Artikelinhalt
- Patchworkfamilie: Was bedeutet das genau?
- Wie akzeptiert ein Kind das Leben als Patchworkfamilie leichter?
- Wie reagieren Kinder auf die Situation in einer Patchworkfamilie?
- Wie mit neuen Geschwistern als Mitglieder der Patchworkfamilie umgehen?
- Wer erzieht wen in der Patchworkfamilie?
- Welche Rechte und Pflichten gibt es in der Patchworkfamilie?
Patchworkfamilie: Was bedeutet das genau?
Wenn ein Elternteil eine Beziehung mit einem:r neuen Partner:in eingeht, nannte man den früher Stiefmutter oder Stiefvater bzw. Stiefeltern. Und die sind - wie wir aus den Märchen wissen - böse und gemein. Heute nennt man eine neu zusammengewürfelte Lebensgemeinschaft Patchworkfamilie. Das klingt viel lustiger - nach einem buntem Flickenteppich. Die "normale" Kleinfamilie, bestehend aus Mama, Papa und Kind ist heute nicht mehr die Norm.
Etwa sieben bis 13 Prozent deutscher Familien, so schätzt man, leben heute als Patchworkfamilie zusammen. Genaue Statistiken gibt es nicht. Kein Wunder bei so vielen Varianten: Entweder bringt die Mutter ihre Kinder mit in die neue Beziehung. Oder der Vater. Oder die Kinder von beiden Elternteilen leben in der Familie. Manchmal leben auch Kinder aus einer früheren Beziehung bei dem:r Ex-Partner:in und kommen nur am Wochenende zu Besuch. Oft kommen auch noch gemeinsame Kinder aus der neuen Beziehung dazu. Es gibt viele Familienformen.
Jede Patchworkfamilie ist anderes. Anders in der Zusammensetzung. z.B. auch als Regenbogenfamilie, anders in ihrer Entstehungsgeschichte und anders in ihrem Familienleben. Es gibt keine Patentrezepte wie aus den einzelnen Familienmitgliedern eine Familie entsteht. Doch es gibt ein paar Regeln, die das Zusammenwachsen der Familie erleichtern können. Und die stellen wir dir hier vor:
Wie akzeptiert ein Kind das Leben als Patchworkfamilie leichter?
Eine neue Beziehung heißt ein:e neue:r Partner:in für das Elternteil, ein:e neue:r Erzieher:in für das Kind, oft ein neuer Freundeskreis und vielleicht sogar eine neue Umgebung. So viel Neues braucht Zeit. Viele Familien machen den Fehler, dass sie am Anfang zu große Erwartungen in das neue Familiensystem setzen. Sie denken, kaum ist der:die neue Partner:in eingezogen, können sie in perfekter Harmonie leben. Meist platzt diese Illusion wie eine Seifenblase und die Partner:innen müssen sich über den Widerspruch von Vorstellung und Realität erstmal bewusst werden. Wer zu schnell auf Normalität drängt, überfordert damit oft die Kinder, den Partner und auch sich selbst.
Am Anfang einer Patchworkfamilie stellen sich deshalb Fragen: Wann stelle ich den:die neue:n Partner:in meinen Kindern vor? Wann können wir zusammen ziehen? Hier gibt es keine Patentformeln. Wichtig ist nur, dass du dem Kind genügend Zeit gibst. Dein Kind fühlt sich vielleicht übergangen, wenn es deine:n neue:n Partner:in zum ersten Mal morgens im Bad trifft. Unternehme gemeinsame Ausflüge und führe den:die Partner:in ganz behutsam in die Familie ein.
Wie reagieren Kinder auf die Situation in einer Patchworkfamilie?
Bei Säuglingen und Kleinkindern ist vor allem die Bezugsperson wichtig. Bleibt das Kind nach der Trennung der Eltern bei dieser, kann es die Trennung leichter verkraften. Kinder im Kindergarten- und Vorschulalter dagegen brauchen Zeit, um über die Trennung der Eltern zu trauern. Oft glauben sie, selbst an der Trennung der Eltern schuld zu sein. Diese Schuldgefühle werden in einer Patchworkfamilie nicht selten auf das neue Stiefelternteil übertragen. Sie reagieren mit Wut, Zorn und Eifersucht auf die Stieffamilie. Als neue:r Partner:in solltest du versuchen, diese Reaktionen nicht zu persönlich zu nehmen und dem Kind Zeit zu geben, sich an die neue Situation zu gewöhnen.
Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren haben es am schwersten, Stiefeltern zu akzeptieren. Da sie den nun in Trennung lebenden Vater oder die Mutter geliebt haben und nun in die Patchworkfamilie ein "Ersatzpapa" oder eine "Ersatzmama" kommt, befinden sie sich in einem Loyalitätskonflikt. Kommen sie gut aus mit dem neuen Partner, so fühlen sie sich als Verräter an der alten Liebe zu Mutter oder Vater. Der:die neue Partner:in sollte daher nicht versuchen, den Vater oder die Mutter zu ersetzen. Vielmehr können Stiefvater- oder mutter das Kind mit Respekt kennenlernen und versuchen, mit ihm eine Freundschaft aufzubauen. Jugendliche verstehen zwar meist die Beweggründe der Trennung, haben aber Probleme, den:die neue:n Partner:in als Autorität zu akzeptieren.
Wie mit neuen Geschwistern als Mitglieder der Patchworkfamilie umgehen?
Oft bringen beide Partner ihre Kinder mit in die Patchworkfamilie. Sprich ausführlich mit deinem Kind über seine Ängste und Befürchtungen in Bezug auf die neue Stieffamilie. Gib dem Kind das Gefühl, dass du es ernst nimmst und vor allem, dass du es genauso liebst wie eh und je. Am Anfang werden die neuen Stiefgeschwister vielleicht als Konkurrenten betrachtet.
Die Position des Kindes verändert sich in einer Patchworkfamilie. War es vorher Einzelkind, muss es nun plötzlich vieles mit den neuen Geschwistern teilen. War es das Älteste, kann es zum Jüngeren werden. War es das einzige Mädchen, muss es nun die Rolle mit jemandem teilen. Das Kind muss die Erfahrung machen, dass alle Kinder in der Patchworkfamilie gleich wichtig sind und dass keines von einem Elternteil bevorzugt wird. Natürlich ist das Beziehungsgeflecht zum eigenen Kind enger als zu den Kindern des:der Partners:in. Und gerade deshalb erfordert diese Situation so viel Fingerspitzengefühl. Du musst dich nicht schlecht fühlen, wenn du deine Stiefkinder nicht liebst - für ein schönes und entspanntes Familienleben, musst du jedoch jedes Kind akzeptieren und respektieren.
Eine weitere Herausforderung für das Zusammenleben der Patchworkfamilie entsteht, wenn das neue Paar ein gemeinsames Baby bekommt. Es ist grundsätzlich nicht leicht für ein Kind zu verstehen, dass ein neues Geschwisterchen kommt, mit dem es die Liebe der Eltern plötzlich teilen muss. Wenn das in einer Patchworkfamilie passiert, ist es besonderes schwierig: Kinder haben oft das Gefühl, dass das Nesthäkchen von den Eltern bevorzugt wird. Zeige deinem Kind deine Liebe und sag ihm immer wieder, dass es dir genauso wichtig ist wie vorher.
Wer erzieht wen in der Patchworkfamilie?
Jede Mutter und jeder Vater hat einen eigenen Stil bei der Erziehung seiner oder ihrer Kinder. Kommt ein neuer Erwachsener in die Familie, müssen die Kompetenzen zwischen den Partnern gut aufgeteilt werden. Sprecht bevor ihr zusammenzieht ausführlich darüber, welche Verhaltensweisen dir und deinem:r Partner:in auf die Nerven gehen, welche Gewohnheiten die Kinder haben und wie ihr darauf reagiert. Versucht euch auf gemeinsame Regeln zu einigen, was zum Beispiel Pünktlichkeit, Ordnung, Mithilfe im Haushalt und so weiter angeht.
Hat ein:e Partner:in Kinder, die nur am Wochenende kommen, ist es wichtig, dass es dann keine besonderen Regeln gibt. Die Kinder, die immer in der Familie leben, fühlen sich sonst benachteiligt. Die wichtigste Regel für eine Patchworkfamilie ist: Nur nichts überstürzen. Gebt euch die Zeit, dass sich alle Familienmitglieder aneinander gewöhnen. Eine Patchworkfamilie kann jede Menge Spaß haben und ihre Mitglieder lernen wie wichtig es ist, Kompromisse zu schließen. Sie lernen neue Freunde kennen und können besser auf Neues reagieren. Und das können sie ihr ganzes Leben lang brauchen.
Welche Rechte und Pflichten gibt es in der Patchworkfamilie?
Wer zahlt für wen in einer Patchworkfamilie? Welche Rechte und Pflichten haben Eltern? Wie sieht es mit dem Sorge- oder dem Umgangsrecht nach einer Scheidung aus? Das alles erfährst du hier:
Bundesministerium für Familie und Jugend
Familienberatung.gv.at: Hier finden Patchworkfamilie eine Broschüre und Tipps, wie sich das Leben als Patchworkfamilie gestalten lässt.
Beratungsstellen, Ämter, Therapeuten
Familienhandbuch.de: Informative Site für (Patchwork-)Familien, Familien mit Schulkind, Hilfsangebote für Kinder und Hilfen für Familien mit Baby.
Verband alleinerziehender Mütter und Väter Bundesverband e.V.
Vamv.de: Hier gibts Tipps und Infos für Alleinerziehende mit und ohne Partner.
Trennung und Scheidung
Familien-wegweiser.de: Informativer Wegweiser für den Umgang nach Trennung und Scheidung.
Bundeskonferenz für Erziehungsberatung
Bke.de: Foren für Patchwork-Eltern und Kinder aus Patchworkfamilien, die sich dort rund um die Uhr austauschen können plus Beratungsstellen in ihrer Nähe.