein", erklärt Raettig, "denn mit dem Elternsein ist man nie fertig und macht daher immer nebenher das, was gerade passt. Auch wenn alles etwas länger dauert und vielleicht nicht ganz so gut wird wie ohne Ablenkung. Das ist vollkommen okay!" Mein Tag ist gerettet. Und ich schau jetzt endlich mal, wer da eigentlich angerufen hat.