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Einige meiner Freunde halten mich spätestens seit dem vergangenen Sonntag für eine Rabenmutter. An besagtem Wochenende saßen wir auf einem Geburtstag zusammen und meine Freundin Sabine begann davon zu erzählen, dass sie ja jetzt "Schlappi" und "Schnuffi" angeschafft hätten, zwei superniedliche Zwergkaninchen. Die beiden seien so wahnsinnig gut für die Entwicklung ihrer Kinder, man würde schon nach drei Tagen merken, wie sie gelernt hätten, Verantwortung zu übernehmen.
Ihre Töchter sind übrigens eins und drei. Ich möchte nicht skeptisch klingen, aber ich bezweifle irgendwie, dass sie alleine Futter für "Schlappi" und "Schnuffi"einkaufen gehen oder den Stall saubermachen. Vielleicht bin ich aber auch einfach zu negativ.
Sind Hamster nicht nachtaktiv?
Sabine hatte kaum ausgeredet, da kamen gleich weitere Beiträge zum Thema. Mir war vorher gar nicht klar gewesen, dass mein gesamter Bekanntenkreis Schildkröten, Fische, Hunde, Katzen und Hamster zuhause hielt. Vermutlich weil ich mich nie dafür interessiert hatte.
Bei letztem Tierchen beteiligte ich mich aber dann doch am Gespräch. "Sind die nicht nachtaktiv?" fragte ich nur. Und brach damit eine stundenlange Diskussion vom Zaun. "Deswegen haben wir auch Meerschweinchen", erklärte die ansonsten sehr zurückhaltende Daniela und ließ einen Vortrag über die Vorteile der Kleintierhaltung mit Kindern vom Stapel, dem ich nicht folgen konnte, weil er wirklich sehr langweilig war. Bitte nicht falsch verstehen, Dani hatte sicher Recht mit allem, was sie erzählte! Es ist mir bloß egal. Weil meine Kinder nie ein Haustier haben werden. Es sei denn, sie kaufen es sich selbst und kümmern sich auch eigenständig darum. Dafür sollten sie allerdings älter als 16 sein. Oder bereits ausgezogen.
Einmal habe ich auf die Meerschweinchen der Nachbarn aufgepasst
Natürlich möchten auch meine beiden Kinder – sie sind drei und fünf – einen Hund. Oder eine Katze. Oder ein Kaninchen. Allerdings ändert sich das Objekt ihrer Begierde etwa stündlich. Ich könnte jetzt sagen, dass ich den pädagogischen Wert eines Haustiers in der Erziehung für umstritten halte. Das tue ich aber gar nicht. Darum geht es auch nicht. Ich möchte einfach keins. Außerdem halte ich meine Kinder für zu klein und verantwortungslos, als dass sie sich darum kümmern könnten. Das ist übrigens nicht pessimistisch, sondern lediglich sehr realistisch.
Abgesehen davon habe ich einmal drei Wochen auf die Meerschweinchen der Nachbarn aufgepasst, weil ich zu gefallsüchtig war um zu sagen, dass ich darauf keinen Bock habe. Die ersten Tage kamen die Kleinen immer mit und halfen. An Tag vier ungefähr hatte keiner mehr Lust dazu, es wurde nur kurz über den Rücken der kleinen Schweine aus dem Meer gestreichelt, dann widmeten sie ihre Aufmerksamkeit der Kinderküche und den Barbies des Nachbarkindes. Ich dagegen säuberte den riesigen Käfig und versorgte die Tiere mit Futter. Ich mochte sie sogar, deswegen sollten sie es auch schön haben. Das Reinigen von Käfigen gehört ansonsten nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Ich muss sonst schon genug putzen.
"Ich hatte ja nur gesagt, was ich denke"
Um aber noch mal darauf zu kommen, dass alle denken, ich sei eine Rabenmutter: Irgendwann fragte mich auf dieser Feier jemand, welches Tier wir denn hätten. "Keins", antwortete ich, "ich möchte das nicht. Am Ende bleibt die Arbeit ja doch an mir hängen." Selten habe ich so viele entsetzte Blicke gesehen. Es war, als hätte ich gerade erzählt, dass ich meinen Kindern regelmäßig eine runterhaue. Ich überlegte kurz, ob ich mich schlecht fühlen muss, aber ich hatte einfach nur gesagt, was ich denke.
Am Nachmittag spielte unsere Tochter im neu erworbenen Garten, sie sammelte Weidenkätzchen. Sie streichelte sie und fragte, ob wir sie baden könnten. Das versuchten wir später auch. Dann fiel mir etwas auf: Das hier waren die idealen Haustiere. Kuschelig und genügsam. Beim nächsten Mal, wenn mich jemand fragt, ob wir Haustiere habe, werde ich mit einem überzeugten "ja" antworten. "Meine Tochter hat Weidenkätzchen. Sie liebt sie über alles", werde ich hinzufügen – und mich kein bisschen dafür schämen.
Dieser Artikel ist zuerst erschienen bei BRIGITTE.de.
