Artikelinhalt
Es ist 7 Uhr morgens. Trotzalter, Müdigkeit, Pubertät und eine Schnupfnase rasseln mit meinem Terminkalender aneinander. Ich habe noch genau 30 Minuten, um meine Bluse zu bügeln, meiner 14-Jährigen zu klarzumachen, dass bauchfrei in der Schule keine modische Option ist, meine Fünfjährige endlich aus dem Bett zu bekommen und meinen Dreijährigen davon abzuhalten, seine Nase an meiner Hose abzuwischen. Außerdem müssen wir zur Kita fahren, ich muss einen Parkplatz an der Haltestelle finden und verdammt, wo ist mein Büroschlüssel?
Der Neid und ich
Mein Mann ist bereits bei der Arbeit. Er wird auch heute Abend nicht vor 18 Uhr nach Hause kommen. So wie jeden Tag. Ich weiß, dass es nicht anders funktioniert, weil dieses Timing vom Arbeitgeber festgelegt ist und er als Beamter wenig Spielraum hat. Trotzdem hasse ich ihn manchmal dafür. Wie die Tür ins Schloss geht, während ich mit einem heulenden, vor der Dusche campenden Kleinkind, das keinen Bock auf Kita hat, meine Haare wasche. Ohne Spülung. Keine Zeit für solche Spinnereien. Ich stelle mir vor, wie er gleich einen Latte Macchiato kauft und eine Zeitung in der S-Bahn liest. Ist unfair. Auch seine Bahn wird zu voll sein. Er wird stehen und schwitzen, genau wie ich, aber hetzen muss er nicht. Kämpfen auch nicht. Er weiß nichts über die modischen Fehlgriffe seiner Ältesten und hat keine Schnodder an der Hose. Und dafür will ich ihn jetzt einfach doof finden.
Die Gleichberechtigung und ich
Ja, wir sind eine fortschrittliche Familie. Mein Mann weiß, wie die Waschmaschine bedient wird und tut das auch. Genauso oft wie ich. Trotzdem geht das Konzept der Gleichstellung von Männern und Frauen bei uns nicht auf. Bei drei Kindern ist allein die Stillzeit und der Mutterschutz ein Karriereknick, den man erstmal aufholen muss. Letztens haben wir gerechnet. Würde er fünf Stunden reduzieren, müsste ich zehn Stunden aufstocken. Nein, das haben wir dann nicht gemacht. Vielleicht auch ein bisschen inkonsequent. Auf der anderen Seite: Will ich überhaupt so viel weg sein? Bei allem Gemecker muss ich ehrlich zugeben, in der Haut meines Mannes möchte ich auch nicht stecken. Manchmal sieht er die Kinder zwei Tage lang gar nicht. Denn während ich mit meinem Karriereknick kämpfe, stößt er auf völliges Unverständnis, wenn er mal früher gehen will, wegen der Kinder. Wieso sollte er? Die Frau ist doch längst zuhause? Dass es vielleicht gar nicht um eine lückenlose Betreuung, sondern um die persönliche Beziehung zu den Kindern geht, will nicht so recht in die Köpfe gehen.
Die Arbeit und ich
Ich habe Glück. Bei meiner Arbeit ist alles auf Working Mums ausgelegt. Home Office, Kinder mitbringen, flexible Arbeitszeiten - hier alles kein Problem. Doch eines kann auch mein Arbeitgeber nicht ändern: Mein eigener Anspruch übersteigt meine tatsächlichen Optionen um ein Vielfaches. Auch wenn alle lächelnd nicken: Es ist mir peinlich, ein Meeting zu verlassen, weil gleich die Kita schließt, den Kindern verzweifelt klarzumachen, dass man bei uns im Büro nicht grölend über die Flure rennt (was ein Akt der Unmöglichkeit ist, ohne selbst schimpfend hinterherzurennen), früher zu gehen wegen der U9 und später zu kommen, weil wir noch kurz ein aufgeschlagenes Knie verarzten mussten. Ja, ich schimpfe über die Politik, die engen Zeitfenster, die Kita-Öffnungszeiten. Aber mein größter Feind bin ich selbst.
Die Liebe und ich
Andersherum ist es nicht besser. Auch zuhause werde ich meinem Anspruch nicht gerecht. Wie oft bin ich den Tränen nahe in die Bahn gestiegen, weil ich meine Kinder in der Hetze angeschrien habe. Weil ich ihnen im Auto Vorwürfe gemacht habe, warum sie nicht einfach mal funktionieren können. Wollte ich je so eine Mutter sein, die ihren Kindern beibringt, dass sie immer und vor allem jetzt schon funktionieren müssen? Dass Zeitnot es rechtfertigt, respektlos miteinander umzugehen? Habe ich einem Dreijährigen in seiner zärtlichen Anhänglichkeit gerade ernsthaft die Schuld an meinem Zeitmanagement gegeben? Manchmal fühle ich mich furchtbar. Und gleichzeitig weiß ich: Ich bin auch nur ein Mensch. Ich bin heute Nacht drei Mal aufgestanden wegen der Monster unter Milos Bett. Ich habe um Mitternacht noch die Wäsche aufgehängt, damit Lotti ihr neues Einhornshirt heute anziehen kann und habe danach noch schnell die Präsentation fertig gemacht. Im Bett lag ich dann wach und habe mir Sorgen gemacht, weil ich im Meeting gestern so müde war, dass ich kaum ansprechbar war. Ich muss funktionieren. Und ich weiß manchmal nicht, wie das gehen soll.
Die Zukunft und meine Kinder
Ich glaube, unser Problem ist, dass wir - die Generation "Alles-aber-nur-so-halb" - irgendwie dazwischen hängen. Zwischen den Zeiten, zwischen den Stühlen, zwischen guten Ideen und veralteten Rollen, zwischen schwedischem Vorbild und deutschen, langsam mahlenden Mühlen. Die Politik, die Arbeitswelt (nicht alle haben solch privilegierte Konditionen wie ich) und das eigene Rollenverständnis, alle könnte man (den einen mehr, den anderen weniger) "bemüht" nennen. Aber das reicht nicht. Diese halbgare Zwischenzeit zwischen Gleichberechtigung und alten Mustern geht auf Kosten der Familien. Allein der Ausdruck "Working Mum" und das Fehlen des Ausdrucks "Working Dad" - da läuft doch offensichtlich was falsch. Dann das stumpfe Kleben an Arbeitszeiten als Währung. Ich wage zu behaupten, dass Mütter in Teilzeit oft wesentlich effizienter arbeiten als eine Vollzeitkraft in der gleichen Zeit. Nicht dass wir besser wären. Auch wir wären nicht so effizient, wenn wir den ganzen Tag Zeit hätten. Aber das haben wir eben einfach nicht. Trotzdem bekommen wir nur die Hälfte des Gehaltes.
Eine wirkliche Lösung kenne ich nicht. Aber ich hoffe, dass meine Töchter eines Tages nicht mehr das Gefühl haben müssen, dass die vielen Baustellen in ihrem Kopf ihnen den Verstand rauben. Dass sie achtarmige Tintenfische sein müssten. Dass sie ihre Kinder angeschrien haben, weil sie einfach Kinder sind. Und ich wünsche meinem Sohn, dass er Vater sein darf. Ein richtiger. Einer, der sich mit Modefehltritten und Schnodder am Bein rumschlagen darf. Ein Working Dad, der eine Working Mum liebt. Eine, die kein Tintenfisch und trotzdem zufrieden ist. Ansonsten zwinge ich sie, nach Schweden auszuwandern. Denn dort scheint es zu funktionieren. Jetzt schon.
Dieser Artikel ist zuerst erschienen bei BRIGITTE.de.
