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Interview mit Tante Kante "Ich sitze bestimmt nicht im absoluten Oberchaos auf dem Boden und simuliere 2 Stunden das Wiehern von Plastikpferden."

Interview mit Tante Kante: "Ich sitze bestimmt nicht im absoluten Oberchaos auf dem Boden und simuliere 2 Stunden das Wiehern von Plastikpferden."
© Copyright @sandsack.fotografie
Ey Leude, wir sind jetzt nicht in Berlin. Obwohl das bei Tante Kante immer alle glauben, chillen wir am Rande der hessischen Landeshauptstadt. Wenn uns jemand fragt, was uns zu dieser Mudder* einfällt, dann kommen uns zwei Dinge in den Kopf: Schönste Prosa und elektronische Musik. Sie zeigt uns, wie das Mutter*sein auch ohne komplette Selbstaufgabe funktioniert und kämpft dabei unermüdlich gegen den Rabenmutter*-Stempel, den Frauen* ihrer Meinung nach viel zu oft aufgedrückt bekommen. Sie nimmt sich Zeit und Raum für ihre eigenen Bedürfnisse und ist trotzdem eine gute Mutter*. Oder wahrscheinlich genau deswegen. Es soll sich gut anfühlen, sagt sie. Und das tut es jetzt wohl auch. Ganz ohne das Wiehern von Plastikpferden. (Geboren 1983, Kinder 2012 und 2016)

Dieses Interview mit Tante Kante stammt aus dem Buch “Bis eine* weint!” von Nicole Noller und Natalie Stanczak, das Anfang 2021 im Palomaa Publishing-Verlag veröffentlich wird. Hinter Nicole Noller und Natalie Stanczak stecken die Gründerinnen von "Faces of Mom".

Welche Rollenbilder haben dich geprägt?

Schwer zu sagen. Wenn wir das ganze Leben als Theaterstück sehen, dann werden ja auch überall Rollen gespielt. Die einen sind dann eben mehr Klischee als andere und das ist es wohl, was man über die Jahre als Kind herausfindet. Da ich zunächst mal viel von Müttern umgeben war, haben mich sicher diese Frauen in ihren Rollen als Mütter sehr geprägt. Die meisten von ihnen waren zuhause mit den Kindern, während die Väter arbeiten gingen. Dann hatte ich nur Kindergärtnerinnen, dafür aber einen Kinderarzt. So ganz typisch verteilt in dieser Zeit. Insofern haben mich diese, für die 80er wohl recht gängigen Klischees von Frauen- und Männerberufen und -zuständigkeiten geprägt. Genauso natürlich sämtliche Rollen in Büchern und Serien. Wenn ich mir die alten Pixibücher ansehe, die ich damals vorgelesen bekommen habe, dann wundert es mich fast, wie ich mich zu dem entwickeln konnte, was ich bin. Aber womöglich haben die 90er Jahre und die damals aufkommende Girl-Power-Bewegung viel Einfluss genommen. Die Slogans, dass Mädchen stark sind und alles erreichen können, selbstbewusste, erfolgreiche Frauen, das hat mich damals richtig mitgenommen. Eines meiner Lieblingslieder damals war „Weil ich ein Mädchen bin“ von Lucy Electric.

Erzähle uns doch von einem typischen Tag aus eurer Woche. Wie sieht ein ganz normaler Dienstag aus?

Mein Wecker klingelt zwischen 6:20 Uhr und 7:30 Uhr, je nachdem, wann ich Schule habe. Wenn ich früh zur Schule muss, wecke ich meine große Tochter, wir frühstücken, ich schicke sie zur Schule und fahre dann selbst los. Oder wenn ich später los muss, macht das mein Mann und ich bringe die Kleine zum Kindergarten und fahre dann mit dem Rad in die Stadt. Dann arbeite ich bis 12:00 oder 15:00 Uhr, fahre nach Hause und nehme die Kleine wieder mit und erwarte die Große so gegen 15:30 Uhr. Dann wird erstmal gechillt, also gegessen, die Mädchen schauen 30 Minuten TV, alle hängen rum und dann starten wir mit irgendwas. Das heißt, dass ich meistens etwas im Haushalt mache und die Mädchen spielen. Das geht dann so bis etwa 18:00 Uhr, dann essen wir zu Abend und um 19:00 Uhr bringe ich die beiden ins Bett. In der Regel bin ich dann noch fit und schreibe etwas oder lege Musik auf oder gehe, wenn der Papa der beiden eingetrudelt ist, nochmal weg.

Wie teilen sich du und der Vater* deiner Kinder die Kinderbetreuung und den Haushalt auf? Und warum habt ihr diese Form gewählt?

"Die Kinder müssen sich in der Regel alleine beschäftigen, aber das haben wir ihnen auch so beigebracht."

Da der Vater meiner Kinder und ich kein Paar mehr sind, aber in einem Haushalt leben, besprechen wir alles Organisatorische mit WG-Charakter. Da er 100 % arbeiten geht und ich
67 %, bin ich für den gesamten Nachmittag und den Abend zuständig. Zumindest unter der Woche. Morgens macht er, je nachdem, wann ich los muss, die meiste Arbeit. Am Wochenende steht oft er mit den beiden auf und ich krieche so gegen 9:00 Uhr aus dem Bett und dann wurschteln wir uns gemeinsam durch den Tag. Je nach Energielevel. Den Haushalt mache leider ich fast komplett, aber auch das liegt daran, dass er einfach kaum zuhause ist unter der Woche. Wenn ich nachmittags da bin, kann ich natürlich auch das meiste leisten und ich muss zugeben, dass ich auch nicht ganz ungern zuhause rumwurschtele. Mein Naturell ist einfach: Bewegung. Ich kann eh nicht rumliegen und deswegen kümmere ich mich nachmittags eigentlich um alles. Die Kinder müssen sich in der Regel alleine beschäftigen, aber das haben wir ihnen auch so beigebracht. In einem Erwachsenenleben gibt es einfach viel zu tun, ich bin nicht die Animationsdame, das müssen sie akzeptieren. Ich habe eben zu tun.

Wie hat sich euer Elternsein durch die Trennung verändert?

Wir mussten uns als Eltern natürlich erst einmal in unser WG-Leben reinarbeiten und vor allem daran gewöhnen. Regeln und Grenzen mussten neu ausgemacht werden. Es war anstrengend, bis sich alle wieder beruhigt hatten, da es uns auch nicht klar war, ob das alles so klappen würde, wie wir uns das vorgestellt hatten. Aber jetzt ist es besser als vorher. Jetzt ist man nicht mehr so fixiert darauf, dass der Partner dazu da ist, die eigenen Bedürfnisse zu erfüllen. Man unterschätzt, wie sehr man den Partner dafür verantwortlich macht, wie es einem selbst geht. 

Durch die Trennung und das damit wegfallende Label der Beziehung konnte sich jeder wieder mehr auf sich konzentrieren. Nun bin ich dafür verantwortlich, meinen Alltag so zu gestalten, dass es sich für mich richtig anfühlt. Ich muss ihn mit Dingen füllen, sodass ich am Abend das Gefühl habe: So hat es mir gefallen, mir haben die Dinge gefallen. In einer Beziehung neigen wir dazu, viel davon von dem* der Partner*in zu erwarten. Für uns ist es nun eine super angenehme Situation, wir leben gemeinsam als Familie und dennoch kann jeder seinen Bedürfnissen nachgehen.

Wie hast du vor der Schwangerschaft gelebt?

Ich war mit dem Partyleben durch und hatte richtig Bock auf Erwachsenwerden. Ich war 27 und anscheinend bereit für irgendwas Ernstes. Also wurde ich schwanger. Ich bin nicht mehr viel ausgegangen, hatte das Rauchen aufgegeben und wollte einfach was Neues.

Welche Vorstellungen von Mutter*schaft hattest du, bevor dein erstes Kind zur Welt kam? Was ist genau so, wie du es dir vorgestellt hast und was ist anders?

"Ich hatte sämtliche Vorstellung vom Muttersein also wirklich aus Filmen und dem, was man so mitbekommt, wenn mal jemand ein Kind in der Öffentlichkeit dabei hat. Ich dachte: Wenn man locker ist, ist auch das Kind locker und dann wird sich schon."

Ich hatte weder Freund*innen, die schon Kinder hatten, noch habe ich in der Familie kleine Kinder erlebt. Ich hatte sämtliche Vorstellung vom Muttersein also wirklich aus Filmen und dem, was man so mitbekommt, wenn mal jemand ein Kind in der Öffentlichkeit dabei hat. Ich dachte: Wenn man locker ist, ist auch das Kind locker und dann wird sich schon nicht viel verändern, sondern es wird einfach noch schöner.

Als meine Tochter geboren wurde, war ich zunächst mal von der Urgewalt Geburt richtig traumatisiert und wollte einfach nur alleine sein. Das Stillen klappte nicht, unser Kind schrie eine Woche durch und ich war am Ende meiner Kräfte. Alles, was ich vorher machen wollte, klappte nicht, jeder Babykurs war ein Horror. Allein die Anfahrt und dann die anderen Mütter, bei denen scheinbar alles super lief, machten mich fertig. Ich hatte keine Freund*innen, denen ich von meinem Leid erzählen konnte. Viele verstanden es nicht oder glaubten, es sei zwar anstrengend, aber eben doch schön. War es aber nicht. Ich wurde depressiv und wollte das Kind einfach nicht mehr haben. Ich wollte mein altes Leben zurück, selbstbestimmt leben und meinen Bedürfnissen Raum geben. Im Nachhinein war es die härteste Erfahrung meines Lebens, obwohl es auch zwei andere, nicht ganz einfache Sachen in meinem Leben gab. Rückblickend sage ich, dass ich vermutlich eine postnatale Depression hatte.

Ich war total abhängig von den Meinungen und Äußerungen aus Zeitschriften oder anderer Mütter. Ich war völlig lost und habe darunter gelitten. Und mich dann auch mit vielen Müttern arrangiert, die gar nicht zu mir gepasst haben. Es hätte mir damals sehr geholfen, zum Beispiel über Instagram von Frauen zu lesen, denen es ähnlich geht. Ich musste mich regelrecht rausarbeiten und war immer wieder mit meiner Hebamme in Kontakt. Ich habe mir erst später Hilfe geholt, als die Kinder selbstständiger waren. Die Psychologin sagte dann einmal zu mir, dass ich das Schlimmste bereits hinter mir hätte. Das war für mich ein wichtiger Satz. Ganz ehrlich, ich hätte mir viel früher Hilfe suchen sollen.

Wie hat dich das Mutter*sein verändert?

Sehr. Es hat alles verändert. DAS Lifegoal, von dem ich dachte, es sei die Krönung, das Beste auf Erden, entpuppte sich als härtester Scheiß. Ich fühlte mich betrogen von der Gesellschaft, von allen anderen Eltern, die mir nie die Wahrheit gesagt hatten. Meine Generation ist es gewöhnt, Dinge online zu shoppen und dann den Rücksendeaufkleber draufzukleben. Das Baby kam per One-Way-Ticket. Diese harte Verbindlichkeit der Mutterschaft überforderte mich massiv. Jahrelang funktionierte ich nur noch, versuchte mit Job und Kind irgendwie zu überleben. Spaß machte das alles eher weniger.

Als meine Tochter langsam älter wurde, wurde es besser. Je autonomer sie wurde, desto freier wurde auch ich wieder und irgendwann kam so etwas wie Stolz in mir auf, dass ich das alles geschafft hatte. Ich veränderte mich, achtete wieder mehr auf mich als Frau und löste mich mehr und mehr von dem Attribut Mutter. Ich wollte wieder ein Subjekt werden, das auch ohne das Label Mutter gesehen wird.

Wenn du dich in die ersten Wochen mit Neugeborenem zurückversetzt: Was würdest du wieder genauso machen, was würdest du nie wieder so machen?

Ich wurde ein zweites Mal Mutter und konnte diese Frage also tatsächlich umsetzen. Viele Vorstellungen, die ich beim ersten Kind hatte, wie: „Ein Kind soll nur gestillt werden.“, ignorierte ich komplett. Ich stillte sie, sie war nicht satt, also gab es 'ne dicke Flasche Pulvermilch hinterher. Egal, ob meine Brüste das Mehr an nötiger Milch dadurch nicht mitbekamen. Hauptsache, das Kind war satt und zufrieden. Oder: „Das Kind muss lernen, im eigenen Bett zu schlafen“, das war mir einfach komplett wurscht. Die Kleine schlief die ersten Monate nur auf mir. Aber es juckte mich nicht, denn entscheidend war, dass sie schlief. Viele Mythen und Behauptungen ignorierte ich. Wichtig war, was in dem Moment half und nicht, wo es eventuell hinführen könnte. Das erleichterte einiges.

Fallen dir Situationen ein, in denen dein Verhalten als Mutter* kritisiert wurde?

"Es ist einfach nur verunsichernd, wenn man eine junge Mutter ständig fragt, ob sie auch sicher ist mit dem, was sie tut."

Kritisiert vor allem indirekt: „Meinst du nicht, dass das Baby besser mal im eigenen Bett schlafen sollte?“, „Meinst du nicht, es wäre besser, wenn ... “, also eher so gut gemeinte Fragen. Ich habe keine Ahnung, was besser wäre. Aber offensichtlich hatte ich mich dazu entschieden und es ist einfach nur verunsichernd, wenn man eine junge Mutter ständig fragt, ob sie auch sicher ist mit dem, was sie tut. Ansonsten kreiere ich leider auch viel Kritik in meinem Kopf. Wir leben ja als getrenntes Paar unter einem Dach, unsere Tochter hat mit acht Jahren kein einziges Hobby, wir legen beide elektronische Musik auf und gehen manchmal bis zum nächsten Morgen aus. Keine Ahnung, wie Leute das finden. Wirklich ins Gesicht sagt mir da keiner was, aber ich habe immer die Befürchtung, dass es Leute gibt, die das nicht okay finden, wie wir das machen.

Gab es auch Momente, in denen du als Mutter* empowert wurdest?

Empowert werde ich vor allem auf Instagram. Die Art und Weise, wie ich zur Mutterschaft stehe, empowert viele Frauen und die geben mir ihre volle Kraft Empowerment zurück. Das ist richtig schön. Aber es ist natürlich auch eine Bubble, die man sich kreiert. Mein Freundeskreis und meine Bekannten feiern es, wie wir leben. Zumindest hat noch keiner offen Kritik geübt. Aber wem es nicht passt, der kann sich ja auch abwenden.

Was wären deiner Meinung nach optimale Rahmenbedingungen für eine gelungene Vereinbarkeit von Beruf und Familie?

Puh, schwere Frage. Ich bin ja grundsätzlich dafür, dass Care-Arbeit vom Staat als Beruf anerkannt und ganz normal bezahlt wird. Für die ersten 14 Lebensjahre fände ich das einfach angemessen. Wenn dann beide Partner sich das 50/50 aufteilen könnten, wäre das irgendwie perfekt. Ich habe aber keine Ahnung, ob sich das ein Sozialstaat wirklich leisten kann. Vielleicht ist es auch völlig utopisch. Mein Beruf als Lehrerin schafft wirklich gute Bedingungen, um Mutter zu werden. Der Wiedereinstieg ist unkompliziert, man kann frei wählen, wie viele Stunden man arbeiten gehen möchte und man muss nicht fürchten, dass man irgendwie herabgesetzt wird oder ähnliches. Außerdem habe ich sämtliche Brückentage und Ferien mit den Kindern frei. Also, das ist schon wirklich praktisch.

Was lösen die Schlagwörter „Teilzeitfalle“ und „Altersarmut“ in dir aus?

Diese beiden Begriffe lösen in mir, was meinen Lebensweg angeht, keine Befürchtungen aus. Aber ich sehe die Problematik für viele meiner Freundinnen. Die Politik muss unbedingt auf diese Probleme eingehen und Lösungen für Mütter und Familien finden. Es kann einfach nicht sein, dass Elternwerden der sichere Weg in die Altersarmut ist, trotz Job.

Wie gehst du mit deinen Grenzen als Mutter* um? Was machst du, um dir etwas Gutes zu tun?

"Ich bin keine Animateurin und ich sehe es im Alltag nicht ein, mich übermäßig mit den Kindern zu beschäftigen."

Mittlerweile bin ich wohl Profi darin, Grenzen zu setzen. Ich hatte das vorhin schon in Bezug auf die Hausarbeit gesagt. Ich bin keine Animateurin und ich sehe es im Alltag nicht ein, mich übermäßig mit den Kindern zu beschäftigen. Das klingt hart, ist es aber nicht. Das Leben besteht aus vielen Aufgaben und damit eine Familie funktioniert, muss jeder anpacken und hat seine Aufgaben. Die Kinder haben gelernt, dass ich nachmittags damit beschäftigt bin, ihre Wäsche zu waschen, den Garten zu gießen oder einzukaufen. Wenn ihnen langweilig ist, dürfen sie gerne mitmachen, es gibt immer kleinere Aufgaben, die sie auch schon erledigen können. Ich werde aber bestimmt nicht im absoluten Oberchaos auf dem Boden sitzen und zwei Stunden das Wiehern von Plastikpferden simulieren. Das ist Alltag, wir haben Aufgaben – es ist nicht frei oder Ferien oder Geburtstag. Das sind dann Tage, wo ich alle Fünf auch mal gerade sein lasse. Aber wenn wir zuhause sind, dann rödelt jeder rum und macht eben, was er machen muss oder will. Das ist meine Grenze. Dazu gehört auch, dass ich mal eine halbe Stunde in Ruhe gelassen werden will, mir 'ne Wanne einlasse oder an den Turntables stehe. Die beiden sind dadurch in den letzten Jahren recht autonom geworden und können sich ganz gut beschäftigen. Es gibt aber natürlich auch Tage, an denen läuft es gar nicht, alle fünf Minuten heult jemand und alle kriegen 'ne Krise. Ab abends gehört der Tag aber mindestens mir und wenn die beiden spätestens ab 20:00 Uhr keine Rechte mehr auf Mama haben (haha), dann gehe ich aus oder mache Musik. Und wenn ich am Wochenende lange weg bin, dann wissen sie genau, dass ich nicht geweckt werden darf. Und sie sind es auch gewöhnt, dass ich regelmäßig woanders übernachte (oder Freund*innen bei uns), das ist für beide nichts Besonderes mehr.

Ist dir Gleichberechtigung wichtig? Und wenn ja, warum?

Natürlich. Es heißt aber nicht, dass alle Aufgaben auf der Hälfte geteilt werden müssen, so à la: Ich sauge die Hälfte, dann du, sondern, dass grob die Belastungen des Lebens gerecht verteilt sind. Ich übernehme mehr Arbeit zuhause, aber er muss dafür mit den Kindern backen (ich hasse es) oder muss das blöde Internet neu verkabeln oder meine Musik-Software zum Laufen bringen. Also, irgendwie sollte es einigermaßen gleichmäßig verteilt sein. Da ich aber ein Energiemonster bin, hat, glaube ich, jeder, der mit mir zusammen ist, immer etwas weniger zu tun.

Wie sieht deine Vision eines idealen Familienlebens aus?

Zwei bis vier Familien in einem größeren Haus oder Verbund von Häusern fände ich geil. Dieses singuläre Familiending halte ich für bescheuert und unpraktisch. Viele träumen davon, aber die wenigsten schaffen es, das auch umzusetzen. Kein Wunder, es geht dabei ja auch immer um Geld, den richtigen Zeitpunkt und Ort. Ich wünsche mir, dass Mütter weniger als solche gesehen werden, sondern vielmehr auch als Frauen, die sie eben auch sind. Frauen, die verschieden sind und ihre Rolle als Mutter eben auch unterschiedlich interpretieren. Und vor allem möchte ich, dass ich auch ohne das Label Mutter gesehen werde. Wenn ich unterwegs bin, erzähle ich das oft gar nicht mehr, dass ich schon Kinder habe. Da ich eh jünger aussehe, fragt auch keiner. Sobald ich das erwähnt habe, wurde oft irgendwie anders mit mir umgegangen. Offensichtlich macht das etwas mit den Leuten, wenn sie erfahren, dass man bereits ein Kind geboren hat. Vielleicht ist es manchmal aber auch einfach der bloße Respekt und Bewunderung dafür, was man schon geschafft hat. Ich weiß es nicht, aber es verändert oft die Art und Weise, wie die Menschen mit mir sprechen und umgehen. Lasst mich leben. Seht mich nicht als Rabenmutter, nur weil ich auch Zeit und Raum für meine Bedürfnisse laut fordere. Ich bin trotzdem eine gute Mutter. Oder vielleicht sogar deswegen.

Gibt es noch Gedanken, die du zusammenfassen oder ergänzen möchtest?

"Die Frauen sollten viel mehr den Mut haben, auf ihre Gefühle und Bedürfnisse zu hören."

Ich wünsche mir auf der einen Seite bessere Strukturen, die junge Mütter dabei unterstützen, wenn sie Mutter werden. Dass sie nicht alleine gelassen werden und die Gesellschaft insgesamt mütterfreundlicher wird. Und ich möchte jede Mutter empowern, dass ihre Version von Mutterschaft genau die richtige ist, wenn es sich für sie richtig anfühlt. Es gibt so viele Möglichkeiten, Mutter zu sein. Wenn eine Frau dabei aufgeht, wenn sie stundenlang mit den Kindern spielt, dann ist das genau richtig! Sie soll sich nicht fragen, ob es vielleicht besser wäre, wenn sie es macht, wie ich es beschrieben habe. Entscheidend ist, dass es sich gut anfühlt und nicht, dass jemand meint, es gäbe eine bessere Lösung.

Die Frauen sollten viel mehr den Mut haben, auf ihre Gefühle und Bedürfnisse zu hören, anstatt sich von Mutter A, B und C verunsichern zu lassen. Wir entscheiden uns ja zum Beispiel auch nicht alle für die gleiche Art von Reisen: Die einen fahren lieber mit dem Auto in die Uckermark, andere mit dem Zug zum Alpinsport und wieder andere fliegen nach Italien und legen sich den ganzen Tag an den Strand. Hauptsache, jeder erholt sich. Wäre doch beknackt, wenn alle plötzlich meinen, sie müssten es machen wie jemand anders. Das kann ja nichts werden, das kann sich ja nur falsch anfühlen.

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