VG-Wort Pixel

Partnerschaft Zurück zum Vater meiner Kinder?

Das fragt sich gerade die Freundin unserer Autorin Susanne Betz. Sie hat ihr erzählt, wie es zu diesem Gedanken kam. Und was sie bewegt.

Artikelinhalt

Eine neue alte Liebe?

Partnerschaft: Zurück zum Vater meiner Kinder?
© PeopleImages / iStock

Nur noch die Geranien einpflanzen, und mein Balkon ist eine hübsche kleine Oase. Dank Oliver. Er hat vier Blumenkästen hochgeschleppt und anmontiert. „Krieg ich einen Kaffee dafür?“ Olivers Lächeln. Fast scheu, so von innen her. Ich nicke nur, aber irgendetwas flattert gegen meine Rippen, fühlt sich aufregend an. Und neu. Dabei ist Oliver mein Ex. Und seit vier Jahren nur noch der Vater meiner Kinder. Ich bewege mich mehr tänzelnd als gehend in die Küche. Swantje, 12, und Mirko, 8, sind vor einer Stunde ins Schwimmbad abgezogen. Die Wohnung fühlt sich so gut gelaunt an, wie sich eine Wohnung nur an einem Samstagnachmittag anfühlt. Ich löffele Kaffeepulver in die Filtertüte, vor mich hin summend öffne ich den Kühlschrank. Dachte ich mir doch: Links neben der Milch steht die von meinem Geburtstag übrig gebliebene Flasche Prosecco. Ich stelle Sektgläser auf die Arbeitsplatte, nur mal so. Zurück zum Balkon trage ich zwei Becher mit heißem Kaffee. Oliver und ich blinzeln in die Sonne. Nach einer Weile reden wir über Swantjes Schulprobleme. Oliver bietet an, mehr Mathe mit ihr zu üben. Oder wäre es besser, wenn unsere Tochter die Klasse wiederholt? Wir beschließen, uns demnächst mit ihrer Klassenlehrerin zu beraten. Gute Entscheidung! Wieder lächelt Oliver dieses Lächeln. Dabei fallen ihm seine dunkelbraunen Locken in die Stirn. An denen habe ich ihn früher so gern gezogen, hin zu mir. Erinnerungen flackern auf. Gleichzeitig wandert Olivers Blick über meine leider noch winterweißen Beine. Ist der Rock zufällig hochgerutscht, oder habe ich ihn absichtlich etwas über meine Knie gezogen?

Schuldzuweisungen, Streit, kurze Versöhnungen, dann wieder Streit.

Vor knapp vier Jahren wurden wir geschieden. Ruck, zuck, mit einem gemeinsamen Anwalt. Kein Rosenkrieg, aber verletzte Gefühle und auch Wut. Gründe für die Trennung gab es reichlich. Jeder von uns hatte eine Schublade voll davon und knallte sie bei jeder Gelegenheit auf den Tisch. Meine Version: Oliver tyrannisierte mich und die Kinder mit seinem Ordnungswahn. Nicht nur die Schuhe, auch die Konservendosen und Bilderbücher mussten in Reih und Glied stehen. „Wie bei deiner Supermama in ihrem Superhaushalt“, keifte ich zurück. Umgekehrt verwandelte sich Olivers Gesicht in eine starre Maske, wenn er unsere Kontoauszüge durchging. „Du hast ja schon wieder Klamotten bestellt“, warf er mir vor, „Kosmetik für 80 Euro, und wozu neue Vorhänge?“ Schuldzuweisungen, Streit, kurze Versöhnungen, dann wieder Streit. Unsere Ehe steckte fest wie ein Auto in einer Sanddüne. Der Motor glühte. Die Reifen drehten durch, Oliver und ich auch. Damit schwand auch unsere Lust auf Sex, obwohl wir uns im Bett immer gut verstanden hatten. Der letzte Schluck Kaffee auf dem Balkon. Dann öffnet Oliver seinen Handwerkskoffer und räumt Nägel, Dübel, Schrauben fein säuberlich ein. Als wir noch verheiratet waren, hätte ich sofort eine abfällige Bemerkung abgefeuert. Jetzt schaue ich Oliver einfach zu, wie er ruhig hantiert. Ordnung und Zuverlässigkeit haben viel für sich, denke ich. „Wir sollten noch anstoßen, auf die Blumenkästen“, bestimme ich, und meine Stimme klingt zu meiner Überraschung ein bisschen rauchig. Wir sind beim zweiten Glas Prosecco, als er eine Hand auf mein linkes Knie legt. „Du frierst ja.“ Seine andere Hand landet auf meinem rechten Knie, fühlt sich gut an. Ein Geräusch lässt uns auseinanderfahren. Mirko und Swantje poltern herein. Meine zwölfjährige Tochter zieht die Augenbrauen hoch, als sie die Sektgläser sieht. Ich fühle mich ertappt. Verrückt. Oliver ist doch ihr Vater! Ziemlich schnell nach der Scheidung hatte ich einen neuen Freund. Dann einen zweiten und einen dritten. Unkomplizierte Typen, denen es egal war, ob meine Shopping-Ausbeute unterm Bett lag. Oder mein Konto überzogen war. Oliver war bald fest liiert mit Iris. Iris war superordentlich und cremte meine Kinder jede zweite Stunde mit Sonnenschutz ein. Trotzdem ist auch Oliver jetzt wieder solo. Wir gehen gemeinsam zu Swantjes Klassenlehrerin. Oliver und ich versprechen, die Hausaufgaben unserer Tochter genauer anzuschauen und mit der Schule Kontakt zu halten. Zum Schluss schenkt uns die strenge Frau Wagner ein Lob: „Wie Sie beide als getrenntes Paar kooperieren – alle Achtung!“

Ich bin verliebt. In den Mann, den ich mal geliebt habe.

Draußen auf der Straße fallen Oliver und ich uns spontan in die Arme. Ja, darauf können wir stolz sein: Als Eltern waren wir immer ein gutes Team. Dann eine WhatsApp: „Abendessen beim Italiener, heute? Nur wir beide.“ Dabei hat Oliver früher alles langfristig geplant. „Ja, gern“, texte ich zurück. Mein Herz trommelt. Habe ich jetzt ein Date mit meinem Ex? Das bringt doch nichts, sage ich mir. Trotzdem schlüpfe ich nach der Arbeit in das rote Kleid, das so sexy um meine Hüften schwingt. Gekauft habe ich es bereits vergangenen Sommer, im Sale. Als alleinerziehende Mutter musste ich lernen, mein Geld einzuteilen. Gutes Essen, guter Wein, Kerzenlicht. Trotzdem verläuft der Abend seltsam steif. Wir sprechen über das Fußballcamp, in das unser Sohn Mirko in den nächsten Ferien fährt. Wer zahlt seine neue Trainingshose? Wir einigen uns problemlos. Warum haben wir das früher nicht geschafft? Kurz vor 22 Uhr ein verlegenes Händeschütteln. Oliver verschwindet in die eine, ich in die andere Richtung. Es nieselt leicht, trotzdem ist die Sommernacht warm. Nach ein paar Schritten überfällt mich ein ganz starkes Gefühl. Es sagt mir: umkehren, hinlaufen, ihn spüren. Stattdessen renne ich weiter, um meine Straßenbahn zu erreichen. Was will ich eigentlich? An einem dieser ruhigen Samstagnachmittage, Swantje und Mirko sind bei Freunden, streikt meine Waschmaschine. Zufall oder Schicksal? Oliver kommt. Zuverlässig wie immer. Seinen Handwerkskoffer in der Hand, steigt er die Treppen hoch, die Locken verschwitzt vom Fahrradfahren. Ich erwarte ihn an der offenen Wohnungstür. Unsere Blicke verhaken sich. Ich weiß endgültig: Ich bin verliebt. In den Mann, den ich mal geliebt habe. Der mich genervt, beschimpft und nicht immer gut behandelt hat. Den ich ebenfalls mies behandelt habe. Die Waschmaschine wird nicht repariert. Stattdessen küssen wir uns hinüber ins Schlafzimmer. Oliver riecht heute anders am Bauch. Dafür behauptet er, mein Po sei weiblicher geworden. Ja, wir beide haben uns in der Zwischenzeit verändert. Aber nicht nur äußerlich. „Papa ist jetzt viel öfter bei uns“, plaudert Mirko zwischen Zähneputzen und Zubettgehen. „Das mag ich.“ Swantje dagegen beobachtet ihren Vater und mich misstrauisch. Als Oliver aber irgendwann sein Rasierzeug im Badezimmer und sein Fahrrad im Flur deponiert, weint unsere Tochter vor Freude. „Jetzt habe ich wieder eine richtige Familie wie Lena und die anderen“, schnieft sie. Da muss auch ich weinen.

 

Ich aber bin unsicher geworden. Ich habe Angst, dass doch wieder alles wie früher wird.

Aber dann streiten Oliver und ich doch wieder. Er meckert über meine Brösel auf seiner Zeitung, ich finde seinen neuen Anzug spießig. Wir schaukeln uns in unserer Kritik hoch. Oliver bleibt für drei Tage fort. Als er wieder auftaucht, bringt er Rosen mit: „Lass uns noch mal heiraten.“ Ich aber bin unsicher geworden. Ich habe Angst, dass doch wieder alles wie früher wird. Egal ob mit Trauschein oder nicht – wir müssen es jetzt besser vorbereiten, argumentiere ich. Auch der Kinder wegen. Die Sommerferien verbringen wir zu viert an der Ostsee. Bei langen Strandspaziergängen reden Oliver und ich. Viel mehr und ehrlicher als während unserer Ehe. Was stört den anderen? Was verletzt? Können wir rote Linien einziehen? Denn Verliebtheit allein trägt nicht, das haben wir inzwischen verstanden. Zurück im Alltag bleibt Oliver fürs Erste in seiner Wohnung. Wir treffen uns aber häufig und proben eine neue Form der Auseinandersetzung: Probleme ruhig ansprechen oder einfach den Mund halten. Öfter mal aus dem Zimmer gehen, bevor wegen Kleinigkeiten die Emotionen hochgehen. Inzwischen glaube ich, dass wir vor vier Jahren zu schnell das Handtuch geworfen haben. Jetzt möchte ich nichts überstürzen. Dafür ist mir meine neue alte Liebe zu kostbar.

Interview: Mit Coach die Wiederholung wagen

Partnerschaft: Zurück zum Vater meiner Kinder?
© PeopleImages / iStock

Laut einer britischen Studie denkt ein Viertel aller geschiedenen Paare über einen zweiten Anlauf nach. Zwölf Prozent realisieren ihn tatsächlich. Susanne Betz fragte die Münchner Paar-und Familientherapeutin Nele Kreuzer, wie die Neuauflage gelingen kann.

Welche Fallstricke lauern für Paare in einer Boomerang-Liebe?

Die neu entfachten Gefühle überdecken zunächst die Trennungsgründe von damals. Denn auch wenn man sich zum zweiten Mal ineinander verliebt, blickt man anfangs wieder durch eine rosarote Brille. Möglicherweise gerät das Paar dann aber schnell wieder ins alte Fahrwasser, und die negativen Verhaltensmuster wiederholen sich. Deshalb sollten die Ex-Partner unbedingt die Gründe des ersten Scheiterns und ihr damaliges Verhalten analysieren. Vielleicht schalten sie präventiv auch gleich einen Coach ein, um alte Fehler zu vermeiden.

Eine Neuauflage der alten Liebe hat aber sicher auch Vorteile?

Unbedingt, denn es herrscht viel Vertrautheit. Man weiß, woran man ist, kennt die Schwächen und Stärken des anderen – all das entspannt im Umgang miteinander ungemein.

Warum kommt es überhaupt gar nicht so selten zu zweiten Anläufen?

Weil sich manche Paare viel zu überstürzt trennen, obwohl sie eigentlich gut zusammenpassen. Wenn die Trennung aber respektvoll verlaufen ist und man sich auch anschließend fair behandelt, kann die Liebe leicht wieder aufblühen. Denn die Chemie hat ja schon mal gestimmt.

Wie wirkt sich die Neuauflage auf die gemeinsamen Kinder aus?

Kinder sehnen sich fast immer nach einer Versöhnung ihrer Eltern, nach einem Heilwerden der Familie. Gleichzeitig erinnern sie sich an den Streit oder das eisige Schweigen vor der Trennung und fürchten sich davor. Allein um eine Retraumatisierung ihrer Kinder zu vermeiden, ist es also wichtig, dass die Eltern den Neuanfang überlegt angehen und Kinder erst einbeziehen, wenn sie es wirklich wieder miteinander versuchen wollen.

Lesetipp: Wieder Paar sein

Weil auch der zweite Versuch im Alltag ankommt und damit die Liebe bleibt: „Wieder Paar sein. Erfüllte Zweisamkeit trotz Arbeit und Kind“, Sascha Schmidt,
Humboldt, 19,99 Euro

Lesetipp: Ex zurück!?

Für alle, die es wagen: „Ex zurück!? Das Geheimnis des Wiederzusammenkommens“, Leonard Kehling und Gabriela Torres, Books on Demand, 16 Euro

Neu in Familie