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Lazy Parenting im Praxistest Weniger Einmischung gleich weniger Stress – funktioniert das?

Lazy Parenting im Praxistest: Kind spielt auf dem Boden, Erwachsene sitzen auf einem Sofa
© pressmaster / Adobe Stock
„Weniger Einmischung gleich weniger Stress“ – so lautet das Motto von Lazy Parenting. Eltern sollen sich also bewusst zurücknehmen, was ihnen den Alltag erleichtern soll. Wir haben die Methode einem Praxistest unterzogen.

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„Einfach mal machen lassen“ – so die Kernaussage von Lazy Parenting. Konkret bedeutet das: unseren Kindern mehr Freiräume einräumen, sie ihre Konflikte ein Stück weit selbst austragen lassen und die eigenen Erwartungen runterschrauben. Das soll dann am Ende allen Familienmitgliedern zugutekommen: Die Eltern sind weniger gestresst und der Nachwuchs hat Raum zur freien Entfaltung. Soweit die Theorie, aber klappt das auch in der Praxis?

Was ist Lazy Parenting?

Lazy Parenting ist kein klar definierter, wissenschaftlicher Begriff in der Erziehungswissenschaft. Es ist eher ein Konzept, das zum Trend geworden ist und verschiedene Ideen zum Thema Erziehung vereint. So finden sich sowohl Einflüsse der Montessoripädagogik, als auch Elemente des Attachment Parentings.

Der Begriff meint nicht, dass die Eltern „faul“ (lazy) sein sollen, sondern ist eher als Gegenentwurf zu überengagierten Helikopter- oder Rasenmähereltern gemeint, die von morgens bis abends für ihre Kinder am Rotieren sind. Die Message: Nehmt euch als Eltern öfter mal zurück, lasst die Kinder machen und setzt weniger auf Verbote. Das Ziel: selbstständige Kinder und weniger überlastete Eltern. Klingt gut, aber unserer Autorin kommen da einige Fragen. Denn weniger elterlicher Eingriff kann auch das Gegenteil bedeuten: mehr Stress und Chaos. Hier kommen ihre Erfahrungen mit Lazy Parenting im Alltag.

Lazy Parenting im Praxistest

Konfliktlösung à la „Bis einer heult“

Ein Grundsatz des Lazy Parentings ist es, sich als Elternteil nicht direkt in die Konflikte der Kinder einzumischen. Finde ich gut – denn die Kompetenz zu streiten und sich auch wieder zu vertragen, erlernen Kinder auch in der ungestörten Interaktion miteinander. Das hat aber in meinen Augen überhaupt nichts mit „lazy“ zu tun. Sitze ich mit beiden Kindern zu Hause im Home-Office (das lieben wir alle!), höre ich alle drei Minuten Geschrei und Gezeter aus den Kinderzimmern: „Er hat mich gehauen, er hat mir das weggenommen, er hat, er macht, er, er, er …“ – meine beiden Söhne arbeiten sehr hart an ihrer Konfliktlösekompetenz.

Und das bedeutet für uns Eltern: Dauerbereitschaft! Denn gerade, weil wir nicht sofort eingreifen, müssen wir dann, wenn die Stimmung wirklich zu kippen droht, schnell zur Stelle sein. Also nichts mit Füße hoch und machen lassen. Denn sind wir ehrlich: Die wenigsten Konflikte zwischen einem 3- und 6-Jährigen lösen sich von selbst in Luft auf. Am Ende müssen wir eben doch unterstützen, trösten, schlichten.

„Geh mal in dein Zimmer und spiel was“

Lazy Parents überlassen ihren Kindern die Freizeitgestaltung. Natürlich nicht immer, sie praktizieren ja keinen vernachlässigenden Laissez-faire-Erziehungsstil. Aber es muss nicht immer elterliches Programm geben: Während der Nachwuchs sich allein beschäftigt, haben die Eltern dann auch mal Zeit für sich – so die Idee.

In der Praxis klappt das nicht immer so gut: Nach Kita und Schule haben die Kinder Hunger (gibt’s da eigentlich nur Mini-Portionen?) und kleben an uns, wie Kaugummi. Und wer will es ihnen verdenken – haben sie doch auch einen langen Tag außer Haus hinter sich. „Geh mal in dein Zimmer und spiel was“ klingt da irgendwie fies. Aber klar: Der Haushalt muss auch irgendwann noch erledigt werden und die Kinder wissen, dass wir dabei keine Klammeräffchen am Bein gebrauchen können. Also funktioniert hier für uns ein Kompromiss ganz gut: Wir kommen gemeinsam zu Hause an, essen einen Snack und lesen ein Buch (oder gucken Paw Patrol – es ist, wie es ist). Danach beginnt dann unsere Aufräum-Zeit und die Kids müssen sich allein beschäftigen. 

Geschützte Zonen? Entspannte Eltern!

Das Kind spielt am WLAN-Router, verteilt Blumenerde im Wohnzimmer oder füttert die Katze mit einer extra Portion Leckerlis – die Eltern kommen aus dem „NEIN!“ gar nicht mehr heraus und müssen ständig schauen, was der Nachwuchs als nächstes ausheckt. Das ist mega anstrengend, aber Lazy Parents kennen einen guten Trick dagegen: Einen sogenannten „Yes-Space“ – also einen geschützten Raum, indem es erst gar nicht zu diesen Nein-Tiraden kommen muss. Eben, weil dort alles kindersicher ist. Grundsätzlich ergibt es natürlich Sinn, alle Wohnräume kindersicher zu gestalten, aber – aus eigener Erfahrung – ist die Bude dann ziemlich leer. Wer also trotz Kindern auf Zimmerpflanzen oder Glasvasen setzen möchte, für den ist ein Nein-freies Kinderzimmer ein guter Kompromiss. Sind die Kids in ihren sicheren Räumen, wissen wir: Da müssen wir nicht alle fünf Minuten nachschauen oder gar die ganze Zeit daneben sitzen.

Natürliche Konsequenzen haben natürliche Grenzen

„Wenn du jetzt nicht …, dann …“ – na klar, wir wissen alle, dass diese Drohungen blöd sind. Trotzdem rutschen sie uns immer wieder raus, vor allem, wenn es schnell gehen muss oder der Geduldsfaden nicht bloß gerissen, sondern längst pulverisiert ist. Am Ende bekommt man damit oft trotzdem nicht, was man wollte und obendrein noch schlechte Stimmung und ein schlechtes Eltern-Gewissen. Aber Lazy Parenting hat auch hierauf eine Antwort: Statt auf Wenn-Dann-Sätze lieber auf natürliche Konsequenzen setzen. Also:

  • Keine Jacke? Dann wirst du frieren (und das Kind friert dann).
  • Kein Frühstück? Dann hast du nachher Hunger (und das Kind hat dann Hunger).

Indem wir die Kinder in Situationen, die sonst unter Umständen zu einem Konflikt geführt hätten, gewähren lassen, sollen natürliche Konsequenzen die Erziehungsarbeit für uns übernehmen. Hm. Also: Grundsätzlich ist dabei natürlich die Frage zu stellen, inwieweit ein Kind schon in der Lage ist, die Konsequenzen seines Handelns zu verstehen und zu reflektieren. Und dann fühlt sich ein knurrender Magen für Kinder vermutlich trotzdem nach Strafe an – und vor allem nicht gut. 

Und mal ehrlich: Welche natürlichen Konsequenzen außer kein Essen = Hunger, keine Jacke = kalt oder kein Schlaf = müde fallen euch ein? Eben. Für die meisten Alltagskonflikte ist dieses Konzept in der Praxis eher weniger geeignet. Da muss man sich dann doch mit den Kindern auseinandersetzen und andere Wege finden, um zu vermitteln, dass die Wände nicht mit Filzstift angemalt werden dürfen.

Kinder an den Staubsauger

Endlich mal ein Punkt, der wirklich was mit mehr „Faulheit“ zu tun hat: Die Kinder von Lazy Parents helfen im Haushalt mit! Klingt in der Vorstellung gut, führt in der Praxis aber erstmal eher zu mehr Stress. Kindern beizubringen, dass Ordnung und Sauberkeit im Haushalt Teamwork sind, ist wichtig. Aber das wird nicht von heute auf morgen klappen und wenn der 6-Jährige die Treppe fegt, muss man da im Anschluss vermutlich noch mal nachbessern. So richtig lazy ist das also zunächst nicht, aber eine gute Investition in die Zukunft!

nbi ELTERN

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