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Paarberater Sascha Schmidt Konflikte mit den Großeltern? So können wir sie lösen!

Paarberater Sascha Schmidt: Kleines Mädchen mit ihren Großeltern
© NDABCREATIVITY / Adobe Stock
Oma und Opa sind ein Segen: Erklären das Sachkundearbeitsblatt, schieben Autos über den Teppich und kochen grünes Blattgemüse. So hätten wir es zumindest gern. Aber was, wenn Großeltern ganz andere Pläne haben und Konflikte auftauchen? Das hat EF-Autorin Anna Funck den Familien- und Paarberater Sascha Schmidt gefragt

ELTERN family: Kinder brauchen Märchen – und Oma und Opa, heißt es so schön. Warum ist diese Beziehung so einzigartig und so wichtig – und zwar für beide Seiten?

Sascha Schmidt: Großeltern sind der Schlüssel in die Familienvergangenheit. Über sie erfahren unsere Kinder, wie Mama und Papa so waren als Kind und mehr über ihre Ahnenreihe. Häufig gucken sie ja auch alte Fotos an. So lernen sie ihre Wurzeln kennen. Und für die Eltern sind die jeweiligen Schwiegereltern auch sehr wichtig, um den Partner besser zu verstehen.

In der Theorie könnte das Engagement von Oma und Opa also dazu beitragen, dass sich alle Beziehungen innerhalb der Familie verbessern. Und wenn sie im Familienalltag helfen, können sie auch für viel Entlastung sorgen – bis hin zu finanzieller Unterstützung. In der Praxis ist das oft nicht so einfach. Und es tauchen die unterschiedlichsten Konflikte auf.

Absolut. Meiner Erfahrung nach gibt es drei Kernthemen. Einmal den Klassiker, den fast jeder kennt: Die Großeltern sind übergriffig und kommen mit ungebetenen Ratschlägen. Dann gibt es das große Thema "Kontaktabbruch", die Großeltern fallen also aus, was auch viele Probleme mit sich bringt. Das dritte Konfliktfeld entsteht durch zu viel Nähe – zum Beispiel, wenn Eltern und Großeltern zusammenwohnen oder das Haus vielleicht zu günstigen Konditionen auf deren Grundstück gebaut wurde. Und nun erwarten Oma und Opa eine emotionale Gegenleistung.

Fernsehkonsum, Erziehung, Alltagsrituale, Spielzeug … Es gibt viel Streitpotenzial. Wie lenken Eltern das in die richtige Bahn?

Ich teile das immer in verschiedene Stufen ein. Wichtig ist eine Grundannahme: Alle wollen das Beste für die Kinder beziehungsweise Enkel und lieben sie über alles. Dessen sollte man sich bewusst sein. Dann kann man die Dinge für sich entschärfen und netter kommunizieren. Wir leben ja nicht mehr in der So-macht-man-es-Welt, sondern vielmehr in einer Alles-ist-möglich-Zeit, die viele allerdings auch verunsichert. Und genau hier kann man dann auch mit der Argumentation ansetzen, indem man zum Beispiel sagt: "Ja, stimmt, früher hat man das Baby brüllen lassen, heute weiß man, ein zu viel an Liebe gibt es nicht." Man kann darauf verweisen, dass die Welt sich weiterentwickelt hat: "Früher war das auch nicht verkehrt, aber heute machen wir es anders …" Das wäre die erste freundliche Stufe. Wir nennen sie die "Heute-sind-wir-weiter-Stufe".

Und auf der nächsten Stufe?

Da kann man dann persönlich werden und zum Beispiel sagen: "Hör mal, das ist unsere Sache, ich möchte nicht, dass du dich da einmischst." Die letzte Stufe ist die Kontaktminderung oder der Kontaktabbruch. Das wäre dann aber schon drastisch und ein Notfall-Level, was zum Beispiel erreicht ist, wenn die Großeltern die Kinder schlagen. Und keinem der Kontakt mehr guttut.

Oft sind es ja Schwiegermütter und Schwiegertöchter, die aneinandergeraten. Klingt jetzt nach Klischee, aber da knallt es beim Thema Erziehung, Alltagsgestaltung, Berufstätigkeit oder Ernährung am schnellsten. Was kann man da raten?

Die Beziehung zur Schwiegermutter ist letzten Endes auch nichts anderes als eine Paarbeziehung. Es geht um Abgrenzung und potenzielle Machtverhältnisse. Man muss sich als Mutter oder Vater also klar ausdrücken, siehe Stufe zwei. Und dann kann die Schwiegermutter, die findet, das Kind würde verwöhnt und könnte mal eine Weile schreien, eben selbst überlegen, was ihr wichtiger ist: reinreden oder weiterhin in der Familie willkommen sein.

Beinahe noch heikler ist es, wenn man den eigenen Eltern im eigenen Elternhaus die Stirn bieten muss.

Stimmt. Und das liegt daran, dass wir zu Hause plötzlich wieder zum Kind werden in der Konfrontation mit den eigenen Eltern. Da reicht ein Satz und der haut uns auch mit 40 plus um. Sobald wir in die persönliche Betroffenheit kommen, rutscht alles weg.
Das ist normal, das kenne ich auch. Ich bin 52, meine Mutter ist 73 und nach drei Stunden merke ich: Jetzt muss ich gehen. Im Idealfall haben wir dann einen Partner oder eine Partnerin an der Seite, die für uns in die Bresche springen. In jedem Falle ist es gut, wenn wir den anderen ins Boot holen und das Thema aktiv ansprechen: Kannst du mich da unterstützen? Ich fühl mich damit nicht wohl!

Ewiger Konfliktstoff ist ja auch immer die Ernährung. Zu Hause lebt man fünf Tage vegetarisch und möglichst wenig süß. Und Oma brät Frikadellen und kocht Milchreis mit viel Zimt und Zucker. Es ist ja liebevoll gemeint, aber wie reagiert man da?

Auch das kenne ich aus eigener Erfahrung mit meinen Kindern. Ich habe dagegen auch so angekämpft. Jahrelang. Und dann festgestellt: Kinder können da wunderbar differenzieren. Hilfreich war auch der Gedanke: Meine Kinder sind vielleicht kumuliert vier Wochen bei den Schwiegereltern. Die anderen 48 Wochen sind sie zu Hause. In diesen vier Wochen geht das Kind nicht kaputt. Wichtig ist nur, die No-Gos zu formulieren. Angenommen, das Kind hat eine Allergie. Darauf muss Rücksicht genommen, die Gesundheit darf nicht gefährdet werden. Auch die seelische nicht. "Der weiße Hai" wird nicht geguckt. Das kann ich auch festlegen. Aber die Süßigkeiten on top sind okay. Da rate ich allen Eltern: loslassen. Bei Oma und Opa machen die Kinder Urlaub von den Eltern. Gummibärchen, Leberkäse und Quatsch wie bei Pippi Langstrumpf: Die akzeptieren, dass das nur dort stattfindet. Und ich muss das als Vater und Mutter auch. Unsere Eltern sind ja keine Dienstleister oder bezahlten Babysitter. Deshalb ist die Reglementierung hier unfair.

Stimmt. Aber wenn es mir als Mutter doch zu viel wird mit dem ganzen Zucker und die Kinder völlig aufgekratzt durch die Gegend springen?

Dann auf keinen Fall das Selbstwertgefühl der Eltern oder Schwiegereltern angreifen. Man kann man es ja immer noch so entschärft formulieren: "Bei euch gibt es ja immer viel Süßkram. Ich vermute, ihr wollt so eure Liebe ausdrücken. Aber unsere Kinder essen auch total gern Obst. Vielleicht holt ihr mal die Kirschen?"

Also Wünsche formulieren …

Und Erwartungen klären. Was mache ich zum Beispiel, wenn ich möchte, dass Oma und Opa jeden Dienstag und Donnerstag aufpassen, die wollen aber lieber auf Weltreise gehen oder sich nicht festlegen. Großeltern können ja auch aktive Silver-Surfer sein, und das ist ihr gutes Recht. Oder was mach ich, wenn die Großeltern die Kinder jeden Sonntag zum Frühstück sehen wollen, und ich will das gar nicht? Darüber würde ich dann einmal eine Art "Vertragsgespräch" führen: Jeder kann sagen, was ihm wichtig ist. Und gern ganz konkret: "Es wäre toll, wenn du die Kinder jeden Donnertag vom Kindergarten abholst, weil ich an den Tagen länger arbeite, ginge das?"

Der Schlüssel ist also, absolute Klarheit zu schaffen – über meine Bedürfnisse und Erwartungen und die meines Gegenübers?

Genau. Wir haben ja alle unsere psychologischen Grundbedürfnisse. Dazu gehört: Wir wollen dazugehören. Auch Oma und Opa. Ein zweites Grundbedürfnis ist das Streben nach Autonomie: Jeder von uns möchte als Ich wahrgenommen werden, als eine Person mit eigener Integrität. Kennen wir ja von Kleinkindern. Und das erleben Eltern genauso gegenüber ihren Eltern, also den Großeltern. Da sitzt das Konfliktpotenzial. Und das dritte Bedürfnis: Wir alle wollen uns wertvoll fühlen. Das wollen wir in der Konstellation auch von allen Seiten gespiegelt bekommen.

Und was macht man, wenn man einfach keinen intensiven Austausch mit den Großeltern möchte, sie auch nicht zu sich nach Hause einladen will – wie ermögliche ich dann meinen Kindern den Kontakt, weil ich diese Beziehung trotzdem stärken will?

Man kann es über den Partner spielen, sprich er oder sie bringt das Kind zu Oma und Opa. Oder man verabredet sich gemeinsam erst mal an einem neutralen Ort wie einem Spielplatz. Ist das Enkelkind älter, kann es sich ja auch vielleicht schon allein treffen oder selber hinfahren. Und dann wie besprochen: klare Vereinbarungen treffen und Probleme ansprechen. Jesper Juul hat mal gesagt: Am Ende hilft immer die Wahrheit.

Oma und Opa helfen mit

Nach einer repräsentativen forsa-Umfrage, die 2020 im Auftrag der CosmosDirekt-Versicherung durchgeführt wurde, unterstützen 46 Prozent der Omas und Opas Familien im Alltag – machen zum Beispiel Abholdienste von Schule und Kita oder helfen bei den Hausaufgaben. 49 Prozent verbringen regelmäßig Freizeit mit den Enkeln – im Kino oder auf dem Spielplatz. Omas und Opas unter 65 sind dabei etwas aktiver.
65 Prozent unterstützen ihre Enkel mit Geldgeschenken zu Feiertagen oder zum Geburtstag. 29 Prozent leisten sogar dauerhafte finanzielle Unterstützung – zum Beispiel mit regelmäßigen Vereinsbeiträgen oder für Schulmaterial.

Sascha Schmidt,

52, Vater von zwei Töchtern, lebt in Bordesholm bei Kiel und ist Familien- und Paarberater mit dem Schwerpunkt Beziehungskultur. Als family-lab-Seminarleiter wurde er von dem verstorbenen dänischen Familientherapeuten Jesper Juul ausgebildet. Er hält deutschlandweit Vorträge und schreibt Bücher (unter anderem "Glücksfall Großeltern: Wie Familien gute Beziehungen führen", Herder, 13 Euro). Aktuell coacht er auch in der Wirtschaft und kümmert sich um bessere Kommunikation in Führungsetagen.

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